Bestand

Oberamtspflege Vaihingen/Enz (Bestand)

Verwaltungsgeschichte der württ. (Ober-)Amtspflegen: Die Ämter des Herzogtums hatten seit 1697 für die Kassenverwaltung und Buchführung Amtspflegen einzurichten. Bis dahin waren die Rechnungen der Amtskörperschaften von den Stadt- und Amtsschreibern, den Bürgermeistern oder Kellern geführt worden. Aufgabe des Amtspflegers war es nun, die Kosten für die gemeinsame "Aufgabe" des jeweiligen Amtes, d.h. die Kriegsschäden einzelner besonders betroffener Gemeinden und die Landesabgaben, auf die Gemeinden als sogenannten Amtsschaden umzulegen sowie die direkten Steuern an die Landschaftskasse abzuführen. In seiner Tätigkeit wurde er vom Vogt bzw. Oberamtmann (seit 1759) angeleitet; zuständige Aufsichtsbehörde war die Landesrechnungsdeputation. Durch die Amtsversammlung gewählt, wurde der Amtspfleger von der Regierung lediglich bestätigt. Dies änderte sich infolge Einschränkung der Selbstverwaltung unter König Friedrich. Durch Verordnung vom 22. Juni 1807 wurde die Bestellung und Verpflichtung der Amtspfleger auf das Oberlandesökonomiekollegium übertragen (Reg.Bl. S. 219). Eine am 27. Mai 1812 erlassene "Amtsinstruktion für die Amtspfleger" regelte deren Aufgaben und Pflichten neu (Reg.Bl. S. 265). Erst die ab 1817 von König Wilhelm I. mit der Verfassung auf den Weg gebrachte Reform des Staatswesens stellte auch die Selbstverwaltung der Amtskörperschaften wieder her, indem durch Organisationsedikte vom 31. Dez. 1818 (Reg.Bl. 1819 S. 17) und 1. März 1822 (Reg.Bl. S. 131) der Amtsversammlung das Recht zur Wahl und Ernennung des nun Oberamtspfleger genannten Ökonomie-, Rechnungs- und Kassenbeamten zurückgegeben wurde. Von der Regierung bestätigt, erhielt der aus der Amtspflege besoldete Oberamtspfleger zudem Sitz und beratende Stimme in dieser ein- bis zweimal im Jahr tagenden Versammmlung, durfte aber nicht zugleich noch das Amt eines Gemeinderechners der Oberamtsstadt ausüben (vgl. Verwaltungsgeschichte der württ. Oberämter in den Vorbemerkungen zu den Beständen F 151ff.). In späteren Jahren wurde die Besoldung der Oberamtspfleger u.a. durch Dienstanweisung vom 20. Febr. 1841 (Reg.Bl. S. 91) sowie durch Verfügungen vom 20. Sept. 1862 (Reg.Bl. S. 181) und 2. Juni 1875 (Reg.Bl. S. 316) den veränderten Bedingungen angepaßt. Die Verfassung der Amtskörperschaft selbst blieb bis zur sogen. Verwaltungsnovelle vom 21. Mai 1891 (Reg.Bl. S. 103) mit der Verfügung vom 18. Nov. 1891 (Reg.Bl.S.279) unverändert, als die Zusammensetzung der Amtsversammlung verbessert und die staatliche Aufsicht eingeschränkt wurde. Eine grundlegende Änderung brachten die gemeinsam am 28. Juli 1906 erlassene Gemeindeordnung (Reg.Bl. S. 323) und Bezirksordnung (Reg.Bl. S. 442) sowie die Verfügung vom 30. Okt. 1907 (Reg.Bl. S. 643), wodurch der bisherige Amtsversammlungsausschuß unter der neuen Bezeichnung Bezirksrat, durch Laien ergänzt, nun auch zu den Geschäften der staatlichen Verwaltung herangezogen wurde und die Amtsversammlung jetzt Ausschüsse zur Kontrolle von Anstalten und Einrichtungen der Amtskörperschaft einsetzen konnte. Zugleich wurde die Anstellung der Beamten der Gemeindeverwaltung wie der Amtskörperschaften, so auch der Oberamtspfleger, durch Dienstvertrag neu geregelt. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde die Amtskorporation (Amtsversammlung und Bezirksrat) durch Gesetz vom 25. April 1933 (Reg.Bl. S. 107) zunächst aufgelöst, dann als auf Beratungsfunktionen beschränkter sogen. Kreisverband mit Erlaß der neuen Kreisordnung vom 27. Jan. 1934 (Reg.Bl.S. 51) sowie der Verfügung vom 23. April 1934 (Reg.Bl. S.139) nach den Grundsätzen der Partei erneut eingerichtet. An der Spitze des Kreisverbands stand der Landrat, der auch den Kreistag (bisher Amtsversammlung) und den Kreisrat (bisher Bezirksrat) leitete. Die Aufgaben des Oberamtspflegers nahm jetzt der Kreispfleger wahr. (Wolfgang Schneider)

Bearbeiterbericht: Der vorliegende Bestand F 711 Oberamtspflege Vaihingen/Enz wurde Ende 1994/Anfang 1995 von dem Archivangestellten Emil Schrag unter Anleitung der Unterzeichneten geordnet und verzeichnet. Im Bestand wurden wenige Vorakten aus der altwürtt. Zeit vor 1806 belassen, die Rechnungsbeilagen und Akten vor 1806 (18 Bü, ca. 1 lfd. m) wurden zuständigkeitshalber an das HStAS abgegeben. Dort werden unter der Signatur A 459a die Rechnungen der altwürtt. Amtspflege Vaihingen a.d. Enz von 1720-1805 sowie in Bestand A 456b die Amtspflege (Groß-) Sachsenheim von 1740-1807 verwahrt. Das alte Amt (Groß-)Sachsenheim wurde im April 1808 dem Oberamt Vaihingen zugeteilt (Gesetz vom 26. April 1808; Reg.Blatt 1808, Seite 230). Für eine kurze Übergangszeit von 1808 bis etwa 1813 waren im Oberamtsbezirk zwei Amtspfleger gleichzeitig tätig: einer war in Vaihingen und einer in Sachsenheim ansässig. Die doppelte Rechnungsführung während dieser Zeit erklärt sich hierdurch. Die Archivalien der Oberamtspflege Vaihingen/Enz waren mit denen der Oberamtspflege Maulbronn völlig vermischt, so daß zunächst eine Provenienzentrennung vorgenommen werden mußte. Vermutlich wurden die Maulbronner Rechnungen und Beilagen nach Vaihingen umgelagert nachdem das Oberamt Maulbronn 1938 zum neuen Landkreis Vaihingen gezogen worden war. Bei der dortigen gemeinsamen Lagerung (unter äußerst schlechten Bedingungen!) ist das Schriftgut der Oberamtspflegen Vaihingen und Maulbronn (siehe Bestand F 712) offensichtlich durcheinandergeraten. Da die Archivalien beider Oberamtspflegen erhebliche Nässeschäden erlitten hatten, schien im Zuge der Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten eine Schimmelbegasung der am stärksten betroffenen Unterlagen notwendig. Die Oberamtspflege Vaihingen/Enz umfaßt die Bände und Büschel Nr. 1-508 = 15,0 lfd. m. Ludwigsburg, im Mai 1995 (Ute Bitz)

Literatur: Dehlinger, Alfred: Württembergs Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute, Band 1-2, Stuttgart 1951-1953 (insbes. §§ 35, 117, 437-438, 476-477) Grube, Walter und Fricke, Eugen: Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, Band 1-2, Stuttgart 1975 Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Altwürttembergisches Archiv (A-Bestände) = Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg Band 32, Stuttgart 1975 Wintterlin, Friedrich: Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Band 1-2, Stuttgart 1904-1906

Liste der Oberamtspfleger: 1. Stein, Gottlob Friedrich: 1806-1813 (in Vaihingen) 2. Speidel, Johann Christoph: 1809-1818 (in Sachsenheim) 3. Löbert, Christian Ferdinand: 1818-1839 4. Redwitz, Heinrich: 1839-1854 5. Geyer, Robert Friedrich: 1854-1883 6. Hitt, Ludwig: 1883-1919 7. Gommel, Christian: 1920-1925

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, F 711
Extent
508 Büschel und Bände (14,6 lfd. m)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Untere Verwaltungsbehörden 1806-um 1945 >> Oberamtspflegen

Date of creation of holding
1806-1925 (Vorakten ab 1785)

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Last update
18.04.2024, 10:40 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1806-1925 (Vorakten ab 1785)

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