Malerei

Dorflandschaft mit zechenden Bauern

Das querformatige Bild, dessen niedrig gelegener Horizont auffällt, zeigt eine schräg nach rechts in den Hintergrund fluchtende Straße, an der auf der rechten Seite mehrere Gebäude stehen: Von links nach rechts erkennt man – vom linken Bildrand angeschnitten – eine eingeschossige traufständige Scheune, danach folgt ein größeres, zweigeschossiges, giebelständiges Haus und danach eine eingeschossige giebelständige Scheune, deren Fassade nach rechts hin von einem überlebensgroßen Bretterzaun fortgesetzt wird, hinter dem ein sich nach rechts neigender Baum herauswächst. Das zweigeschossige Haus wird durch ein über der Tür hängendes Schild sowie durch eine Versammlung von davor feiernden Menschen als Wirtshaus ausgewiesen. Hierzu passen auch diverse Einzelmotive wie Fässer oder Weinkaraffen. - Insgesamt bilden die Häuser, welche die linke Bildhälfte dominieren, die Kulisse für eine Vielzahl von davor gruppierten Personen und Gerätschaften. Die Hauptgruppe befindet sich sitzend und stehend vor dem Wirtshaus. Sie setzt sich aus einer aus der Tür heraustretenden Frau mit verschränkten Armen sowie einer Gruppe von Trinkenden zusammen. Durch eine Ansammlung von Behältnissen von dieser Hauptgruppe abgesondert, ist ganz links im Bild eine Figur auszumachen, die sich in die traufständige Scheune wendet. Rechts neben der Hauptgruppe öffnet sich die giebelständige Scheune mit einem großen Tor, durch das gerade ein Mann und eine Frau verschwinden wollen. Darunter befinden sich im Vordergrund auf der Mitte des Weges zwei Gestalten, die sich, Arm in Arm wankend, auf dem Weg zu einer Stadt begeben, deren Kirchturm im Hintergrund als Blickpunkt erscheint. Auf demselben Weg sind im Hintergrund weitere tanzende und feiernde Personen auszumachen. - Rechts im Vordergrund wird das Bild durch ein Schild mit einer (leider unleserlichen) Beschriftung und eine hölzerne Barriere nach vorn hin abgeschlossen. An die Barriere lehnt sich eine Figur, die von einem von links herbeilaufenden Hund überrascht wird. Der leicht bewölkte Himmel, der diese Szene überspannt, ist von einigen Vögeln bevölkert, die auf einen am Wirtshaus befindlichen Schlag zufliegen. - Insgesamt ist das Bild kompositorisch auf die Leserichtung von links nach rechts abgestimmt. So fällt der Blick des Betrachters zunächst auf die links befindliche große Häuserwand, die geradezu die Gesamthöhe des Bildes einnimmt. Den Personen in der Mitte und dem Weg folgend, wandert der Fokus sodann in die Weite der Landschaft, die sich durch einen rund zwei Drittel des Bildes einnehmenden Himmel auszeichnet, und endet auf der im Hintergrund befindlichen Stadt. - - Vergleichswerke für dieses Bild lassen sich, wie eingangs erwähnt, in der Niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts finden. Als ein bedeutendes Beispiel kann ein von Jan Victors (1620-1676) um die Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffenes Werk mit dem Titel Rast vor der Schenke (GG 090) herangezogen werden, das sich in der Göttinger Kunstsammlung befindet. Es zeigt ebenfalls eine an einem Pfad befindliche Schenke, vor der sich verschiedene Personen finden lassen. Dabei zeichnet es sich besonders durch seine hohe technische Qualität aus. Der niedrige Horizont sowie die Kirchturmspitze sind Merkmale, die auch in dem Gemälde des - deutschen Unbekannten vorgefunden werden können. - Neben Victors Gemälde gibt es außerdem ein Werk in der Universitätskunstsammlung Göttingen, das als Kopie aus dem 18. Jahrhundert in der Art des Karel Dujardin (um 1622-1678) (GG 023) handelt und ebenfalls als Rast vor der Schenke bezeichnet wird. Vergleichsmomente lassen sich einerseits im Thema finden, zum anderen aber auch im Bildaufbau und der Motivik. So tritt auch in diesem Gemälde eine Wirtin aus der Tür heraus, während sich zwei Offiziere vor der Schenke - mit Wein erfrischen. Ein sich erleichternder Mann ist, wie bei dem Werk des Unbekannten, erst auf den zweiten Blick zu erkennen: er steht links hinter dem Reiter im Mittelgrund des Bildes. Ebenso wie im Gemälde Dorflandschaft mit zechenden Bauern befindet sich die Schenke dabei im linken Bildfeld, wobei der Blick des Betrachters ungestört in der rechten Bildhälfte durch die Landschaft wandern kann. - Beide Gemälde sind bühnenhaft aufgebaut und mit unterschiedlichstem Personal ausgestattet, was für Werke der Niederländischen Malerei, die sich häufig durch eine feine zeichnerische Qualität, differenzierte Tonalität und durch kompositorische Merkmale wie den niedrigen Horizont auszeichnen, charakteristisch ist. Nicht nur mit solchen Kompositionseigenschaften, sondern auch mit dem hier - adaptierten Malgrund nähert sich die Dorflandschaft mit zechenden Bauern an Genrebilder des 17. Jahrhunderts an: Die Verwendung von Holz war im 19. Jahrhundert - weitgehend unüblich geworden. Gleichwohl sprechen mehrere Merkmale des Werkes gegen eine Entstehung im 17. Jahrhundert. So erscheint der Farbauftrag an einigen Stellen zu pastos und die Farbigkeit nicht gedeckt genug. Auch wirkt die Kleidung der Protagonisten geradezu biedermeierlich, was besonders an dem Spitzenhäubchen der Wirtin deutlich wird. - Im 19. Jahrhundert befand sich die Genremalerei im Aufschwung und Vorbilder der niederländischen Kunst wurden bei Künstlern und Betrachtern beliebter. Zudem war das Thema des Alkoholgenusses in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit - verbreitet. Besonders in Düsseldorf entwickelte sich das Trinkgenre, das die durch Weinseligkeit beförderte Geselligkeit aufzeigte. Das recht kleine Format und die relativ lockere Ausführung könnten daher dafür sprechen, dass die Dorflandschaft mit zechenden Bauern für den Verkauf auf einem breiten Markt mit geringeren finanziellen Möglichkeiten gedacht gewesen war oder als Studie eines Genremalers fungierte. Selbst eine bewusste Fälschung – worauf der Malgrund hinweisen könnte – ist nicht ganz ausgeschlossen.

Fotograf*in: Katharian Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International

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Standort
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventarnummer
GG 216
Maße
Breite: 27,1 cm (Maße ohne Rahmen)
Höhe: 23,5 cm (Maße ohne Rahmen)
Material/Technik
Leinwand; Ölmalerei

Klassifikation
Malerei (Hessische Systematik)
Kunst des 19. Jhdt./Frühe Moderne (Kuniweb - Stil / Epoche)
painting (Oberbegriffsdatei)
Bezug (was)
Landschaft
Gaststätte
Landleben
Dorfbewohner, Dörfler
Stadtansicht; Landschaft mit von Menschen errichteten Anlagen
Gasthaus, Kaffeehaus, Kneipe, etc.

Ereignis
Entstehung
(wer)
unbekannter MalerIn
(wann)
Mitte 19. Jh. ?

Letzte Aktualisierung
24.04.2025, 12:58 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Malerei

Beteiligte

  • unbekannter MalerIn

Entstanden

  • Mitte 19. Jh. ?

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