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L.H.M. Meinen Brief haben Sie also erhalten bei Huber...

Transkription: Cannstatt Königstr 17a d 3 Febr. 1921 L.H.M. Meinen Brief haben Sie also erhalten bei Huber. Ich Ihre Antwort vorgestern. Die Reihe geht also richtig und doch dachten Sie früher etwas vorzufinden zu Hause. Ich will mich heute beeilen. Von Ihrem Herrn Bruder bin ich im Besitz der Briefe. der eine bestätigt die Ankunft und Zufriedenheit mit der Wahl. Es ist noch ein Restbetrag von ca 400.- für das ich weiteres besorgen soll. Es muß bestellt werden; der Weihnachtverkauft hat aufgeräumt. So sind Sie also selbst der Besitzer der Blätter! Wie fanden Sie das Reisealtärchen? Es ist der einzige Schmuck unseres Zimmers. Nein! noch ein Altärchen, ein van Eyk - Meyer, Copie einst gemacht für meinen Bruder, von Frau Tut denn es bettelt u. nun wol in "festen" Händen. Sie erinnern sich? Um das Ende Ihres Briefs vorwegzunehmen: betr. Ihrer Ideen u Pläne u Hütung derselben. Ich glaube nicht gesündigt zu haben bis heute; Sie entlasten mich vielmehr ganz von dem Vorwurf, den ich mir selbst machen zu müssen glaubte, Ihren Ruhm nicht beständiger auf der Zunge getragen zu haben. Wo ich Antwort stehen muß tu ichs so vage u allgemein wie möglich. Ihre Photos der Graphiken zeige ich selten; jüngst ganz Entzückte waren die Mickwitz u ihr Mann. Ich schrieb Ihnen schon wie überraschend einmutig der Dialog als das beste erkannt wird. Über Ihre neue gegenwärtige Art Arbeiten schweige ich schon deßhalb gerne weil sie mir selbst ein Teil zu verdenkender Pläne bedeuten. Ist es Zufall daß so viel Raum des Briefs die Schilderung des Holländer-Deutschen einnimmt: Lob des Kleinmalers! Für mich das Pochen zwar mit wollbehandschuhter Hand an meine Vergangenheit in der auch ich ein Maler war. Wissen Sie um das Feldgeschrei im Lager der Modernen: Picasso malt naturalistisch! (Es ist eine Mischung oder Kreuzung von Gulbranson u - Millet!) Ich weiß nicht ob diese neue Parole mitten in eine kaum erfaßte hinein gegeben, Fluch oder Segen bringt. Ich sehe eine grausige Verwirrung entstehen. Oder ist es einerlei vielleicht welche Richtung eingeschlagen wird wenn nur das Wesentliche, der Sinn, erhalten bleibt? Dennoch sollte man meinen müßte es Ein Zeichen geben in dem Du siegen wirst! Ist es damit so wie mit den Religionen und den Ringen im Nathan? Was ist Wahrheit in der Kunst? Was ist überhaupt DIE Wahrheit? Giebt es absolute Wahrheit, absolute Kunst, oder eben Wahrheiten, relative und verhältnismäßige? - Ich fand mich nicht fest genug solchen Fragen gegenüber die sich u.a. in Weimar ergaben in Gespräche mit meinem Neffen der dort Schüler ist. Dort ist ein Wahrheitsapostel aufgetreten DER DIE WAHRHEIT SPRICHT, indem er Christus, Laotse u Nietzsche citiert, der von sich sagt daß er der Erste wäre Täter des Worts nicht Hörer allein zu sein. Seine Tat sei: Familie und Hab u Gut zu lassen (verloren im Krieg, war Sektfabrikant in Frankreich); nun zieht er von Stadt zu Stadt, von Verhaftung zu Irrenhaus und wieder Freilassung nach anscheinend glänzenden Rechtfertigungen. Ich schrieb es wegen der Wirkung in Weimar: dort erklärten an die 20 Schüler d. Butt.s "Kunst für Krampf", machen den Bettel hin und spazieren ohne Sorg u Geld gen Süden, Spanien u. besonders Italien; manche folgen auch den Jüngeren Haussers (so heißt der Gottesmann) nach auf Schritt u Tritt (besonders die Mädchen scheinen für direckte [sic] Nachfolge zu sein; bei den Jünglingen äußert sich der Konflikt in Vonsichwecken von Konvention u Hemmung und Gewinnung der großen Wurstigkeit.) Daß sich das Bauhaus den Geistern von heute nicht verschließt, auch bei offenkundiger Gefahr; (es sind dies die Bauhausabende) daß schon das Programm des Bauhauses eine verwegene Schar an jungen Menschen zusammenrief (es ist eine tolle Jugend von heute beisammen mit deutlichen Früchten des Kriegs; [...] macht das das Bauhaus nach ganz andrer Seite hin "baut" als erwartet wird, nämlich: den Menschen. Gropius scheint das sehr bewußt und erkennt darin das Manko der Akademien die die Menschenbildung außer acht lassen.

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2016/1564
Material/Technik
Papier; Tinte

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Otto Meyer-Amden (20.02.1885 - 15.01.1933)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Kasten 20 Mappe 2 und Ordner 1920-1926

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

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