Handschriften

Wilhelm Nokk an Karl Weltzien

Enthält: (1r) Nokk ist durch seine "Tage im Dienste des Staates" beansprucht und schreibt seinem Schwiegervater daher erst jetzt. Am Tag des Briefs wurden die "Landboten" berufen. Nokk wird demnächst der (2.) Kammer (der Badischen Ständeversammlung) beitreten, sofern sich die "Rastatter" nicht dagegen entscheiden ("den leichtsinnigen Gedanken nicht wieder fallen lassen"). (Jakob?) Lindau ist ebenfalls Mitglied des Landtags. Er besitzt eine frappante äußerliche Ähnlichkeit mit Nokk. Lindau sandte am Vortag Konradin Gagel in das Ständehaus, damit dieser für ihn "einen Platz auf der äußersten Linken" reserviere. Der Diener vermutete einen Irrtum Gagels und wies Lindau einen Platz "rechts neben Herrn Roßhirt" zu. (1v) Gagel, "bestürzt über die Weisheit der Unmündigen", reservierte daraufhin gar keinen Platz. Die Stimmung in der "Kammer" ist pronational. Die frenetische Begrüßung des französischen Kaisers bei seiner Durchreise in Stuttgart sowie "die kindlichen Anfänge bajuwarischer Großmacht nach Fröbel" in München fördern propreußische Stimmungen. Debattiert werden der "nationale[...] Standpunkt" der Mehrheit, das "Preßgesetz, Octroidefraudationen, Ministerverantworlichkeit, Hundesteuer, Gesindeordnung, Aufhebung der academischen Gerichtsbarkeit, Wehrgesetz, Schulgesetz et cetera et cetera". Fortschritt und ein Abschwellen der Gesetztesinitiativen hängen nicht zusammen. Die Reden über die "Ministerverantwortlichkeit" erscheinen Nokk mit Blick auf die gesamtdeutsche Problematik wenig nützlich. Der Tod (Richard) Rothes stellt einen Verlust sowohl für die Universität Heidelberg als auch (2r) "die protestantische Kirche neuer Richtung" dar. (Daniel) Schenkel ist "ein zu gewöhnlicher Ehrgeiziger", um dauerhaft in der Kirche wirken zu können, und im Liberalismus zu ungefestigt. Der Tod (Carl) Mittermaiers wiegt für Nokk weniger schwer, da er sich "überlebt" hatte. (Johann Caspar) Bluntschli ("Bluntschi") setzt sich für (Johann Heinrich) Holzendorf ein. (Eduard) Osenbrüggen in Zürich interessiert sich anscheinend für eine Professur in Heidelberg. Weltziens "Entwurf über Einführung der Privatdocententhums am Polytechnikum" war in der zurückliegenden Woche Gegenstand heftiger Diskussionen. (Philipp von) Jolly hat punktuelle Bedenken. Er ist gegen unberechenbare Ausgaben der "Amtskasse" "in der gegenwärtigen Zeit" sowie für eine Beschränkung der Privatdozentur auf wissenschaftliche Fächer. Die außerordentliche Professur soll jenen vorbehalten sein, die in der Wissenschaft verbleiben und lehren wollen. Die Zulassung von Privatdozenturen erleichtert den Wechsel "von der Universität zu Polytechnikum und umgekehrt". Der Minister ist entschieden gegen die Privatdozentur in "künstlerischen Richtungen", um nicht die Habilitation und Festanstellung "mittelmäßiger Künstler" zu fördern. (2v) Die Frage der Privatdozentur wird gegenwärtig stark diskutiert. Nokk hofft für die Polytechnische Schule Karlsruhe ("die Anstalt") auf eine vorteilhafte Entwicklung in dieser Sache. (Karl) Birnbaums "Angelegenheit" wird sich voraussichtlich in Lauf des Semesters endlich und zu seinen Gunsten entscheiden. Nokks "Schwiegermutter Bodmann" (= Elise Bodman, geb. Shone) und Heinrich (von Bodman) sind zu Besuch. Mathilde (Weltzien) ist eine gute Gastgeberin; sie lässt ihren Vater grüßen.

Archivaliensignatur
27072/357
Umfang
2 Blatt

Kontext
27072 Nachlass Karl Weltzien >> 1 Korrespondenzstücke in der alphabetischen Folge der Absender >> 1.113 Nokk, Wilhelm (*1832, +1903)
Bestand
27072 Nachlass Karl Weltzien

Indexbegriff Sache
Privatdozentenwesen
Indexbegriff Ort
Heidelberg/DE
Karlsruhe/DE
München/DE
Rastatt/DE
Stuttgart/DE
Zürich/CH

Laufzeit
1867 September 2, Karlsruhe

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Letzte Aktualisierung
07.03.2025, 09:23 MEZ

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Objekttyp

  • Handschriften

Entstanden

  • 1867 September 2, Karlsruhe

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