Bestand

Stift Stuttgart (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Weltliches Chorherrenstift zum hl. Kreuz in Beutelsbach bis 1321, in Stuttgart 1321-1534, dann Stiftsverwaltung bis 1806.
Urkunden von 1300-1500 größtenteils in: A 602.

Geschichte des Stifts Stuttgart: Die Geschichte des Chorherrenstifts Stuttgart reicht bis in das 13. Jahrhundert zurück, als Graf Ulrich I. von Württemberg im Remstal zur Sicherung seiner Herrschaft ein sogenanntes "Grenzstift" gründete. Erst Graf Eberhard I. verlegte das Stift in die prosperierende Stadt Stuttgart, da die württembergische Grabanlage in Beutelsbach während des Reichskriegs gegen Heinrich VII. zerstört worden war. Der Einzug der Kanoniker in die Stiftskirche zu Stuttgart fand im Jahr 1321 statt. In der späteren Residenzstadt Stuttgart wurde das Stift auf päpstlich-bischöfliches Dekret hin neu aufgebaut. Es entwickelte sich schnell zu einer der wichtigsten spirituellen Einrichtungen des Landes. Am Vorabend der Reformation gehörte das Heilig-Kreuz-Stift in Stuttgart zu den wohlhabendsten und größten weltlichen Chorherrenstiften im südwestdeutschen Raum. Die Ecclesia Collegiata setzte sich im 14. Jahrhundert aus einem Propst, 12 Chorherren und 12 Vikaren zusammen, die nicht wie Mönche nach einem strengen Gelübde in einem abgeschiedenen Kloster auf dem Land, sondern nach eigenen Ordnungen im Herzen einer Stadt lebten. Der Propst, der an der Spitze des Kapitels stand, war zugleich Stadtpfarrer. Er kann zudem als das Oberhaupt der gesamten württembergischen Geistlichkeit angesehen werden. Die Kleriker waren von Anbeginn Diener der württembergischen Herrschaft. Die wichtigste Aufgabe im Stift war freilich das Abhalten eines feierlichen Gottesdienstes. Die Chorherren hatten den Auftrag, täglich eine Messe zu feiern sowie ihr Chorgebet zu verrichten. An den hohen christlichen Feiertagen war der Propst für die heilige Messe zuständig. Aus den Reihen der Chorherren ging der Kustos, der Keller und der Kantor hervor. Einige der Stiftskleriker veröffentlichten wichtige wissenschaftliche Werke, wie beispielsweise die Stiftschronik vom Hause Württemberg. Mehrere Bruderschaften versammelten sich zudem regelmäßig in den Mauern der Stiftskirche. Das Heilig-Kreuz-Stift verfügte u.a. über das Patronatsrecht der Kirchen in Altingen, Berg, Wangen, Poppenweiler, Aldingen, Pfauhausen, Zuffenhausen, Neckargröningen, Simmozheim, Uffkirch (Cannstatt), Neckarrems, Beinstein, Grunbach und Bonlanden. Die Kirchen von Beutelsbach, Rohracker, Aichelberg, Stetten, Stammheim waren wie die Marien- und Leonhardskirche in Stuttgart vom Stift abhängig. Besitz hatte das Stift zudem in Oßweil, Birkach, Feuerbach, Neckarweihingen, Echterdingen und Waldenbuch. Der Verwaltung von Gütern kam innerhalb der Institution eine wichtige Rolle zu. Die Kanoniker lebten aus dem Stiftungsvermögen ihrer Kirche und wurden über Pfründe bezahlt. Im Mai 1534 wurde in der Stiftskirche der erste protestantische Gottesdienst abgehalten. Die Grundgedanken der Reformation wurden seitdem - sieht man einmal vom kaiserlichen Interim von 1548 bis 1552 ab - von der Stiftskirche in das Umland getragen. Noch heute ist die Stuttgarter Stiftskirche die Hauptkirche der evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Inhalt und Erschließung des Bestandes: Ein Schwerpunkt der Überlieferung des Bestandes A 525 stellen die nachreformatorischen Urkunden zur Verwaltung des Güterbesitzes aus dem 16. und 17. Jahrhundert dar. So findet man im Schriftgut des Stifts Stuttgart zahlreiche Kauf-, Lehns- oder Tauschbriefe, die die Infrastruktur in zahlreichen Ortschaften und Fluren in und außerhalb Stuttgarts aufzeigen. Die Urkunden informieren zum Beispiel ausführlich über den Bau diverser Behausungen, Brunnen, Stallungen im Stuttgarter Leonhardsviertel oder handeln vom Weinbau und der Landwirtschaft in den zahlreichen Städten und Dörfern am Neckar. Über 30 Urbarzinsbriefe, die alle am St. Martinstag (11. November) des Jahres 1596 ausgestellt wurden, dokumentieren die wirtschaftlichen Verhältnisse im Umkreis der Residenzstadt. Mehrere Kapitalbriefe aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen das "who-is-who" der zeitgenössischen Prominenz. Bei den wenigen Urkunden aus dem Mittelalter handelt es sich meist um geistliche Regularien. Darüber hinaus wird aus dem Bestand A 525 die enge Beziehung des Stifts zum Haus Württemberg und anderen geistlichen Einrichtungen sichtbar. Es finden sich in den Dokumenten zudem zahlreiche personenbezogene Informationen zu den Chorherren. Die Urkunde über das "Stipendium Martinianum" und ein Brief über die Bibliothek des Chorherrn Georg Nüttel finden sich ebenfalls in dem abwechslungsreichen Bestand. Anhand der Akten lässt sich vor allem die sogenannte Interimszeit im 16. Jahrhundert gut nachvollziehen. Selbst Geschichten über die Trunksucht einger Interimisten haben ihren Niederschlag in der Aktenüberlieferung des Stifts Stuttgart gefunden. Das erste Repertorium über das Stift Stuttgart wurde im Jahre 1629 von dem herzoglichen Archivar David Förter entworfen. Im Dreißigjährigen Krieg gingen jedoch zahlreiche Urkunden verloren. An älteren Findmitteln existieren zudem drei weitere Register (ca. 1700). 1821 legte der Geheime Archivar Carl Friedrich Pfaff ein gemeinschaftliches Findbuch samt Register und Einleitung für das Stift Stuttgart, die Geistliche Verwaltung und das Predigerkloster, das spätere Hospital, vor, welches aber nicht die "Güte, Sauberkeit und Genauigkeit" der anderen Findbücher aus dem 19. Jahrhundert besitzt (K. O. Müller). Die Archivalien ordnete Pfaff sowohl nach dem Provenienz- als auch nach dem Pertinenzprinzip. Die Urkunden von 1300 bis 1500 wurden um 1900 größtenteils aus dem Bestand A 525 Stift Stuttgart herausgenommen und in den Bestand A 602 Württembergische Regesten eingruppiert; die anderen Urkunden aus den Büscheln entfernt. In diesem Zusammenhang sind die Büschel 19, 22, 23, 24, 25 und 38 aufgelöst worden. Neben dem erwähnten Bestand A 602 bietet auch die Überlieferung der Geistlichen Lagerbücher des Stifts v.a. in Bestand H 102/72 eine wichtige Ergänzung zu dem vorliegenden Bestand A 525. Zu weiteren archivalischen Quellen zum Stift Stuttgart sei auf Oliver Auges Monographie verwiesen. Im November 2020 wurden die Urkunden des Bestandes unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Rückert, Dr. Erwin Frauenknecht und Gabriele Löffler durch den Archivreferendar Dr. Frederick Bacher unter Rückgriff auf das Findbuch von Carl Friedrich Pfaff archivfachlich erschlossen. Die entsprechende Bearbeitung der Akten des Bestandes erfolgte dann im Dezember 2020 durch die Archivreferendare Dr. Frederick Bacher und Stefan Bröhl. Die Findbucheintragungen von Pfaff wurden teilweise ergänzt. Der gesamte Bestand wurde mit Deskriptoren versehen. Der Bestand umfasst 220 Urkunden und 36 Akten. Stuttgart, im Dezember 2020 Frederick Bacher

Literatur: Oliver Auge, Stuttgart. Heilig Kreuz, in: Handbuch der Stiftskirchen in Baden-Württemberg, hg. v. Sönke Lorenz, Olive Auge u. Sigrid Hirbodian, Ostfildern 2019, S. 624-630. Oliver Auge, Kleine Geschichte des Stuttgarter Stiftskirche, Leinfelden-Echterdingen 2001. Oliver Auge, Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter Heilig-Kreuz-Stifts (1250-1552), Leinfelden-Echterdingen 2002. Oliver Auge, Zur Rolle der Stuttgarter Stiftskleriker im Württemberg vorreformatorischer Zeit, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 66 (2007), S. 81-112. Wilhelm Fritz, Die Stiftskirche zu Stuttgart, Stuttgart 1929. Klaus Graf, Stuttgarter Stiftschronik vom Hause Württemberg, in: Verfasserlexikon (Band 9), Berlin/New York 1995, S. 472-477. Sönke Lorenz, Einleitung, in: Handbuch der Stiftskirchen in Baden-Württemberg, hg. v. Sönke Lorenz, Oliver Auge u. Sigrid Hirbodian, Ostfildern 2019, S. 15-63. Hermann Mosapp, Die Stiftskirche in Stuttgart, Stuttgart 1887. Bernhard Neidiger, Kirchliches Leben im spätmittelalterlichen Stuttgart, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 213-228. Karl Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart nach Archival-Urkunden und anderen bewährten Quellen (Erster Teil, Geschichte der Stadt Stuttgart von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1650), Stuttgart 1845. Reinhold Rau, Die Verlegung des Beutelsbacher Stifts nach Stuttgart, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 20 (1961), Stuttgart 1962, S. 191-198. Christoph Friedrich Stälin, Annales Stuttgartienses. Jahrbücher des Stifts zum h. Kreuz in Stuttgart, nach vier Handschriften herausgegeben, in: Württemberger Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1849.2, S. 1-30. Helmut Schmidt, Das Stuttgarter Chorherrenstift zum Heiligen Kreuz. Ein Beitrag zur schwäbischen Rechtsgeschichte, Tübingen 1951. Dieter Stievermann, Landesherrschaft und Klosterwesen im spätmittelalterlichen Württemberg, Sigmaringen 1989.

Weblinks: Oliver Auge, Stiftskirche, in: Stadtarchiv Stuttgart, URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/f166ecae-ccce-4932-bf85-a1356049d388/Stiftskirche.html, aufgerufen am 20.11.2020 Oliver Auge, Die Stiftskirche in Stuttgart, in: Württembergische Kirchengeschichte Online, 2015, https://www.wkgo.de/cms/article/index/die-stiftskirche-in-stuttgart, aufgerufen am 20.11.2020

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 525
Extent
220 Urkunden, 36 Büschel

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Bezirksbehörden des Kirchenguts und der Universität >> Kloster- und Stiftsgutverwaltungen

Date of creation of holding
1247-1807

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Last update
20.01.2023, 3:09 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1247-1807

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