Bestand
Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Entstehung und Entwicklung des Ministeriums, Kompetenzen:
Angelegenheiten der Ernährung und Landwirtschaft
gehörten vor 1914 überwiegend zur verwaltungsmäßigen Zuständigkeit der
Bundesstaaten. Soweit das Reich beteiligt war, wurden die entsprechenden
Aufgaben vom Reichsamt des Innern wahrgenommen. Der Erste Weltkrieg
brachte hier eine entscheidende Wende; je länger der Krieg dauerte, umso
dringlicher mussten zwangswirtschaftliche Maßnahmen hinsichtlich der
Ernährungssicherung ergriffen werden. Als erster Schritt in dieser
Richtung ist die am 25. November 1914 errichtete
Kriegsgetreidegesellschaft anzusehen. Diese Gesellschaft wurde zusammen
mit der nur wenig später gegründeten Behörde des Reichskommissars für die
Brotbewirtschaftung und der für die Mehlbelieferung zuständigen
Reichsverteilungsstelle am 28.6.1915 zur Reichsgetreidestelle vereinigt.
Für die Bewirtschaftung und Verteilung anderer Produkte entstand im Laufe
der folgenden Monate eine Vielzahl weiterer Reichsstellen, zu deren
gemeinsamer Aufsicht am 29.5.1916 das Kriegsernährungsamt ins Leben
gerufen wurde. Damit war zum ersten Mal eine Zentralinstanz für die
einheitliche Regelung der Kriegsernährungswirtschaft im Reich geschaffen
worden.
Da nach Kriegsende die allgemeine Notlage
eine vorläufige Fortführung der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen auf dem
Ernährungssektor erforderlich machte, wurde die Einrichtung beibehalten
und am 19.11.1918 in Reichsernährungsamt umbenannt. Hierbei handelt es
sich um die unmittelbare Vorgängerbehörde des
Reichsernährungsministeriums, das durch Erlass über die "Errichtung und
Bezeichnung der obersten Reichsbehörden" vom 21.3.1919 begründet
wurde.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die
Gemeinwirtschaft hatte man vorübergehend vom 15.9.1919 bis zum 30.3.1920
das Ernährungsministerium mit dem Wirtschaftsministerium vereinigt. Nach
seiner erneuten Verselbständigung erhielt es dann die Bezeichnung
"Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft".
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde die
Ernährungswirtschaft schrittweise einer staatlich gelenkten
Marktregulierung unterworfen. Die Reichsnährstandsverwaltung, die auf
Grund der durch Gesetz vom 13.9.1933 erfolgten Gleichschaltung bzw.
Auflösung der bisherigen Berufsvertretungen und
Selbstverwaltungskörperschaften entstand, gehörte nicht nur zum
Aufsichtsbereich des RMEL, sonder war gleichzeitig mit dem Ministerium an
der Spitze durch Personalunion verbunden. Analog zu anderen obersten
Reichsbehörden wurde am 1.1.1935 das RMEL mit dem Preußischen
Landwirtschaftsministerium zusammengelegt und nannte sich bis zur
Einverleibung Österreichs 1938 "Reichs- und Preußisches Ministerium für
Ernährung und Landwirtschaft".
Eine neue und damit
konkurrierende Zuständigkeit für die Ernährungswirtschaft entstand durch
die Verkündung des Vierjahresplanes 1936. Eine organisatorische
Verbundenheit mit dem RMEL wurde insofern hergestellt, als einer der
beiden Staatssekretäre die Leitung der Geschäftsgruppe Ernährung im
Vierjahresplan übernahm. Infolge Personalmangels kam es während des
Zweiten Weltkrieges zur Eingliederung der Reichsnährstandsverwaltung in
das RMEL.
Bei der Begründung des RMEL 1920
erstreckte sich seine Zuständigkeit auf Landwirtschaft,
Ernährungswirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft sowie Fischerei. Das
Ministerium behielt diese Kompetenzen mehr oder weniger unverändert über
ein Jahrzehnt. Mit Wirkung vom 5.7.1932 wurde dem RMEL vom
Reichsarbeitsministerium zusätzlich das Aufgabengebiet
"Landwirtschaftliches Siedlungswesen" übertragen. Auf der anderen Seite
musste es an das neu errichtete Reichsforstamt am 12.7.1934 bzw.
12.7.1935 die Kompetenzen der Forstwirtschaft und des Jagdwesens resp.
der Holzwirtschaft und des Wildbrethandels abgeben.
Nachdem mehrere Versuche des RMEL, die Zuständigkeit für das
Veterinärwesen vom Reichsministerium des Innern zu übernehmen,
fehlgeschlagen waren, wurde vielmehr das Preußische Veterinärwesen, das
zur Kompetenz des Preußischen Landwirtschaftsministeriums gehört hatte,
nach dessen Zusammenlegung mit dem RMEL schließlich durch Erlass vom
11.3.1935 ebenfalls dem Innenministerium zugeschlagen. Bereits vor der
Zusammenlegung war vom Preußischen Landwirtschaftsministerium durch
Gesetz vom 29.6.1934 die Zuständigkeit für das landwirtschaftliche
Berufs- und Fachschulwesen auf das neu geschaffene Reichsministerium für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung übertragen worden.
Die Kompetenz der Wasserwirtschaft, die das RMEL bei der
Vereinigung mit dem Preußischen Landwirtschaftsministerium übernommen
hatte, verlor es wieder durch Erlass vom 29.7.1941 an den neu
eingesetzten Generalinspektor für Wasser und Energie.
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Der größte Teil der bis 1944 an
das Reichsarchiv abgegebenen Akten des RMEL (ca. 2500 Aktenbände) ist bei
dem Bombenangriff auf Potsdam im April 1945 vernichtet worden. Das
gleiche Schicksal traf den allergrößten Teil der Akten des RMEL, die sich
in den Berliner Dienstgebäuden in der Wilhelmstraße und Behrenstraße
befunden haben. Davon verschont blieben in erster Linie diejenigen
laufenden Akten, die im Zusammenhang mit der Evakuierung verschiedener
Abteilungen des RMEL und der Reichsnährstandsverwaltung in den letzten
Kriegsmonaten nach und in die Umgebung von Landsberg/Warthe gelangt
waren. Eine weitere Verlegung in das Waldgebiet von Müncheberg/Seelow in
der Nähe von Küstrin war geplant, ist aber nicht mehr zustande
gekommen.
Bei der Zusammenlegung mit dem RMEL war
bereits ein großer Aktenbestand des Preußischen
Landwirtschaftsministeriums an das damalige Preußische Geheime
Staatsarchiv abgegeben worden. Seit 1990 befinden sich diese,
zwischenzeitlich vom Zentralen Staatsarchiv der DDR, Abteilung Merseburg
verwahrten Akten, wieder im Geheimen Staatsarchiv Preußischer
Kulturbesitz in Berlin.
Die nach Kriegsende von
der amerikanischen Besatzungsmacht sichergestellten Aktenreste des RMEL
wurden zunächst gemeinsam mit anderen Beständen der Gruppe Ernährung und
Landwirtschaft im Ministerial Collecting Center (MCC) in
Hessisch-Lichtenau gesammelt und listenmäßig erfasst. Der größte Teil
dieser Akten ist Anfang 1946 mit der Verlegung des MCC nach Berlin
gebracht und einige Jahre später vom dortigen Document Center übernommen
worden, während ein kleinerer Teil in das Document Center in Darmstadt
gelangt zu sein scheint.
Von den vom Geheimen
Staatarchiv in Berlin abgegebenen Akten zur Enteignung jüdischen
landwirtschaftlichen Grundbesitzes abgesehen, sind die meisten Bände der
ehemals in Koblenz als Bestand R 14 verwahrten Überlieferung über das
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sukzessive
seit 1953 ins Bundesarchiv Koblenz gekommen. Dagegen enthielten die
späteren Aktenabgaben aus Amerika und England nur ganz vereinzelte Stücke
des ehemaligen RMEL.
Es muss hier festgestellt
werden, dass von den in Hessisch-Lichtenau erfassten Akten leider nicht
mehr als die Hälfte schließlich den Weg ins Bundesarchiv gefunden haben.
Die übrigen Akten wird man heute als vermisst betrachten müssen.
Die bis 1990 im Zentralen Staatsarchiv in Potsdam als
Bestand 36.01 befindliche Überlieferung stammt aus Aktenübergaben des
Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft der DDR, der Staatsarchive
Potsdam und Magdeburg sowie aus Aktenrückgaben aus der UdSSR.
1990 wurden beide Überlieferungsteile als Bestand R 3601
zusammengefasst.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Die Ordnung des Bestandes erfolgt
weitgehend nach dem Geschäftsverteilungsplan vom Sommer 1942, d.h. die
einzelnen Abteilungen bilden die Hauptgruppen der Klassifikation.
Untergruppen wurden weitgehend in Anlehnung an die Hauptaufgabengebiete
der Abteilungen gebildet. Wenn notwendig wurden Modifizierungen
vorgenommen. Innerhalb der einzelnen Klassifikationsgruppen erfolgte die
Reihung soweit sinnvoll und erkennbar nach den vorhandenen
Aktenzeichen.
Bedingt durch den bruchstückhaften
Charakter der Überlieferung fehlen bei bereits in der Registratur des
Ministeriums angelegten Bandfolgen häufig einzelne Bände. Der besseren
Übersichtlichkeit wegen wurde auf entsprechende Hinweise bei den
einzelnen Bandfolgetiteln verzichtet. Vermerkt wurde lediglich, wenn
Bandfolgen oder Serien erst im Archiv gebildet wurden.
In Anbetracht der rudimentären Überlieferung wurden Kassationen, von
Doppelstücken abgesehen, weitgehendst vermieden.
Inhaltliche Charakterisierung: Die
Überlieferung des Bestandes ist äußerst bruchstückhaft. Nach dem
Geschäftsverteilungsplan des RMEL von 1942, der der Bestandsgliederung
zugunde liegt, ist Schriftgut der Abteilung V Zoll- und Handelspolitik
nur minimal und der Abteilung IX Dorfaufrüstung, Bergland, Umlegung nicht
vorhanden. Dokumentiert wird besonders die Tätigkeit der Abt. I
Allgemeine Verwaltungs-, Personal-, Haushalts- und Rechtsangelegenheiten,
Abt. II Erzeugungs- und Ernährungspolitik, hier v.a. die
Ernährungssicherung während und nach dem I. Weltkrieg, sowie der Abt. III
Reichsgestütverwaltung. An größeren Aktengruppen sind zu nennen die
Unterlagen der allgemeinen Verwaltung und die der Versuchs- und
Forschungsanstalten, der Kriegsschädenregelung sowie der
Domänenverwaltung, besonders in den eingegliederten Ostgebieten. Vor
allem aber ist in diesem Zusammenhang auf die Akten zur Enteignung des
jüdischen landwirtschaftlichen Grundbesitzes hinzuweisen.
Erschließungszustand:
Online-Findbuch (2008)
Zitierweise: BArch R
3601/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 3601
- Umfang
-
4541 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Wirtschaft, Rüstung, Landwirtschaft
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (RMEL), 1920-1945
Entstanden
- 1902-1945