Bestand

Amtsgericht Stuttgart: Akten des Schlichters für Wiedergutmachung Stuttgart (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Schlichters für Wiedergutmachung in der amerikanischen Zone war das Gesetz Nr. 59 der Militärregierung (Amerikanisches Kontrollgebiet) vom 10. November 1947. Nach diesem war die entzogene Immobilie, Firma, Bankguthaben oder sonstiges Eigentum zurückzugeben oder Schadensausgleich zu leisten. Der Geschädigte oder sein Rechtsnachfolger mussten dafür ein streitiges Verfahren gegen die rückerstattungspflichtige Einzelperson oder Institution führen, welche die Sache entzogen hatten. Um zu verhindern, dass jeder Rückerstattungsanspruch zu einem langwierigen Verfahren vor der Restitutionskammer des Landgerichts führte, vor allem aber mit Rücksicht darauf, "daß der volkswirtschaftliche Schaden, der durch einen notwendigen Besitzerwechsel entsteht, tunlichst gering" bleiben sollte (Verordnung Nr. 162 des Staatsministeriums über den Aufbau der Wiedergutmachungsbehörden vom 14. Juni 1947, RegBl Württ.-Bad. 1947 S. 57, § 3), wurde eine Schlichtungsinstanz vorgeschaltet, die bei einigen Amtsgerichten eingerichtet wurde. Im württembergischen Teil der amerikanischen Zone entstanden so der Schlichter für Wiedergutmachung beim Amtsgericht Stuttgart mit Zuständigkeit für die Landgerichtsbezirke Stuttgart und Heilbronn und der Schlichter für Wiedergutmachung beim Amtsgericht Ulm, der für die Landgerichtsbezirke Ellwangen und Ulm zuständig war. Der Ulmer Schlichter für Wiedergutmachung wurde 1954 aufgehoben und mit dem Schlichter in Stuttgart vereinigt. Daher ist die abgebende Stelle für beide das Amtsgericht Stuttgart, das die Unterlagen am 26. Januar 1987 an das Staatsarchiv ablieferte.
Wegen dieser Endprovenienz werden die Bestände im Staatsarchiv Ludwigsburg geführt unter der Signatur FL 300/33 und der Bestandsbezeichnung: Amtsgericht Stuttgart, wobei FL 300/33 I den Bestandszusatz Schlichter für Wiedergutmachung Stuttgart, FL 300/33 II entsprechend Schlichter für Wiedergutmachung Ulm erhalten hat. Diese beiden Bestände enthalten die Einzelfallakten. Außerdem wurde für die Handakten der Archivbestand FL 300/33 I a und für die Karteien, die vor der archivischen Erschließung die einzige Möglichkeit zur Recherche über die Akten darstellten, der Archivbestand FL 300/33 I b gebildet. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand sind Karteien und Handakten allerdings nur von der letzten verwahrenden Stelle, dem Schlichter beim Amtsgericht Stuttgart, vorhanden und müssen für Ulm wohl als verloren gelten.
Normalerweise hing es vom Standort der entzogenen Sache ab, welcher Schlichter zuständig war. Gerade bei komplexeren Verfahren mit verschiedenartigen Rückerstattungsansprüchen kommt es nicht selten vor, dass ein- und derselbe Berechtigte den einen Teil seiner Ansprüche in Ulm, den anderen in Stuttgart verhandeln lassen musste. Es empfiehlt sich daher für die Nutzung, stets beide Bestände mit einzubeziehen.

Inhalt und Bewertung
Die Erschließung erfolgte nach denselben Kriterien wie beim Bestand FL 300/33 II: Amtsgericht Stuttgart: Schlichter für Wiedergutmachung Ulm. Erfasst wurden Bestellnummer, Aktenzeichen, Name der Geschädigten (nicht der Antragstellers), der Wohnort der Geschädigten zum Zeitpunkt der Entziehung (in normierter Form aus einer baden-württembergischen Ortsliste entnommen) und - soweit vorhanden - Geburts- und gegebenenfalls Todesdatum. Im Normalfall lassen sich diese Angaben dem Formular entnehmen, mit dem die Ansprüche beim Zentralanmeldeamt gemeldet wurden. Alle sonstigen Angaben, etwa die Benennung der entzogenen Güter und Vermögen, die Beschreibung des Entziehungsvorgangs, des Verfolgungsschicksals, den Verlauf der Rückerstattungsverhandlungen, die Auflistung der Rückerstattungsberechtigten, die nicht unbedingt mit den Geschädigten identisch waren oder auch das Auswerfen etwa enthaltener Originalunterlagen aus der NS-Zeit mussten entfallen.
Da die einzelnen entzogenen Güter und Vermögenswerte jeweils in getrennten Akten behandelt wurden, entstanden in den meisten Fällen zu ein- und derselben verfolgten Person zahlreiche Akten. Die in der jeweiligen Einzelakte festgehaltenen Angaben zur verfolgten Person variieren aber nicht unbeträchtlich: Teilweise treten Varianten schon in der Schreibung des Namens auf (Vorname: Stephan/Stefan), bei Frauen ist der Mädchenname manchmal angegeben, fehlt aber in der nächsten Akte, das Geburts- oder auch ein Todesdatum fehlt häufig und auch die Ortsangaben können variieren, weil in der einen Akte der Wohnort zur Zeit der ersten Entziehung genannt wurde, in der nächsten ein Zwischendeportationsort (z.B. jüdisches Altersheim), in der übernächsten vielleicht ein Emigrationsort.
Im Rahmen der Erschließung war es nicht möglich zu klären, wo Personenidentität bestand und wo nicht. Um die Regeln wissenschaftlicher Sorgfalt zu wahren, wurde daher bewusst darauf verzichtet, Personenangaben aus verschiedenen Akten zu ergänzen und zu vermischen. Es ist nicht die Aufgabe der Erschließung, sondern der Nutzung, herauszufinden, ob es sich bei allen Akten/Datensätzen z.B. zu Frieda Erlanger um dieselbe Person handelt, auch wenn nur bei manchen Akten der Mädchenname (geb. Dreyfuss) steht und die Ortsangaben teilweise Ulm und teilweise Diessenhofen lauten. Ergänzung:
Zur Erschließung bislang unverzeichneter Verwaltungsakten und Einzelfallserien wurde im Jahr 2009 anstelle der ursprünglich vorgesehenen Bestände FL 300/33 Ia und FL 300/33 Ib der Bestand FL 300/33 III gebildet. Er enthält u. a. Einzelfallakten der gemäß Gesetz 59 erfolgten Anzeigen durch Bankinstitute in Stuttgart und Heilbronn über jüdische Konten und Wertpapierdepots.
Nachtrag:
Zwischen 2017 und 2018 wurden die Akten des Bestandes von Dr. Carl-Jochen Müller im Rahmen des Projekts "Themenorientierte Erschließung von Quellen zur Provenienzforschung in Nordwürttemberg" durchgesehen. Ziel des Projekt war eine systematische Prüfung auf Hinweise des NS-verfolgungsbedingten Entzugs von Kunst- und Kulturgut. Wo Gegenstände von besonderem künstlerischen Wert erwähnt wurden, wurden diese entsprechend durch detaillierte Enthält-Vermerke beschrieben.
Hinweis:
Nicht belegt sind folgende Bestellnummern: 393, 887, 2293-2294, 2511, 3421-3423, 4778, 7839, 7843, 8967, 9507, 12035, 12072, 13180, 16087, 16219, 17588, 17832, 19601, 19634, 19661*, 19673*, 19677, 19726, 19814, 19819, 19965, 20081, 20084-20085, 20153, 20173, 20195, 20211, 20214, 20225, 20229, 20233, 20275, 20342, 20357, 20390, 20676, 20737-20738, 20740-20748, 20748*, 20749-20752, 20776, 20778, 20834, 20837, 20848, 20851, 20854, 20863, 20867-20870, 20875-20876, 20878-20879, 20881-20892, 20908, 20916, 20944-20945, 20953, 20955-20959, 21019-21021, 21023, 21025-21030, 21039, 21043-21044, 21050, 21055-21066, 21085, 21087-21090, 21092-21098, 21134, 21200, 21226, 21328, 21358, 21367, 21369, 21574, 21582-21583, 21593, 21722.

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, FL 300/33 I
Umfang
21717 Büschel (102,8 lfd. m)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Untere Verwaltungsbehörden seit um 1945 >> Geschäftsbereich Justizministerium >> Amtsgerichte

Bestandslaufzeit
nach 1945

Weitere Objektseiten
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
18.04.2024, 10:40 MESZ

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • nach 1945

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