Malerei

Kanzan weist auf den Vollmond hin

Im Vorwort der Tang-zeitlichen Gedichtssammlung Gedichte des Meisters „Kalter Berg“ berichtet ein gewisser Lüqiu Yin, dass er die Verse zusammentragen ließ, die ein Dichter namens Hanshan (j. Kanzan) unbekümmert auf Bäume, Felsen und Hauswände schrieb. Dieses Vorwort ist die einzige Quelle für die Biographie des Hanshan, der am Ende des 8. oder am Anfang des 9. Jahrhunderts auf dem Tiantai-Berg in der Provinz Zhejiang gelebt haben soll. Was davon Legende und was historische Wahrheit ist, lässt sich nicht mehr entscheiden. In späteren Jahrhunderten wurde die Figur des exzentrischen Hanshan zu einem Lieblingsthema der Chan-(j. Zen-)buddhistischen Literatur und Malerei. Kanzan ist hier mit emporgestreckter linker Hand dargestellt. Mit dieser Geste weist er auf die im Bilde nicht sichtbare, runde Mondscheibe und zugleich auch auf sein wahres Selbst hin. Der Bildtyp stammt aus China, ist aber nur in Japan überliefert. Der klare Vollmond ist ein im Buddhismus oft gebrauchtes Symbol. Der Blick auf seine runde Scheibe gleicht dem Erschauen der vollen, reinen Buddhanatur, was für den Chan-Buddhisten identisch mit dem schauenden Erkennen des eigenen Selbst sein soll. Auch in Hanshans Gedichten findet sich diese Symbolik. Einer seiner berühmtesten Verse beginnt mit der Zeile „mein Herz gleicht einem Herbstmond“. Von den üblichen Darstellungen Kanzans mit etwas grotesken Gesichtszügen und struppigem Haar unterscheidet sich dieses Bild durch das rundliche Gesicht mit dem besinnlichen Ausdruck und dem offenen halblangen Haar. Einen ähnlichen Kopftyp zeigen Bilder des sogenannten Nawa Monju, einer Inkarnation des Monju Bosatsu als Jüngling in einem Strohgewand. Diese Ähnlichkeit ist wahrscheinlich beabsichtigt, galt doch Kanzan als eine Inkarnation des Monju Bosatsu. Die Aufschrift in der oberen linken Bildecke trägt die Signatur und das Siegel des chinesischen Priesters Pingshi Ruzhi (1268–1357), sie ist jedoch nachweislich eine japanische Kopie. Auch die Zuschreibung auf dem Aufbewahrungskasten an den in Japan populären Mönchsmaler Muqi ist nicht haltbar. Die durch einen auffälligen Kontrast zwischen feinen, dünnen Linien und breiten, flächigen Pinselzügen an den Säumen des Gewandes charakterisierte Malerei deutet vielmehr auf die von dem chinesischen Maler Yintuoluo (14. Jh.) begründete Maltradition hin.

Standort
Museum für Asiatische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
205
Maße
Höhe x Breite: 132 x 45 cm (Montierung)
Bildmaß: 57,4 x 29,7 cm
Material/Technik
Hängerolle, Tusche auf Papier
Inschrift/Beschriftung
Aufschrift von dem chinesischen Priester Pingshi Ruzhi mit 2 Siegeln

Ereignis
Herstellung
(wer)
Muxi 牧溪 (1210?-1269?), Maler*in
(wo)
Japan
(wann)
Nanbokuchō-Zeit

Rechteinformation
Museum für Asiatische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
13.06.2023, 14:07 MESZ

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Objekttyp

  • Malerei

Beteiligte

  • Muxi 牧溪 (1210?-1269?), Maler*in

Entstanden

  • Nanbokuchō-Zeit

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