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Das ungleiche Paar

Vor einem Fenster, das den Blick auf eine mittealterliche Stadt freigibt, steht stolz und aufrecht eine junge Frau. Ihre Rechte rafft den vom Haarschmuck herabfallenden Umhang, ihre Linke ruht auf dem Deckel eines metallenen Kruges. Rechts hinter ihr lehnt ein älterer Mann am Sockel einer Säule. Seine Geste – Hand aufs Herz – ist die der Beteuerung. Ein steinernes Wappenschild mit dem Kopf eines Greifen und dem Monogramm des Künstlers vervollständigt die Bilderzählung. - Das Geschehen erklärt sich auch ohne Kenntnis der kalligraphisch geschwungenen Inschrift. Während er auf sie einredet, wendet sie sich in Blick und Haltung von ihm ab. Sie zeigt ihm wörtlich die kalte Schulter. Auch der Inhalt seiner Worte läßt sich erraten, denn der Krug, den sie verschlossen hält, war in der niederländischen Kunst und Literatur ein verbreitetes Symbol des weiblichen Geschlechtsorgans. Was er ausspricht und mit seiner Geste unterstreicht, das sind also Liebesschwüre, die sie kalt lassen. - Was sich aus der Anschauung erschließen läßt, wird durch die Inschrift bestätigt: *ausführen/Übersetzung? - Vergebliches Liebeswerben hat Goltzius auch in zwei Zeichnungen dargestellt. Hier sind es ein alter Mann, der einer jungen Frau beziehungsweise eine alte Frau, die einem jungen Mann vergeblich Geld für Liebe bieten. Die gleichen Themen sind erneut in zwei Stichen des Jacob Goltzius nach verlorenen Zeichnungen seines * überliefert. Beide Zeichnungen wie auch die drei Kupferstiche gehören zum Themenkomplex „Ungleiches Paar“. Was auf den ersten Blick als erotisch gestimmte Genredarstellung erscheinen könnte, hat in der Regel einen allegorisch moralisierenden Sinn: Standhaftigkeit überwindet Verführungskunst. Letztlich zählen auch Themen wie Susanna und die beiden Alten (Kat. 1, 2) oder Bilder der Macht junger Weiber über alte Männer (Kat. 55) in diesen Kontext. Mitunter auch unterliegt die Tugend dem Geld, so auf Dürers Liebesantrag (um 1495). Dort ist der alte Galan dabei, die fordernd ausgestreckte Hand der jungen Schönen mit Münzen zu füllen (Abb. *). - Das Thema „Ungleiches Paar“ hat eine lange Tradition. Schon der römische Dichter Plautus widmete ihm im dritten Jahrhundert vor Christus vier Komödien. Die nachantike bildliche Gestaltung des Themas setzt im frühen 14. Jahrhundert ein und war vor allem im 16. Jahrhundert beliebt und verbreitet. - Stilistisch bemerkenswert ist der Stich durch seine feine, ruhige, an Lucas van Leyden erinnernde Linienführung (Kat. *). Goltzius hat in der Zeit um * derart altmeisterlich anmutende, von seiner manieristischen Zeichenweise völlig abweichende Entwürfe und Stiche geschaffen. Dies wie auch sein Monogramm und das Wappen mit Greifenkopf – es handelt sich um das Familienwappen der Goltzius – belegen seine Urheberschaft. Die Stichausführung der verlorenen Zeichnung wurde zeitweilig Jan de Velde II (1593-1641) zugeschrieben, ist heute aber aus dessen Oeuvre ausgeschlossen, so dass der Stecher als unbekannt zu gelten hat. -

Urheber*in: unbekannter StecherIn / Fotograf*in: Katharina Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Attribution - ShareAlike 4.0 International

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Location
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventory number
D 3778
Measurements
Höhe: 206 mm
Breite: 124 mm
Material/Technique
Papier; Kupferstich
Inscription/Labeling
Aufschrift: Decrepitus juvenem lepidamque ... tibi nulla mej

Classification
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
Subject (what)
Frau
Mann
Wappen
Paar
ungleiche Partner
unterschiedlich alte Ehepartner
unerwidertes Liebeswerben; Verfolgung einer Geliebten; schwierige Wahl einer (eines) Geliebten
häßlicher alter Mann
Mädchen, junge Frau

Event
Entstehung
(when)
1602
Event
Herstellung
(who)
unbekannter StecherIn

Sponsorship
Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Last update
24.04.2025, 12:58 PM CEST

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  • Grafik

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Time of origin

  • 1602

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