Archivale

Eingabe an Bürgermeister und Rat zu Reittlingen

Regest: Was an Kummer, Kreuz, Leiden und Betrübnis der Unterzeichnete jetzt etliche Jahre und solang er hausgehalten hat, als ein junger, unverständiger Hausmann gelitten, ist dem Rat seit einem Jahr bekannt. Vom Rat ist ihm ernstlich auferlegt worden, sich künftig wohl und wesenlich (= ordentlich) zu halten, sowie seinen Gläubigern Treu und Glauben zu halten und sich, sobald er Gelegenheit habe, von ihnen zu erledigen (= freizumachen) und sein bevorstehendes (= verbleibendes) Armütlein mit gebührender biedermännischer Fürsorge und Nutzen zu verwalten. Er hat das seit der Zeit befolgt und sich in der Haushaltung und sonst gar kärglich (= sparsam) und genach (= genau, knapp) durchgebracht und nie Überfluss, sondern oft nicht die Notdurft (= das Nötige) gehabt. Zudem ist er von seinen Gläubigern viel und streng angefordert worden. Bisweilen wurde ihm sein Essen, bis er ein Mus oder Suppe eingenommen, gar sauer und so war er mit guten Zähnen übel versorgt. Um diesen spöttlichen (= schmählichen) Überlauf (= Belästigung) abzuschaffen, ist er beraten worden, ein Gut oder zwei mit Genehmigung des Rats und Bewilligung seiner andern gutherzigen Freunde (= Verwandten) zu verkaufen und sich aus dieser Schuldenlast etlichermassen freizumachen. Am vergangenen Freitag hat er im Beisein ehrlicher Personen seinen Weingart mit Vorlehen in den Hägwiesen, der mit 4 fl jährl. Zins beschwert ist, dem Hans Conrat Köngott, dem er ohne das 112 fl zu gelten (= schuldig?) gewesen, um 210 bare fl auf (= unter Voraussetzung der) Bestätigung durch den Rat käuflich versprochen. Anstatt dessen ist ihm aber am verflossenen Samstag vom Rat neben Einstellung des Gefängnisses aufgetragen worden, auf heutigen Tag ein specificiertes Verzeichnis seiner Schulden, auch der Gegenschulden (= Gegenforderungen) mit notwendigen Umständen vorzulegen. Er überreicht daher das Verzeichnis samt den Rechnungen seiner Vettern, der Finckhen, wie und warum er ihnen schuldig geworden ist.
Der Rat ist verbunden, das Glück seiner Untertanen zu befördern und besonders gegen Verschwender, Spieler, Fresser und Säufer, die das Ihre üppig und mutwillig verprassen, ein ernstlich und zeitig Einsehen anzustellen. So könnte er dem Rat von seinen Widerwärtigen (= Gegnern) auch so eingebildet (= dargestellt, verleumdet) worden sein. Er ist aber der tröstlichen Zuversicht, der Rat werde sich zu Gemüt führen, welche stattliche Summe er für German Flam, seinen Vater selig, ausbezahlt hat und noch täglich erstattet und dass er, solang er eigene Haushaltung angestellt hat, ein gar Geringes und nicht über 40 fl mit seinem Handwerk gewonnen hat, hingegen aber, weil er in der Ehe gesessen (= während seines Ehestandes), bis auf den heutigen Tag leider eine unerhörte und langwierige Teurung gewesen ist, zudem allem er mit seiner Haushälterin mehr als übel versorgt ist, was er ganz ungern mit grosser Betrübnis vermeldet. Er ist ein junger Mann, der sein Armütlein (= seinen bescheidenen Besitz) noch zur Zeit um bare 1200 fl nicht mangeln (= entbehren, hergeben) wollte. Deswegen wird ihn der Rat nicht in die Zahl der Verschwender verdenken (= als Verschwender verdächtigen) oder abstrafen, sondern noch diesmal mit den Augen der Gnade ansehen. In ungefälschter Reue bittet er den Rat, seine Jugend, sein ehrlich Geschlecht und seine Verwandten anzusehen und, falls je bisher etwas Ungereimtes (= Verkehrtes) fürgeloffen sein sollte, ihm zu verzeihen, ihn bei der Verwaltung seiner noch vorhandenen Güter verbleiben zu lassen, mit keinen Curatoren oder Pflegern zu beschweren und wenn nicht ihm und den seinigen, doch den treu und lang geleisteten Diensten seines Altvaters, des Bürgermeisters Rockhenstil, zuliebe seine Bitte zu erfüllen und das hart ausgestandene Gefängnis auf diesmal als Strafe anzunehmen.
Er will nicht nur eine nützlichere Haushaltung anstellen, sondern sich künftig so still, wohlhäuslich und wesenlich (= ordentlich) verhalten, dass den Rat die Begnadigung nie reuen soll. Wenn er aber, wie das etwan vor dieser Zeit geschehen, sich wieder ärgerlich und sträflich erzeigen würde, so soll der Rat das Recht haben, ihn um Altes und Neues härtiglich zu strafen.
Jacob Flam, Wundarzt, Bürger zu Reittlingen.

Archivaliensignatur
A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 4336
Umfang
8 S. Text
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 11 Zünfte Ärzte
Bestand
A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)

Laufzeit
1590 Dezember 5

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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  • Archivale

Entstanden

  • 1590 Dezember 5

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