Bestand
Sondergericht Mannheim (Bestand)
Behördengeschichte: Zu den
bereits bestehenden Strafgerichten kamen nach der Machtübernahme durch
die Nationalsozialisten aufgrund der Verordnung der Reichsregierung
vom 21. März 1933 (RGBl. I S. 136) Sondergerichte hinzu. Die
rechtliche Grundlage dafür bildete das Kapitel II des sechsten Teils
der 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft
und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.
Oktober 1931 (RGBl. I S. 565). Die Sondergerichte wurden für die
Oberlandesgerichtsbezirke gebildet und waren mit einem Vorsitzenden
und zwei Beisitzern besetzt. Gegen die Sondergerichtsurteile waren
Rechtsmittel nicht zulässig. Durch Erlass vom 27. März 1933 über die
Bildung von Sondergerichten (Bad. Justizministerialblatt Nr. 6 vom
28.3.1933, S. 47) wurde Mannheim als Sitz des Sondergerichts für den
Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe bestimmt. Anklagebehörde war die
Staatsanwaltschaft beim Landgericht Mannheim. Die Geschäftsstelle des
Landgerichts Mannheim war zugleich Geschäftsstelle des Sondergerichts.
Die Zuteilung der Geschäfte zum Sondergericht erfolgte durch den
Landgerichtspräsidenten. Mit Wirkung zum 1. November 1940 wurde für
die Landgerichtsbezirke Freiburg, Konstanz, Offenburg und Waldshut ein
eigenes Sondergericht beim Landgericht Freiburg gebildet. Die
Zuständigkeit der Sondergerichte richtete sich im allgemeinen nach
folgenden Vorschriften: 1. § 8 des Gesetzes gegen Verrat der deutschen
Volkswirtschaft vom 12.6.1933 (RGBl. I S. 360); 2. Verordnung des
Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 (RGBl. I
S. 83); 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer
Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21.3.1933
(RGBl. I S. 135); 4. Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und
Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20.12.1934 (RGBl. I S.
1269); 5. Gesetz zur Gewährleistung des Rechtsfriedens vom 13.10.1933
(RGBl. I S. 723); 6. § 134 b Reichsstrafgesetzbuch gemäß der
Verordnung der Reichsregierung vom 24.9.1935 (RGBl. I S. 136); 7. §
134 a Reichsstrafgesetzbuch gemäß der Verordnung der Reichsregierung
vom 5.2.1936 (RGBl. I S. 97); 8. Verordnung vom 20.11.1938 (RGBl. I S.
1632) für Verbrechen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts oder
eines niedrigeren Gerichts gehörten, wenn sofortige Aburteilung
geboten erschien; 9. Verordnung über außerordentliche
Rundfunkmaßnahmen vom 1.9.1939 (RGBl. I S. 1683); 10. § 1 der
Kriegswirtschaftsverordnung vom 4.9.1939 (RGBl. I S. 1609); 11. § 1
der Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 (RGBl. I S. 1679);
12. §§ 1, 2 der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5.12.1939 (RGBl.
I S. 2378); 13. § 239 a Reichsstrafgesetzbuch; 14. Gesetz gegen
Straßenraub mittels Autofallen vom 22.6.1938 (RGBl. I S. 651); 15. § 5
der Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 17.8.1938 (RGBl. I S. 1455):
gemäß Erlass des Reichsjustizministeriums vom 27.5.1940 wurden die
Anklagebehörden, nachdem die Zuständigkeit der Wehrmachtsgerichte zur
Aburteilung von Zivilpersonen wegen Straftaten nach § 5
Kriegssonderstrafrechtsverordnung auf die allgemeinen Gerichte
übergegangen war, angewiesen, in allen bedeutsamen Fällen die Anklage
vor dem Sondergericht zu erheben. 16. Ferner konnte Anklage vor dem
Sondergericht wegen Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz zur
Durchführung des Vierjahresplans vom 29.10.1936 und gegen die
Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlung gegen
Preisvorschriften vom 3.6.1939 erhoben werden.
Bestandsgeschichte: Der Aufbau
des Sondergerichts Mannheim als Abteilung beim dortigen Landgericht
ging nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. Der häufige Wechsel der
Gerichtsreferendare schlug sich auf die Erledigung der Dienstgeschäfte
nieder. Darunter hatte nicht zuletzt die Aktenführung zu leiden. Die
Geschäftsstelle war während des Krieges in Heidelberg untergebracht.
Teilweise tagte das Gericht in Karlsruhe. All das ließ eine
einheitliche Aktenablage nicht zu. Infolge der Kriegsereignisse wurden
die Sondergerichtsakten zum Teil vernichtet. Viele Akten waren bei
Kriegsende an andere Justizbehörden versandt. Bei der Besetzung des
Gerichtsgebäudes in Heidelberg im Frühjahr 1945 wurden die Akten der
Sondergerichtsregistratur in den Keller geworfen, sämtliche
Verschnürungen gelöst und so in Unordnung gebracht, dass der
Zusammenhang der einzelnen fallbezogenen Unterlagen nicht mehr
vorhanden war. Teilweise wurden die Akten von der Besatzungsmacht an
verschiedenen Stellen ausgelagert. Im Sommer 1948 gelangte das
Schriftgut sukzessive an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht
Mannheim zurück und wurden ab 1976 in mehreren Teillieferungen an das
Generallandesarchiv abgegeben.
Ordnung und Verzeichnung: Der
vorliegende Bestand zerfällt in zwei Hauptteile. Im ersten Teil sind
die Verfahrens- und Ermittlungsakten verzeichnet. Aus den Jahren 1933
und 1934 sind von den Prozessakten nur noch die Handakten überliefert;
von den Ermittlungsakten fehlen bis auf geringe Ausnahmen die
Jahrgänge 1933 bis 1935 komplett. Da allerdings die Prozess- bzw.
Ermittlungsregister, die im zweiten Teil des Findmittels verzeichnet
sind, erhalten geblieben sind, kann zumindest die Tätigkeit des
Gerichts rekonstruiert werden. Die Registereintragungen sind in
Auswahl im vorliegenden Findmittel nachgewiesen (Fälle, zu denen keine
Akten vorhanden sind). Mit den Titelaufnahmen wurde im Jahr 1976 durch
Herrn Wilhelm Steinbach begonnen. Die Fertigstellung bzw.
Überarbeitung erfolgte durch den Unterzeichneten. Karlsruhe, im Januar
1993 Manfred Hennhöfer [leicht überarbeitete Fassung des Vorworts von
1993]
Konversion: Im Jahr 2015 wurden
die Erschließungsdaten zum Bestand 507 konvertiert und zu dem
vorliegenden Online-Findmittel aufbereitet. Aus technischen Gründen
musste in die Struktur der Daten und in die Gliederung der Datensätze
eingegriffen werden. Inhaltlich blieben die Erschließungsinformationen
aber in vollem Umfang erhalten. Die Konversion und den Datenimport
besorgte Alexander Hoffmann, importbedingte Redaktionsarbeiten
übernahmen Frau Dorota Wendler und der Unterzeichnete. Karlsruhe, im
Februar 2016 Dr. Martin Stingl
Literaturhinweise: Hans
Wüllenweber: Sondergerichte im Dritten Reich. Vergessene Verbrechen
der Justiz. Frankfurt a.M. 1990. Christiane Oehler: Die Rechtsprechung
des Sondergerichts Mannheim 1933¿1945. Berlin 1997. Homepage des
Arbeitskreises Justiz Mannheim e.V.: http://www.akjustiz-mannheim.de/
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- Bestandssignatur
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Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 507
- Umfang
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12348 Archivalieneinheiten (Nr. 1-12422)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Neuere Bestände (vornehmlich ab ca. 1800) >> Justiz >> Sondergericht Mannheim
- Bestandslaufzeit
-
1933-1945 (-1981)
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1933-1945 (-1981)