Archivalie
L.H.M. - zwischen einer atempause - ja, zwischen! - zwischen...
Oskar Schlemmer diskutiert die Bauhaus-Publikation Moholy-Nagys, der die Vorherrschaft der Fotografie gegenüber der Malerei postuliert. Unter dem Eindruck der gelungenen Beispiele moderner Fotografie von Moholy-Nagy und Man Ray werde er seine figürliche Malerei vorantreiben. Weiterhin äußert sich Schlemmer zum Glasfenster Meyer-Amdens für die Zwinglikirche in Zürich-Wiedikon, die Ausstellung Schweizer Künstler bei Nierendorf, dem zeittypischen blinden Fortschrittsglauben sowie zu seinen jüngsten geometrischen Experimente an der Bauhaus-Bühne.
L.H.M. - zwischen einer atempause- ja, zwischen!- zwischen berlin, dessau u. weimar fasse ich den mut ihnen zu schreiben. per drucksache gehen 4 bauhausbü- cher an sie ab- photos muss ich erst wieder machen lassen- das WERK? darf ich es behalten? dann folgt farbzeichnung, photo u.a. auf dem fusse. so, dass sie sicher zu weihnachten alles haben. das photobuch von moholy wird sie entzücken, klee wol auch. das bühnenbuch vielleicht und mondrian hab ich nicht gelesen. aber werden sie mit dem autor des photobuchs einig gehen wenn er so tabula rasa macht mit allem was da malerei heisst? es ist der brennendste punkt am bauhaus, in der kunstwelt zum teil, bei andern hat er bereits ausgebrannt. moholy ist dazu der- art agressiv, dass er wie ein eroberer nur den feind: die malerei, und nur den sieg: die photographie kennt. da er z.zt. ausserdem gropius' ministerpräsident isr, ist auch sein einfluss am bauhaus und in der kunstwelt gross bis unge- heur. zwar malt er selbst noch im sinn der abbildung - den bedürfnissen einer kunstwelt rechnungstragend. er liess solche photos vergrössern und ich muss sa- gen sie sind sehr schön. ich kann mir aber auch eines meiner kostüme vergrössert denken und bilder, und werde sie dann sehr schön finden. hat ange- sichts solcher errungenschaften der photo- graphie die malerei noch existenzberechti- gung? --- ja, sie hat sie! sage ich schon rein aus protest. wenn ich zwar sol- che wunderdinge wie die hand mit ei von man ray sehe, so reizt es mich derart figürliches auch zu versuchen. dieser ist übrigens moholys vor- tuer.--der alte maler und der photographische maler: nehmen sie beide gefangen und setzen sie sie je in eine zelle: wessen existenz ist mehr bedroht? die mit apparat oder die ohne? - wissen sie sonst etwas zur rettung der ma- lerei zu sagen? ich muss figürliche versuche ma- chen. ich brenne darauf! Ihre herzliche teilnahme an meinem sonstigen geschick tat mir wol. die allge- meine wirtschaftliche depression wirkt sch immer mehr aus. man sagt: wers noch bis frühjahr aushält, der geht dann auch kaput. der kunstmarkt liegt völlig dar- nieder, die theater verkrachen. wohin steuern wir? -- ich denke an die russiche revolution, wo im tollsten durcheinander das theater obenauf blieb und sich dann nachher auch tatsächlich zu einem ganz bedeutenden faktor entwickelte, einzig- artig in europa. das theater ist dort wieder zur "moralischen anstalt" geworden, zum tribunal der weltgeschichte. in frankreich ist es das theater des esprit, des graziösen spiels, was ist es in deutschland?- ob man sich unter dem "meta- physischen" wie ich es meine, etwas vorstellen kann? dort liegt es nämlich für mich. nach dieser seite möchte ich verwirklichen. ich weiss, dass das ballett siegen würde, aber es kann nicht gehen, weil meine stuttgarter freunde nicht wollen. ich muss also zI.T.l. neu machen, dazu ist geld nötig, das was jetzt so rar geworden ist. ich bemühe mich dauernd um eine mög- lichkeit. der erfolg des balletts war rauschend- anhaltend bis heute, weil es etwas derartiges nicht gibt - in der erfindung nicht und nicht in der präzision der arbeit. dabei allen gefallend, weil es eine Linie hielt vom konventi- onellen bis zum abstrakten, es brauchte vieles und jedem etwas.- es ist soweit entfernt von dem körpertanz der seelentänzerinnen wie von dem immer entblöss- teren dekorationskitsch der revuen. jedennoch...... nun will ich hier anfangen, ja anfangen mit einem ABC der bühne, will eine typen- bühne schaffen und die ideen kommen nur so geflogen. es ist nur so schwer zu realisieren, wenn man die unabhängigkeit des malers geschmeckt hat und nun auf mitarbeiter angewiesen ist und ich meinen idealsten, meinen bruder, weiler grop. auf die zehe trat, nicht mehr habe. hier brauchte ich nur zu hauchen und er ver- stand, jetzt muss ich die lungen selbst hergeben und ich werde missverstanden. grop. baut mir aber eine bühne, auf der es eine Lust sein wird trotz kleinen massen, zu schalten und z
- Collection
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventory number
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AOS 2016/1606
- Material/Technique
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Papier; maschinenschriftlich
- Event
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Herstellung
- (who)
- Provenance
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Abschrift vorhanden; Ordner 1920-1926
- Rights
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Staatsgalerie Stuttgart
- Last update
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28.03.2025, 12:10 PM CET
Data provider
Staatsgalerie Stuttgart. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivalie
Associated
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Otto Meyer-Amden (20.02.1885 - 15.01.1933)