Bestand

Murische Herrschaft Glatt: Urkunden (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Vorbemerkung
1) Geschichtlicher Überblick
Die Herrschaft Glatt gelangte 1803 mit Ausnahme von Dürrenmettstetten, das an Württemberg fiel, an das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen. Sie war erst nach Erwerbungen durch das Kloster Muri (Kanton Aargau) zwischen 1706 und 1743 gebildet worden. Die sogen. Vereinigte Murische Herrschaft Glatt bestand eigentlich aus vier Herrschaften und einem Gut, nämlich aus der Herrschaft Glatt im engeren Sinne mit dem Dorf Glatt, dem halben Dorf Dürrenmettstetten und einem Sechstel des Dorfs Dettingen, aus der Herrschaft Dettingen mit Priorberg, aus der Herrschaft Dießen mit den Dörfern Dießen und Dettlingen sowie dem Haidenhof, aus der Herrschaft Dettensee und aus dem Rittergut Neckarhausen.
Von den genannten Gebieten konnte das Kloster 1706 als erstes die Herrschaft Glatt im engeren Sinne von Maria Jakobea Freifrau von Landsee und ihren Söhnen für 55.000 Gulden erwerben. Die Freiherren von Landsee hatten die ursprünglich zum Besitz der Freiherrn Neuneck zu Neuneck gehörende Herrschaft 1683 nach Erbstreitigkeiten mit dem Domstift Trier, das die unverheiratet gebliebene Agnes Apollonia von Neuneck 1678 beerbt hatte, zugesprochen bekommen.
Die Herrschaft Dießen erwarb Muri 1708 für 65.540 Gulden von dem Freiherrn Johann Albrecht Schenk von Stauffenberg. Mit dem Kauf gelangten unter anderem das Gut Neuweier zu Affental (Gemeinde Bühl, Landkreis Rastatt) und Güter in Schelklingen, Einsingen und Eggingen in den Besitz des Klosters. Diese Besitzungen hatte Johann Albrecht von Stauffenberg 1696 von seinem Onkel Johann Georg von Wernau, mit dem die Familie der von Wernau erloschen war, geerbt. Bis 1556 befand sich die Herrschaft Dießen im Besitz der Familie von Hohengeroldseck und war an die Herren von Ow, von Neuneck, von Ehingen und an die Familie Hulwer verliehen. 1556 hatten dann die Herren von Wernau die Herrschaft für 45.000 Gulden als freies Eigentum erworben.
1715 konnte Muri die Herrschaft Dettensee für 31.200 Gulden von dem Freiherrn Keller von Schleitheim erwerben. Sie war Adam Heinrich Keller von Schleitheim von seiner Gemahlin Rosamunde, Witwe des Grafen Karl von Hohenzollern-Haigerlich, testamentarisch überschrieben worden. Hohenzollern-Sigmaringen erhob jedoch nach dem Ableben Rosamundes Erbansprüche und verkaufte schließlich die Herrschaft Dettensee 1638 für 25.363 Gulden an Keller von Schleitheim. Als früheste Besitzer von Dettensee wird das Kloster Sankt Gallen erwähnt. Im 15. Jahrhundert hatten die Herren von Ow und dann die Herren von Wehrstein den Ort inne; 1516 wurde er von Graf Joachim von Zollern und 1528 von den Grafen von Nellenburg erworben, die ihn dann 1591 an Hohenzollern-Haigerloch veräußerten. 1596 erwarben die Herren von Neuneck die Herrschaft, mußten sie aber schon 1620 wieder an Hohenzollern-Haigerloch verkaufen.
In den Jahren 1715 - 1717 erwarb das Kloster Muri ferner die Rittergüter Egelstal und zwei Drittel von Mühlen am Neckar von dem Freiherrn von Grünthal. Diese Besitzungen hat das Kloster dann aber schon 1729 und 1738 an die Edlen von Kauner weiterverkauft.
Die restlichen fünf Sechstel der Herrschaft Dettingen erwarb das Kloster Muri 1729 von den Specht von Bubenheim. Der Kaufpreis betrug 77.750 Gulden. Das namengebende Dorf war ursprünglich in Ober- und Unterdettingen geteilt und befand sich zunächst im Besitz der Herren von Dettingen. Besitz der Herren von Neuneck in Dettingen wird dann erstmals 1438 bezeugt. Auf welche Weise die Familie von Neuneck einen Teil der Herrschaft an sich bringen konnte, ist nicht bekannt.
1596 verkauften die Herren von Dettingen ihren restlichen Anteil an der Herrschaft an die Herren von Wernau. Erbe dieses Geschlechts in Dettingen wurde 1696 Georg Specht von Bubenheim. - Der Neunecksche Anteil an der Herrschaft Dettingen w ar, wie schon erwähnt, 1683 an die Freiherren von Landsee, die unmittelbaren Vorbesitzern des Klosters Muri in der Herrschaft Glatt im engeren Sinne, gelangt.
1743 schließlich konnte das Kloster Muri für35.500 Gulden von dem Freiherrn von Schütz das Rittergut Neckarhausen erwerben. Besitzer von Neckarhausen waren ab 1350 die Herren von Lichtenstein und ab 1682 Freiherr Johann Friedrich von Landsee. 1692 gelangte das Gut Neckarhausen an Johann Lentz von Haigerloch, nachdem er es schon seit 1683 pachtweise innegehabt hatte. Besitznachfolger waren ab 1701 Adam Heinrich von Schleitheim und ab 1737 der Freiherr von Schütz.
Die Fürstäbte von Muri ließen ihr geschlossenes Territorium am oberen Neckar seit 1747 von drei Kapitularen von Muri, die in Glatt, Dettensee und Dettingen, zeitweise auch in Dießen residierten, verwalten. Später wurde die Administration der Herrschaft 2 Kapitularen übertragen. Residenzen dieser Kapitulare waren das Schloß Glatt und ein neu errichtetes Amtshaus, das spätere Rathaus der Gemeinde Dettingen. Die Rechtspflege wurde von Präfekten ausgeübt.
Unter der Verwaltung der Murischen Kapitulare und der Fürstäbte erlangte die Herrschaft in der Folgezeit eine wirtschaftliche Blüte, die auch den Untertanen zugute kam. So erließ Fürstabt Gerold III. von Muri den Einwohnern von Dießen 1787 nach einem Unwetter den dritten Teil der Fruchtgülten. In Dettingen wurde ein Armen- und Waisenhaus gegründet mit der Maßnahme, daß die Waisen ein Handwerk erlernen sollten. Pater Fintan Guntlin, Statthalter zu Glatt, ließ eine geometrische Vermessung der Herrschaft vornehmen.
Diese positive Entwicklung kam in den Wirren der Koalitionskriege zum Stillstand. 1796 besetzten die Franzosen Glatt und plünderten das Weiherschloß.
Der Reichsdeputationshauptschluß besiegelte 1803 schließlich das Ende der Murischen Herrlichkeit am oberen Neckar. Fürst Anton Alois von Hohenzollern erhielt für den Verlust seiner holländischen Besitzungen neben den Klöstern Beuron und Inzigkofen die Herrschaft Glatt mit Ausnahme des Anteils an Dürrenmettstetten, der Württemberg zugewiesen wurde. Die Einverleibung der Herrschaft Glatt in das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen wurde am 3. September 1803 in Glatt vollzogen.
Hohenzollern-Sigmaringen bildete für die ehemalige Murische Klosterherrschaft Glatt ein fürstliches Oberamt mit Sitz in Glatt. 1854 wurde das seit 1850 Preuß. Oberamt Glatt aufgehoben und dem Oberamt Haigerloch zugewiesen, das dann seinerseits 1925 mit dem ehemaligen Oberamt Hechingen zum Landkreis Hechingen kam. Seit dem 1. Januar 1973 ist das Gebiet der ehemaligen Murischen Herrschaft Glatt auf die Landkreise Freudenstadt und Rottweil aufgeteilt, die zu den Regierungsbezirken Karlsruhe bzw. Freiburg gehören.
Inhalt und Bewertung
2) Ordnung und Verzeichnung des Bestands
Die Urkunden des Bestands Ho 163 (Vereinigte Murische Herrschaft Glatt) wurden ab 1969 im wesentlichen von Oberstaatsarchivrat Dr. Natale registiert und in einem Zettelrepertorium in chronologischer Ordnung erschlossen. Der Bestand setzt sich in erster Linie aus Urkunden zusammen, die vor 1860 ins Archiv gekommen waren und als Bestand Vereinigte Herrschaft Glatt des Königlichen Regierungs-Archivs, Abt. Hohenzollern-Sigmaringen verwahrt und im Repertorium VIII (Vereinigte Herrschaft Glatt, 1. Teil) des Königlichen Regierungs-Archivs verzeichnet worden waren. Dr. Natale hat nachträglich Urkunden, die den Akten der Bestände Ho 163 und Ho 201 (Fürstliches Oberamt Glatt) beilagen, sowie Urkunden eines Neuzugangs des Staatsarchivs Sigmaringen, der nach 1945 als Neuverzeichnete Akten II gelagert worden war, einverleibt. 24 Diplome des neu gebildeten Urkundenbestands Ho 163 wurden von dem Unterzeichneten in den Monaten Juli und August 1977 regestiert.
Die Urkunden wurden nach dem Datum ihrer Entstehung chronologisch geordnet und mit fortlaufenden arabischen Zahlen versehen. In einem Fall mußte, um dem chronologischen Ordnungsprinzip zu genügen, der arabischen Zahl noch der Buchstabe a hinzugefügt werden (127a). Unter diesen Nummern wurden auch die entsprechenden Urkundenregesten im Repertorium aufgeführt.
Das Orts- und Personenregister wurde von Frau Fritz, die auch die Reinschrift des Repertoriums übernahm, in den Monaten Juli und August 1977 angefertigt. Das Sachthematische Register, in dem im wesentlichen nur die inhaltlichen Betreffe der einzelnen Urkunden aufgenommen wurden, bearbeitete der Unterzeichnete, der auch das Orts- und Personenregister überprüfte, im Januar 1978.
Der Großteil der auf uns gekommenen Urkunden zur Geschichte der ehemaligen Herrschaft Glatt und ihrer einzelnen Bestandteile wird im Fürstlich Hohenzollernschen Haus- und Domänenarchiv in Sigmaringen verwahrt. Von diesen Urkunden verfaßte Sebastian Locher Kurzregesten, die in mehreren Fortsetzungen in den "Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Hohenzollern" 12 (1877/78) - 17 (1883/84) veröffentlicht wurden.
Weitere einschlägige Unterlagen zur Geschichte der Vereinigten Murischen Herrschaft Glatt werden im Stiftsarchiv Muri-Gries bei Bozen, im Kantonalarchiv in Aarau und im Dep. 38 (Gräfl. und Freiherrl. Schenk von Stauffenbergische Archive) des Staatsarchivs Sigmaringen verwahrt. Über Fundorte von Archivalien speziell zur Geschichte der mit Glatt über 400 Jahre eng verbundenen Familie von Neuneck unterrichtet die Tübinger Dissertation von Johann Ottmar, Die Burg Neuneck und ihr Adel, Göppingen 1974, S. XIII - XIX.
Das vorliegende Repertorium enthält 273 Urkundenregesten. Der Bestand wird in 12 Pappkartons verwahrt und umfaßt ca. 1,54 lfd. m. Bei Zitaten aus dem Repertorium ist folgender Quellennachweis anzugeben: Staatsarchiv Sigmaringen Ho 163 T 1.
Sigmaringen, im März 1978
Dr. Becker
Staatsarchivassessor
Im Herbst 2013 wurde unter der Betreuung von Sabine Hennig das maschinenschriftliche Findbuch inklusive Orts- und Personenregister im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekts zur Retrokonversion archivischer Findmittel durch einen externen Dienstleister digitalisiert. Franz-Josef Ziwes führte die für die Einstellung in das Internet notwendigen Nacharbeiten durch.

Bestandssignatur
Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 163 T 1
Umfang
262 Urkunden, 1 altes Findbuch

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen (Archivtektonik) >> Hohenzollerische Bestände >> Grafschaft Sigmaringen und souveränes Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen >> Säkularisierte Klöster und Stifte >> Murische Herrschaft Glatt
Verwandte Bestände und Literatur
- Martin Kiem, Geschichte der Benedictiner Abtei Muri-Gries, Bd. 2: Geschichte Muri's in der Neuzeit, Stans 1891, S. 145 ff.
- Josef Schäfer, Zur Organisation der Herrschaft Glatt, Phil. Diss. Freiburg i. Br. 1924
- Franz-Xaver Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, Hechingen 1928, bes. S. 173 ff.
-Johannes Buckenmaier, Die Herrschaft Glatt. Masch. Zulassungsarbeit PH Freiburg 1965
- Johann Ottmar, Die Burg Neuneck und ihr Adel. Ein Beitrag zur Geschichte des niederen Adels am Neckar und Schwarzwald (= Göppinger Akademische Beiträge 84), Göppingen 1974

Indexbegriff Ort
Glatt, Sulz am Neckar RW; Murische Herrschaft
Muri [CH]; Kloster, Herrschaft Glatt

Bestandslaufzeit
1293-1803

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 08:37 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1293-1803

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