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Iusticia
Teil einer Serie: - The Seven Virtues / Die sieben Kardinaltugenden, Ph. Galle nach P. Bruegel d.Ä., 7 Pll.
Zentral, erhöht, unparteiisch tritt die Personifikation der Tugend der Gerechtigkeit, Justitia auf. Um dieses Hauptmotiv herum sind die Strafen und Mittel der Justiz der Zeit anschaulich dargestellt. - Die sieben Tugenden beruhen, ähnlich den Todsünden (z.B. Luxuria, Kat.Nr. 40), auf einem festgeschriebenen Kanon. Zunächst bestand dieser aus den vier von Platon definierten Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Thomas von Aquin fügte ihm im 13. Jh. die auf Paulus (1. Kor. 13) zurückgehenden und in christlichen Kulturen als die wichtigsten angesehenen theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung bei. In der katholischen Moraltheologie blieb dieser Direktivkanon bis in das 20 . Jahrhundert erhalten. Ausdruck dessen ist die Vielzahl von Werken der Bildenden Kunst, die sich mit der Darstellung der Thematik beschäftigten. Inhaltlich sowie formal gehören die Sieben Todsünden und die Sieben Tugenden zusammen. Mitunter vereint eine Darstellung des Jüngsten Gerichts als Schlussbild beide Reihen. - Der nebenstehende, von Hieronymus Cock herausgegebene Kupferstich zeigt das fünfte Blatt der Reihe der Sieben Tugenden: Justitia. Zugrunde liegt ihm eine braungraue Federzeichnung Pieter Bruegels aus dem Jahre 1559, ihr wurde vermutlich von Cock mit roter Tinte die Bildunterschrift beigefügt. Philipp Galle stach das Blatt 1559/60. - Sünden und Tugenden werden von Bruegel als weibliche Allegorien dargestellt. Während er um sie bei den Lastern unnatürliche, phantastische und makabre Elemente gruppiert, sind die Tugenden mit beziehungsreichen alltäglichen Volksszenen und Episoden illustriert. - Justitia sind mit Waage und Schwert ihre klassischen Attribute beigegeben. Sie trägt eine Augenbinde, um ihre Unparteilichkeit zu gewährleisten und zu zeigen, dass nur der Verstand, nicht äußere Einflüsse ihre Entscheidungen begründet. Der viereckige Stein, auf dem sie steht, kommt den Gerichtssteinen gleich, die auf niederländischen Marktplätzen zu finden waren, gleichermaßen zeigt er jedoch auch als Sinnbild die Festigkeit und Beständigkeit der Richterin. Beschuldigte oder Verurteilte wurden mit Fußeisen daran gekettet und so in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt. Innerhalb einer fiktiven Gerichtshof-Architektur ist um das Hauptmotiv herum der Alltag der Rechtssprechung im 16. Jh. verbildlicht. Anklage und Verhör erscheinen hier harmlos neben den repressiven Prozeduren der Rechtsfindung durch das Fesseln auf eine Streckbank oder ein Folterrad. Dazu zählen auch das Handabhacken oder die Maßnahme, dem Beschuldigten gewaltsam Jauche einzuflößen. Sie wurde später, vor allem während des 30-jährigen Krieges, häufig verwandt und unter der Benennung „Schwedentrunk“ bekannt. Die auf Geständnisse folgenden Strafen reichten vom Auspeitschen und Aufknüpfen über Verbrennen auf dem Scheiterhaufen bis hin zum Köpfen. Zur Rechtsfindung im Inneren des höher gelegenen Gerichtshofes, der von Soldaten und reicher gekleideten Männern gefüllt ist, hatte das Volk keinen Zutritt. Um Ruhe zu gewährleisten, wurde den Zuschauern auf der Treppe von einem Soldaten der Durchgang verwehrt. Zutritt hingegen hatte das Publikum zu den Ausführungen der Bestrafungen, die zum größeren Teil in einer sich hinter dem Gebäude öffnenden Landschaft stattfanden. Die Bildunterschrift: „Ziel des Gesetzes ist es, dass es entweder den, welchen es bestraft, bessert, oder durch die Strafe andere abschreckt oder damit durch Unterdrückung der Übeltäter die übrigen sicherer leben.“ verlangt die Teilnahme des Publikums zur Belehrung und manifestiert so den neuzeitlichen Anspruch, der an die Justiz gestellt wurde. -
- Alternativer Titel
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Die Gerechtigkeit
- Standort
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Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
- Inventarnummer
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D 4155
- Maße
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Breite: 314 mm (Blattmaß)
Höhe: 239 mm (Blattmaß)
- Material/Technik
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Papier; Kupferstich
- Inschrift/Beschriftung
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Aufschrift: SCOPVS LEGIS EST,...CAETERI SECVRIORES VIVAT. (Bildunterschrift)
Marke: Göttinger Bibliotheksstempel
Aufschrift: IVSTICIA. (Bildinschrift)
- Verwandtes Objekt und Literatur
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Beschrieben in: „Gott & die Welt : niederländische Graphik des 16. Jahrhunderts aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen ; [Carsten-Peter Warncke zum 60. Geburtstag] ; [Kunstsammlung der Universität Göttingen, 10. Juni bis 8. Juli 2007, Emslandmuseum Schloß Clemenswerth, 2. September bis 31. Oktober 2007, Ostfriesisches Landesmuseum Emden, 17. Februar bis 30. März 2008]“. Cuvillier, Göttingen, 2007. (Kat. Nr. 41)
Beschrieben in: A. Stijnman, S. Turner, J. Teyler, F. Hollstein, J. Call, und J. Aveele, The @new Hollstein Dutch & Flemish etchings, engravings and woodcuts, 1450-1700. Sound & Vision Publishers, Ouderkerk aan den Ijssel, 2017. (The New Hollstein Dutch & Flemish (Galle) II.267.312)
ist Teil von: Die sieben Kardinaltugenden [D 4152-4158]
- Klassifikation
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Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
- Bezug (was)
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Strafe
Gerichtsbarkeit
Rechtsprechung
Schwert
Gerechtigkeit, Justitia (Ripa: Giustitia divina), als eine der vier Kardinaltugenden
Justitia (römische Personifikation)
- Ereignis
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Entstehung
- (wann)
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1559 - 1560
- Ereignis
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Herstellung
- Ereignis
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Veröffentlichung
- Förderung
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Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
- Letzte Aktualisierung
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24.04.2025, 12:58 MESZ
Datenpartner
Kunstsammlung der Universität Göttingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Grafik
Beteiligte
Entstanden
- 1559 - 1560