Bestand

Wiedertäufer-Zinsbriefe (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Mit der Rückkehr Herzog Ulrichs aus der Vertreibung im Jahre 1534 wurde in Württemberg offiziell die lutherische Reformation eingeführt und unter seinem Sohn Herzog Christoph nahm die neue evangelische Landeskirche in Württemberg noch mehr Gestalt an. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 sicherte dem Herzog auch rechtlich das ius reformandi und damit die Möglichkeit, über die Konfession seiner Untertanen zu entscheiden, zu. Dies galt freilich nur für die römisch-katholische und evangelisch-lutherische.
Andere religiöse Gruppierungen wie Calvinisten, Schwenkfelder und (Wieder-)Täufer blieben von der relativen religiösen Toleranz, die das Auswanderungsrecht für Katholiken und Lutheraner in ein konfessionell entsprechend geprägtes Territorium ermöglichte, ausgeschlossen. Reichsrechtlich war insbesondere für die Täufer sogar die Todesstrafe vorgesehen, was in Württemberg nach 1534 jedoch nicht praktiziert wurde. Allerdings mussten die Täufer, wenn sie an ihrem Glauben festhielten, mit Ausweisung und Konfiskation ihrer Güter und ihres Vermögens durch den "gemeinen Kirchenkasten" oder eine lokale "täuferische" Verwaltung oder (Kloster-) Pflege rechnen.
Das durch der Konfiskation täuferischer Vermögenswerte Kapital bzw. "Hauptgut" wurde von der gemeinen Kirchenkastenverwaltung und von den entsprechenden lokalen Verwaltungen an "rechtgläubige" württembergische Bürger verliehen, worüber diese jeweils Zinsurkunden ausstellten und von den zuständigen Stellen besiegeln ließen. Unter den Entleihern waren auch Witwen und unmündige Waisenkinder, die jeweils durch einen gerichtlich bestellten Kriegsvogt bei ihren Rechtsgeschäften vertreten wurden. Als "Hochburgen" des Täufertums gehen aus dem vorliegenden Bestand die württembergischen Ämter Kirchheim, Maulbronn und Schorndorf hervor, da in diesen Gebieten die meisten Zinsbriefe ausgestellt wurden.
Inhalt und Bewertung
Beim vorliegenden Bestand handelt es sich um Archivalien der Kirchenkastenverwaltung über die Ausleihe beschlagnahmter Güter und Geldbeträge der Wiedertäufer - meist Zinsbriefe - die jeweils topographisch geordnet vorliegen. Sie wurden dem altwürttembergischen Membrum "Gemeiner Kirchenkasten" (A 64) entnommen. Ein Teil der Zinsbriefe liegt auf Pergament vor und sind i. d. R. mit anhängenden Wachssiegeln in Holzkapseln besiegelt. Diese Urkunden wurden separat aufgestellt. Die anderen, auf Papier geschriebenen Urkunden sind jeweils mit Papiersiegeln beglaubigt und wurden nach Ortsbetreff in sechs Aktenbüscheln zusammengefasst.
Im bisherigen Zettelrepertorium waren die "Wiedertäufer-Zinsbriefe" nur sehr knapp erschlossen. In den Titelaufnahmen waren i. d. R. nur der Hauptschuldner und der zu zahlende Zins vermerkt. Für das neu erstellte Repertorium würden sämtliche Urkunden und Akten nochmals durchgesehen, die Titel im Stil von Kurzregesten ergänzt und das Ausstellungsdatum präzisiert.
Die Retrokonversion des Zettelrepertoriums erfolgte im Mai 2017 durch Gabriele Makowitsch unter Anleitung des Unterzeichneten, der auch die Modernisierung und Erweiterung der Titelaufnahmen sowie die Indizierung übernahm. Im Zuge der Deskriptorenvergabe konnte lediglich bei den Orten in größerem Umfang auf Normdeskriptoren zurückgegriffen werden, was bei den Personen nur in Ausnahmefällen möglich war.
Der Bestand umfasst 42 Urkunden und 6 Büschel mit einem Gesamtumfang von 0,43 lfd. m.
Stuttgart, im Juni 2017
Johannes Renz

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 65
Extent
42 Urkunden, 6 Büschel (0,43 lfd. m)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Auslesebestände über die Landesverwaltung, Kabinett und Hofbehörden >> Kirche und Universitäten

Date of creation of holding
1573-1684

Other object pages
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rights
Last update
20.01.2023, 3:09 PM CET

Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1573-1684

Other Objects (12)