Artikel

Gibt es aus portfoliotheoretischer Sicht eine Liquiditätsfalle?

In der Makroökonomik werden Liquiditätsfallen ohne Mikrofundierung als existent angenommen, und die Japan-Krise hat Liquiditätsfallen wieder zum Diskussionsthema gemacht. Deshalb wird die Frage der Existenz von Liquiditätsfallen hier portfoliotheoretisch untersucht im Rahmen eines klassischen Mean-Variance-Ansatzes für zwei Assets (Geld und Wertpapiere). Vorausgesetzt wird eine stochastisch inflationäre Anlageumgebung ohne Geldillusion im Anlegerverhalten. Das Resultat ist negativ insofern, als Liquiditätsfallen ausgeschlossen werden können, solange die erwartete Ertragssatzdifferenz der beiden Assets positiv zugunsten des Wertpapiers ausfällt. Liquiditätsfallen sind ebenfalls ausgeschlossen, solange das Risiko der Ertragssatzdifferenz eine negative Rolle spielt, d.h. solange das Risiko größer Null ist und solange gleichzeitig Risiko-Aversion besteht. Damit eine Liquiditätsfalle überhaupt existieren kann, muss entweder das Risiko fehlen (Standardabweichung von Null der Ertragssatzdifferenz) oder es darf keine Risikoaversion der Anleger geben. Unter Risiko-Aversion, bei Sicherheit der Ertragssatzdifferenz und bei einer sicheren nominellen Null-Verzinsung des Geldes ist ein nicht-positiver (d.h. ein negativer oder nullwertiger) nomineller Ertragssatz der festverzinslichen Wertpapiere notwendig und hinreichend dafür, dass eine Liquiditätsfalle existiert. Bei der in der Makroökonomik üblichen Annahme einer erwarteten Kapitalwertänderung der Wertpapiere von Null bedeutet dies, dass eine Liquiditätsfalle nur bei einem nullwertigen oder negativen Nominal-Zins möglich ist. Die in makroökonomischen Lehrbüchern als Liquiditätsfalle bezeichnete Konstellation (flacher Verlauf der Geldnachfragefunktion und positiver nomineller Zinssatz größer Null) impliziert dann aus portfoliotheoretischer Sicht keine Liquiditätsfalle, sondern eine Wertpapierfalle. Wenn die Makroökonomik ihre Vorstellung von der Existenz einer Liquiditätsfalle bei positiven Zinssätzen beibehalten will, dann muss sie Kapitalwertänderungen zulassen und auf die Annahme verzichten, dass Zinssätze gleichzeitig Opportunitätskosten der Geldhaltung sind. Sobald Kapitalwertänderungen zugelassen werden, ist dieser Verzicht logisch sogar zwingend erforderlich. Die Makroökonomik hat daher aus portfoliotheoretischer Sicht die Wahl, sich zu ändern oder weiterhin sowohl in einem Selbst-Widerspruch als auch im Gegensatz zur Portfolio-Theorie zu verharren. (JEL E41, E10, E12, B22)

Language
Deutsch

Bibliographic citation
Journal: Kredit und Kapital ; ISSN: 1865-5734 ; Volume: 39 ; Year: 2006 ; Issue: 3 ; Pages: 367-395

Classification
Wirtschaft
Demand for Money
General Aggregative Models: General
General Aggregative Models: Keynes; Keynesian; Post-Keynesian
History of Economic Thought: Macroeconomics

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Läufer, Nikolaus K. A.
Event
Veröffentlichung
(who)
Duncker & Humblot
(where)
Berlin
(when)
2006

DOI
doi:10.3790/ccm.39.3.367
Last update
10.03.2025, 11:43 AM CET

Data provider

This object is provided by:
ZBW - Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Artikel

Associated

  • Läufer, Nikolaus K. A.
  • Duncker & Humblot

Time of origin

  • 2006

Other Objects (12)