Bestand
Firmenarchiv Wolff (Bestand)
Vorwort: Die Unterlagen wurden
in den Jahren 1997-2006 aus dem Privatbesitz ehemaliger
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengetragen und von Herrn
Peter Kolb geordnet und verzeichnet. Zuletzt ist vor zwei Jahren
nochmals eine Sammlung mit Feldpostbriefen von Mitarbeitern an die
Firmenleitung aus dem Besitz des Konkursverwalters in das
Stadtarchiv gelangt. Das Firmenarchiv umfasst Unterlagen über
Standorte, Personal und Produkte, darunter Kataloge, Geschäftsbücher
und auch 2400 Fotos. Die Sammlung lagert in der
Pionierkaserne.
Bilder auch in G7/2.1 Ulm vor der
Zerstörung Nr. 3189 - 3111 + 3113- 3115
Firmengeschichte
(verfasst von Herrn Kolb)
Die Firma Joh.
Heinr. Wolff GmbH existierte von 1843 bis 1986.
Gegründet
wurde die Firma als ein Eisenwaren-Einzelhandelsgeschäft im Gebäude
Kornhausplatz 4 von Joh. Heinr. Wolff. Dazu kamen 1889 Hafengasse 15
als Werkzeugladen, 1926 Lange Straße, heute Neue Straße 73 mit
Haushaltwaren, Glas und Porzellan.
1884 übernahm der Sohn
Albert Heinrich Wolff die Firmenleitung im Alter von 26 Jahren schon
ein ausgebildeter Fachmann und weitblickender Kaufmann. Er
erweiterte das Sortiment und war einer der Pioniere des Radsport: Er
gründete den Ulmer Radfahrverein, entwickelte Rad-Zubehör wie
Gepäckträger, Pedalbügel, ließ gepresste Fahrradglocken herstellen,
(die gegossenen zerbrachen oft). Wolff war Mitglied im Ulmer
Gemeinderat 1905 bis 1919. (Info Stadt Ulm: Ratsdemokratie Ulm
5/2006)
1894: Als eines der ersten Geschäftes Ulms
bekommt Wolff elektrisches Licht, ca. 20 Mitarbeiter wurden
beschäftigt, u.a. mein Großvater, das erklärt auch mein Interesse an
der Wolff Firmengeschichte.
1912 hatte Wolff das Geschäft
am Kornhausplatz umgebaut und mit einer für den Eisenwarenhandel im
In- und Ausland beachteten Neuheit ausgestattet. Eine spezielle
Ladeneinrichtung, die zuerst komplett im Keller montiert wurde und
dann ins Erdgeschoß eingebaut wurde. Das Besondere waren Schubladen
mit Vorbund, der den Inhalt zeigt und das waren im Eisenwarenhandel
tausende Artikel, sowie fahrbare Leitern, die jede Stelle der
Einrichtung erreichten.
1913/14: Wolff s Ulmer
Reformladen, später "Ulmia" Ladeneinrichtung war erfunden und durch
Patente und Gebrauchsmuster geschützt. Erste Einrichtungen wurden
u.a. geliefert nach Augsburg, Goslar, Reutlingen und Biel
/Schweiz.
1914: von 41 Firmenangehörigen wurden 19 zum
Militärdienst eingezogen.
1918: Kriegsende, Liebesgaben
im Wert von 4738 Reichsmark wurden im Krieg an Firmenangehörige
verschickt. Eine neue Entwicklungsphase beginnt. Statt der Stehpulte
gibt es jetzt Schreibtische.
1921: wird die Firma in eine
GmbH umgewandelt. Mitarbeiter Martin Kolb (Eintritt 1894), Wilhelm
Klenk (1902), Eduard Langguth (1908), Jacob Salzmann (1912) und
Heinrich Wolff (1918) werden Gesellschafter.
1935: wird
in der Bauhoferstraße ein Kontor- und Fabrikationsgebäude im
Anschluss an das Großhandels - Lagerhaus erstellt. Die
Geschäftsbereiche Verwaltung, Großhandel, Fabrikation und
Einzelhandel sind klar gegliedert.
1942: seit Dezember
verlagern, wegen mit zunehmender Heftigkeit geführten Luftangriffe,
immer mehr Firmen, wie Abt, Ebner, Laumayer, Ulrich und Wolff ihre
Geschäftsaustattungen und Waren in nahe gelegene Ortschaften und
nahmen dort Gastwirtschaften, Turnhallen, größere Scheuern und
Garagen in Beschlag.
1943: am 23. Juli begeht die Firma
ihr 100-jähriges Firmenjubiläum mit einem feierlichen Appell und
einer Feier abends im Gasthof zum "Goldenen Greifen.
Die
165 Firmenangehörigen mussten für das Essen Lebensmittelmarken
abgeben. Der Senior-Chef Albert Heinrich Wolff feierte gleichzeitig
seinen 85. Geburtstag.
1944 kamen beim
Luftangriff am 17. Dezember auf Ulm 707 Personen ums Leben, 60 % der
Wohngebäude wurden zerstört, 25 000 Menschen obdachlos. Große Teile
der Wolff-Betriebsgebäude wurden zerstört. Restlos vernichtet mit
allen Maschinen und Vorräten wurden die Fabrikabteilung und auch das
große Fachgeschäft am Hauptwachplatz, im Frühjahr 1945 wurde das
Geschäft am Kornhausplatz von einer Sprengbombe getroffen.
1939: bis nach dem Krieg stand die Firma mit ihren
Firmenangehörigen an den Fronten im Osten, Westen, Norden, in Afrika
und wo sie überall verstreut waren, in regelmäßiger Verbindung. Die
Soldaten und Arbeitsmaiden erhielten regelmäßig
Lebensmittel-Päckchen, Rundschreiben, Zeitschriften, auch praktische
Dinge, wie Esbitkocher, Taschenmesser, Feuerzeuge usw. Durch diese
Kontakte kam es zu regem Briefwechsel. Von 147 Personen Liegen 1447
Feldpostbriefe vor. Ganz wesentlich hat Herr Jacob Salzmann diese
Arbeit geleistet und dies, obwohl drei seiner Söhne im Krieg
gefallen sind. Weiter sind (nach heutigen Unterlagen) 26
Finnenangehörige gefallen und 7 vermisst. Sämtliche Briefe habe ich
unter Mithilfe meiner Frau gelesen und wichtige Passagen
herausgeschrieben, es war nicht immer einfach, da die Briefe doch
oft unter schwierigsten Bedingungen verfasst wurden. Pro Kriegsjahr
stellvertretend sind in der Anlage 7 Briefe zitiert.
1948: noch bis zum 20 Juni gab es das Problem mit dem
Warenbezugsrecht. Erst die Währungsumstellung brachte die
Möglichkeit mit der Auffüllung des stark zusammengeschmolzenen
Warenlagers wieder zu beginnen und vor allem auch wieder Vorräte für
die Fabrikabteilung anzulegen. Mit einem Teil-Wiederaufbau wurde
begonnen, zunächst mit der zur Herstellung der "Ulmia" Laden- und
Lager-Einrichtungen erforderlichen Betriebsräumen, die Nachfrage
nach Einrichtungen häuften sich. Das zweite Lagerhaus wurde wieder
aufgebaut.
1949: wird am Westplatz eine Filiale eröffnet.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde am 8. Mai gegründet.
1950: das Stammhaus am Kornhausplatz wird wieder eröffnet, das
Industriegebiet Donautal
wird erschlossen.
1951: das Fabrikgebäude Bauhoferstraße wird wieder aufgebaut.
Auf der Kölner Frühjahrsmesse, wird die durch Patent geschützte
"Schaubild-Einrichtung" erstmalig präsentiert.
1965:
eröffnet Eberhard Reihlen, Geschäftsführender Gesellschafter das
neue Geschäftshaus Neue Straße 73, wo die bisherigen Geschäfte,
Kornhausplatz/Hafengasse/Eselsberg konzentriert werden.
1968: die Firma besteht 125 Jahre und beschäftigt ca. 300
Mitarbeiter. Tausende In- und Ausländische Fachgeschäfte der
Branchen Eisenwaren, Hausrat, Glas und Porzellan arbeiten bis zu
diesem Zeitpunkt mit Ladeneinrichtungen des Hauses Wolff. Neue
Vertriebswege beschreitet der Handel, in der Einsteinstraße wird ein
neues Gemeinschafts-Warenhaus am Stadtrand mit großem Parkplatz
eröffnet. (KARGA)
1976: das Geschäft Neue Straße 73 wird
geschlossen.
1982: die Erträge und ungünstige Prognosen
der Marktsituation zwingen die Firma zur Schließung der
Verbrauchermarkt-Abteilungen (Ulm, Friedrichshafen, Memmingen,
Vöhringen, Ludwigsburg und Saulgau). Der Großhandel hat somit seine
Geschäftsgrundlage verloren und wird ebenfalls 1983
geschlossen.
1985: Strukturwandel und neue
Vertriebsformen erfordern keine Spezialisierung im Ladenbau.
Baumärkte können mit beliebigen Einrichtungen von Metallbauern
ausgestattet werden. Über 50 Mitarbeiter beschäftigt ein Bochumer
Geschäftsmann in einer Nachfolge-Firma, dem es aber nur um Abziehen
von Kapital ging, was auch in einer Gerichtsverhandlung und
Verurteilung geahndet wurde.
- Bestandssignatur
-
E Wolff
- Kontext
-
>> Familien- und Herrschaftsarchive, Archive von Organisationen und Firmen
- Bestandslaufzeit
-
1802/2010
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 12:43 MESZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1802/2010