Kaltnadelradierung

Fastnacht

Max Beckmann war Zeit seines Lebens ein Stadtmensch. Cafés, Tanzlokale, Bars und Varietés, aber auch Maskenbälle und das Schwimmbad, waren für ihn pulsierende Orte des gesellschaftlichen Geschehens und inspirierten ihn zu zahlreichen seiner Kompositionen. 1918 schreibt er in seinem „Bekenntnis“: „Wir gehen wohl einer schweren Zeit entgegen. Aber gerade jetzt habe ich noch mehr als vor dem Krieg das Bedürfnis, unter den Menschen zu bleiben. In der Stadt. Gerade hier und jetzt ist unser Platz“. Weiter führt er aus, dass Bauern und Landschaft „sicher auch etwas sehr schönes und gelegentlich eine schöne Erholung [seien]. Aber das große Menschenorchester ist doch die Stadt“. Die Darstellungen des gesellschaftlichen Lebens und Vergnügens zeigen aber auch die Oberflächlichkeit und Isolation, in der sich die Menschen befinden. - Bereits 1909 notierte Beckmann in seinem Tagebuch: „Einsam sind die Menschen unter sich“. Diese Feststellung, die in besonderem Maße für sein eigenes Leben gelten sollte, widerholte er fast wortgleich in einem Brief, den er am 13. Juni 1925 an seine zweite Ehefrau Mathilde („Quappi“) Beckmann, geborene von Kaulbach, schrieb. - Das Blatt mit dem Titel „Fastnacht“ thematisiert die Spannung zwischen den Geschlechtern: Ein als Harlekin verkleideter Mann sitzt in einem Zimmer auf seinem Bett. Begierig schaut er zu einer neben ihm stehenden Frau, die sich als Pierrette verkleidet hat. Die Frau erwidert seinen Blick, hält den Mann aber mit ihrer rechten Hand auf Distanz. Sie weist sein Begehren, das auch durch die beiden ausgestreckten Arme deutlich wird, zurück. Durch die Maskierung der beiden Protagonisten wird die Allgemeingültigkeit der Szene unterstrichen. Auch mögen die Masken die jeweilige Unergründlichkeit des Gegenübers zum Ausdruck bringen. Ein absolutes Verstehen des anderen Geschlechts scheint ausgeschlossen zu sein. Die Szene erinnert an die ein Jahr zuvor entstandene Radierung „Die Seiltänzer“ aus der Mappe „Jahrmarkt“. Das Motiv wurde für Beckmann zu einem Sinnbild seiner Beziehung mit seiner ersten Frau Minna Tube. Sie hatten sich auf einem Faschingsfest 1902 in Weimar kennengelernt. Die Radierung zeigt eine Artistin auf einem Drahtseil. Ein Mann, der von einem Tuch vollständig bedeckt ist und nichts sehen kann, kommt ihr entgegen. Bald wird es zu einem Zusammenstoß der beiden Hochseilartisten kommen. Nach zwanzig Jahren befand sich das Verhältnis zwischen Beckmann und seiner ersten Frau „in der Schwebe“. Die beidseitigen Wünsche nach Selbstständigkeit ließen sich nicht in Einklang bringen. Sie trennten sich daraufhin, auch wenn sie einander zugetan waren. Die Beziehungslosigkeit hatte gesiegt.
Urheber / Quelle: Lars Berg

Urheber*in: Max Beckmann / Rechtewahrnehmung: Städtisches Museum Braunschweig | Digitalisierung: Dirk Scherer

Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International

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Standort
Städtisches Museum Braunschweig
Inventarnummer
1990-0056-00
Maße
Höhe: 326 mm (Platte)
Breite: 250 mm (Platte)
Höhe: 372 mm (Blatt)
Breite: 289 mm (Blatt)
Material/Technik
Velinpapier; Kaltnadel
Inschrift/Beschriftung
Gravur: Signiert, unten rechts, mit Bleistift: „Beckmann“
Aufschrift: Bezeichnet, in der Platte, oben links: „FASTNACHT“

Verwandtes Objekt und Literatur

Klassifikation
Grafik (Objektgattung)
Bezug (was)
Maske
erwachsener Mann
erwachsene Frau

Ereignis
Entstehung
(wann)
1922
Ereignis
Herstellung
(wer)
Ereignis
Veröffentlichung
(wo)
München

Geliefert über
Letzte Aktualisierung
25.04.2025, 13:06 MESZ

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Objekttyp

  • Kaltnadelradierung

Beteiligte

Entstanden

  • 1922

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