Grafik

Die klugen und törichten Jungfrauen

Ein Wolkenband teilt das Blatt in zwei Bildzonen. In der unteren Zone sind zwei Szenen mit jeweils fünf Frauen zu erkennen. Links sind die Frauen mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, sie spinnen, waschen und nähen. Die Frauen auf der rechten Seite hingegen vergnügen sich beim Tanz zur Sackpfeifenmusik; ihre Arbeitsgeräte haben sie beiseite gelegt. Die obere Bildzone wird von gotischer Architektur bekrönt. Zu einem zentralen Bau führen zwei Treppen, auf denen jeweils fünf nackte Frauen emporsteigen. Die linke Gruppe wird von Christus empfangen und in den Bau eingelassen, während die rechte Gruppe vor einer verschlossenen Tür steht. Unter ihnen sind die Worte Christi „Nein, ich kenne euch nicht.“ (Mt.25,12) in Latein zu lesen. Im Hintergrund stehen zahlreiche Engel. Auf dem Wolkenband sind drei weitere Engel zu sehen. Links und rechts knieen zwei Posaune blasende Engel. Die an den Posaunen angebrachten Fahnen zeigen die Arma Christi. In der Bildmitte hält ein Engel ein Spruchband mit dem Vers „Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!“ (Mt. 25,6). - Es handelt sich um mehrere Szenen der Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt. 25, 1-13). Das Gleichnis erzählt uns die Geschichte von zehn Jungfrauen, die als Bräute ausersehen waren. Um ihren Bräutigam am Abend der Hochzeit empfangen zu können, benötigen sie Öl für ihre Lampen. Die Ankunft des Bräutigams verzögert sich jedoch, und fünf Jungfrauen müssen erkennen, daß sie nicht ausreichend vorgesorgt haben. Während sie Öl besorgen erscheint der Bräutigam, der die verbliebenen klugen Jungfrauen in den Hochzeitssaal geleitet. Als die törichten Jungfrauen zurückkehren sind die Türen verschlossen, und ihnen wird der Eintritt verwehrt. - In diesem Blatt sind in der unteren, irdischen Bildhälfte links die klugen und rechts die törichten Jungfrauen zu sehen. Zwischen den beiden Szenen ist ein Baum eingefügt. Dieser ist auf der den klugen Jungfrauen zugewandten Seite belaubt. Die Seite der Törichten zeigt kahle Äste. In der oberen, himmlischen Bildhälfte zeigt sich bereits der Ausgang der Geschichte. Die klugen Jungfrauen sind rechtzeitig an der Pforte und werden von Christus eingelassen. Die törichten Jungfrauen hingegen kommen zu spät und werden von ihm nicht erkannt. - Der Stich wird Philipp Galle zugeschrieben. Als Vorlage diente ihm eine Zeichnung von Pieter Bruegel, die nicht erhalten ist. Lebeer datiert die Entstehung der Vorlage aufgrund von stilistischen Merkmalen in die Jahre 1560-61. - Die Erzählung von den klugen und törichten Jungfrauen ist die am häufigsten ins Bild gesetzte biblische Parabel. Während in der deutschen Graphik des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts vor allem Serien mit Einzeldarstellungen der Jungfrauen zur Umsetzung des Themas verwandt wurden, war in den Niederlanden ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nun auch die Vereinigung mehrerer Szenen innerhalb eines Blattes möglich wie bei dem vorliegenden Stich. - Zumeist wird die Parabel mit dem Jüngsten Gericht in Verbindung gebracht, da ihr die Schilderung des Weltgerichts (Mt.25, 31-46) im Matthäusevangelium folgt. Ebenso wie die Wiederkunft Christi (des Bräutigams), ist der Zeitpunkt des Weltgerichts nicht vorhersehbar und deshalb mit Wachsamkeit zu erwarten. Anders als die klugen Jungfrauen, die mit dem Bräutigam Hochzeit feiern werden, also in das Reich Gottes einziehen, haben sich die Törichten in Glauben und Taten nicht auf diesen Tag vorbereitet. In dieser Darstellungstradition bleibt auch Bruegel, indem er die Jungfrauen auf der Treppe nackt, also nach der Auferstehung der Toten, und im Hintergrund die Schar der Seligen darstellt. Die beiden Szenen in der unteren Bildzone gehen jedoch nicht auf biblische Vorlagen zurück. Wie in seinen beiden Serien der sieben Tugenden und Todsünden beschäftigt sich Bruegel auch hier wieder mit dem tugendhaften und lasterhaften Leben und stellt die Folgen des jeweiligen Handelns vor Augen. -

Urheber*in: Galle, Philippe / Fotograf*in: Katharina Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Attribution - ShareAlike 4.0 International

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Location
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventory number
D 4151
Measurements
Höhe: 251 mm (Blattmaß)
Breite: 311 mm (Blattmaß)
Material/Technique
Papier; Kupferstich
Inscription/Labeling
Aufschrift: DATE NOBIS DE ... NOBIS ET VOBIS math.25 (Bildunterschrift)
Aufschrift: Non noui uos (Rechter Treppenaufstieg)
Marke: Göttinger Bibliotheksstempel
Aufschrift: Ecce sponsus uenit exit obuiam ei. (Bildmitte)

Classification
Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
Subject (what)
Tanz
Öllampe
Himmlisches Jerusalem
Spindel
Engel
die klugen Jungfrauen werden mit dem Bräutigam (Christus) in das Haus eingelassen; den törichten Jungfrauen wird der Eintritt verwehrt

Event
Entstehung
(who)
(when)
1560 - 1561 (Nach: http://kk.haum-bs.de/?id=galle-p-ab3-0228)
Event
Herstellung
(who)
Event
Veröffentlichung
(who)

Sponsorship
Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Last update
24.04.2025, 12:58 PM CEST

Data provider

This object is provided by:
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Object type

  • Grafik

Time of origin

  • 1560 - 1561 (Nach: http://kk.haum-bs.de/?id=galle-p-ab3-0228)

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