Bestand
Kopialbücher (Bestand)
Vorbemerkung: Die Sammlung der
Kopialbücher (Bestand 67) gehört zu den großen Kostbarkeiten des
Generallandesarchivs, gar nicht einmal weil darin so bedeutende
Zimelien wie die Pfälzer und Speyrer Wappenlehnbücher liegen, sondern
vor allem weil in den einzelnen Bänden zahllose Urkunden
unterschiedlichster Herkunft abschriftlich überliefert sind, deren
Originale längst nicht mehr existieren. So verdichten die Kopialbücher
unser historisches Wissen in einem kaum vorstellbaren Maße.
Kopialbücher (Kopiare, Kartulare, Diplomatare, Brief-, Ingrossatur-
bzw. Kanzleibücher etc.) zählen zur Gattung der Amtsbücher und stehen
nächst den aus-gefertigten Urkunden (Diplomen) und den Urbaren
(Berainen, Lager-, Sal- und Zinsbüchern etc.) gewöhnlich am Anfang
einer seit dem hohen Mittelalter sukzessive intensivierten
Schriftlichkeit der Verwaltung, gewissermaßen als Vorstufe der seit
dem Ausgang des Mittelalters aufkommenden Akten. Die Unterscheidung
nach Kopialbüchern für eingegangene Dokumente und Registern für
ausgehende ist idealtypisch und in der Praxis nur ausnahmsweise von
Belang. Entscheidend war die ständige und bequeme Verfügbarkeit der
Texte von Ausfertigungen und sonstigen Rechtstiteln im täglichen
Geschäftsgang bei gleichzeitiger Verwahrung der kostbaren Originale an
sicherem Ort. Das Spektrum der Erscheinungsformen ist sehr breit und
reicht gerade beim vorliegenden Bestand von klassischen Diplomataren
über vielerlei Mischformen bis hin zu erst nachträglich gebundenen
Verwaltungsakten oder Korrespondenzen (Missivbücher). Nicht selten
sind sogar Originale mit eingebunden. Der Kopialbücher-Bestand des
Generallandesarchivs wurde im 19. Jahrhundert sowohl nach physischen
(gebunden) als auch nach inhaltlichen Gesichtspunkten gebildet, wobei
aber gerade unter letzterem Aspekt mancherlei Inkonsequenzen
unterliefen, namentlich in Abgrenzung zu den Berainen (Bestand 66).
Von einer systematischen Ordnung kann so allenfalls in Ansätzen die
Rede sein, zumal man auch hier nach Pertinenzen und nicht nach
Provenienzen verfuhr. Unter dem Gesichtspunkt der Provenienz
betrachtet, spiegelt sich in der Kopialbüchersammlung des
Generallandesarchivs wie in dessen Urbarsammlung nicht zuletzt der
große Gebietszuwachs, den Baden in napoleonischer Zeit zwischen
Bodensee und Main erlebte. Am umfangreichsten und auch inhaltlich am
gewichtigsten ist in diesem Fall freilich nicht die originär badische,
sondern die kurpfälzische Überlieferung, gefolgt von jener des Hoch-
und Domstifts Speyer sowie der Klöster Salem und St. Blasien.
Vertreten sind nahezu alle Territorien und Herrschaften, sowohl
weltliche als auch geistliche, die im Großherzogtum Baden aufgingen,
bis hin zu Städten und Gemeinden, Ritteradelsfamilien sowie Kirchen
und Kapellen, allerdings sind viele Provenienzen nur in Einzelstücken
präsent. Dabei ist generell festzustellen, dass die
Kopialbücherüberlieferung aufschlussreiche Einblicke in die
Entwicklung der einzelnen Kanzleien und Verwaltungen gewährt, und
wiederum sind es hier die Kurpfalz und das Hochstift Speyer, die nach
bescheidenen Anfängen im 14. Jahrhundert am Ende des Mittelalters ein
sehr bemerkenswertes, über die gewöhnliche Materientrennung weit
hinausgehendes Niveau erreichten, ein Niveau, das sich nicht selten
auch in der Einbandgestaltung niederschlug.
Bestandsbearbeitung: Nach der
Übernahme ins Generallandesarchiv im 19. Jahrhundert stellte man dort
beginnend mit dem Kloster Allerheiligen im Schwarzwald die Bände in
zumeist provenienzgerechten Gruppen auf, numerierte sie entsprechend
durch und verzeichnete sie sehr eingehend in schließlich fünf
großformatigen Folianten. Später, als die Publikation des 1901
gedruckten Inventars vorbereitet wurde, genügte diese Ordnung nicht
mehr; man gliederte den Bestand so gut es ging systematisch
beziehungsweise nach dem Pertinenzprinzip (Inventare, Bd. 1, S. 75-186
und 291f.) und gab den damals 1530 Bänden teilweise neue Nummern, die
sich mittels einer Konkordanz aufeinander beziehen lassen. Infolge von
Verzeichnungsarbeiten an anderen Beständen wuchs die
Kopialbücher-Sammlung in den nächsten Jahren weiter, so dass Manfred
Krebs, als er 1954 seine Gesamtübersicht der Bestände des
Generallandesarchivs herausbrachte, bereits auf 1929 Nummern kam, die
er in laufender Folge darbot (Krebs, Bd. 1, S. 185-224). Inzwischen
sind noch einige wenige Stücke hinzugekommen, durch Extradition und
Umlagerung aber auch das eine oder andere abgegangen, so dass der
Bestand heute zwar 2012 Nummern zählt, aber nur rund 1946 Bände
umfasst. Weitere Kopialbücher liegen provenienzgerecht in mehreren
Adelsarchiven des Bestands 69. Die vorliegende Übersicht ist der
Versuch, den Bestand nach den in ihm zusammengeflossenen Provenienzen
darzustellen. Das fiel bei den großen Provenienzstellen
vergleichsweise leicht, bei manchen kleinen oder gar bei Einzelstücken
nicht immer; so mussten hie und da Zuschreibungen vorgenommen werden,
die sich im einen oder anderen Fall künftig vielleicht als falsch
erweisen können. Bei den Titelaufnahmen beziehungsweise Inhaltsangaben
empfahl sich aus pragmatischen Gründen die Orientierung an den älteren
Inventaren und Repertorien, wobei die von dort übernommenen Texte
mitunter gestrafft, sprachlich modernisiert oder nach Autopsie
gelegentlich auch nachgebessert wurden. Die Gliederung des
Verzeichnisses folgt im Ganzen wie im Detail rein praktischen
Erwägungen und ist ohne alle Theorie aus dem Material heraus
entwickelt. Ebenso geschieht die Untergliederung größerer
Bestandsgruppen unter sachlich-inhaltlichen Gesichtspunkten und nicht
etwa nach Behördenstrukturen, die es zur Zeit, da die allermeisten der
erfassten Bände entstanden, noch gar nicht existierten. Auf der Ebene
der einzelnen Archivalien (Bände) ist die Ordnung strikt
chronologisch, abgesehen von einigen wenigen inhaltlich eng
zusammengehörigen Blöcken, bei denen es sich empfahl, das
chronologische Prinzip zu durchbrechen. Verweisungen werden
systemkonform nur innerhalb derselben Provenienz gegeben, so vor allem
in dem großen Pfälzer Teilbestand; allein im Fall von Konstanz und
Reichenau, wo in der Regierung seit dem 16. Jahrhundert eine
Personalunion bestand, gibt es Ausnahmen, ebenso bei den Hoch- und
Domstiften, wo strukturbedingten Überschneidungen Rechnung zu tragen
war. Neben dem pertinenzorientierten Zugriff der alten Inventare und
der Nummernfolge der Krebs¿schen Übersicht bietet dieses Verzeichnis
nunmehr also einen dritten, provenienzgerechten Zugang ¿ und in seiner
digitalen Fassung auch noch die Möglichkeit der Volltextsuche.
Karlsruhe, 16. Juli 2015 Kurt Andermann
Literaturhinweise: Kurt
Andermann, Kopialbuch, in: Handwörterbuch zur deutschen
Rechtsgeschichte, Bd. 3, Berlin 22013, Sp. 178-181. Josef Hartmann,
Amtsbücher, in: Friedrich Beck und Eckart Henning (Hgg.), Die
archivalischen Quellen. Eine Einführung in ihre Benutzung
(Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs 29),
Weimar 1994, S. 86-98. Inventare des Großherzoglich Badischen
General-Landesarchivs, hg. von der Großherzoglichen Archivdirektion, 4
Bde., Karlsruhe 1901-1911. Manfred Krebs, Gesamtübersicht der Bestände
des Generallandesarchivs Karlsruhe (Veröffentlichungen der staatlichen
Archivverwaltung Baden-Württemberg 1 und 2), Stuttgart 1954-1957. Hans
Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in:
Hans Patze (Hg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert
(Vorträge und Forschungen 13 und 14), 2 Bde., Sigmaringen 1970-1971,
hier Bd. 1, S. 9-64. Wilfried Reininghaus und Marcus Stumpf (Hgg.),
Amtsbücher als Quellen der landesgeschichtlichen Forschung
(Westfälische Quellen und Archivpublikationen 27), Münster
2012.
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 67
- Extent
-
1940 Verzeichnungseinheiten
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Amtsbücher >> Kopialbücher
- Date of creation of holding
-
756-1783
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 756-1783