Bestand
Polizeipräsidium Karlsruhe (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Enthält v.a.: Passanträge von Juden im "Dritten
Reich" (v.a. Auswanderung)
Zur Geschichte der
Polizeiverwaltung: In der Vollzugsverordnung vom 12.07.1864 zum
Gesetz über die Organisation der inneren Verwaltung vom 05.10.1863
wurden die Aufgaben der Bezirksämter wie folgt umrissen: ¿Die
Bezirksämter besorgen innerhalb ihrer Bezirke die gesamte innere
Staatsverwaltung und Polizei nach den darüber bestehenden Gesetzen,
Verordnungen und Instruktionen¿. Auch Verhaftungen konnten von
ihnen veranlasst werden. Das Gesetz vom 15.09.1879 sprach den
Bezirksämtern die Kompetenz zur Einleitung von
Polizeistrafverfahren bei Übertretungen sowie zur Anordnung von
Beschlagnahmungen und Durchsuchungen zu. Der Landeskommissar
bildete die dem Bezirksamt übergeordnete Polizeibehörde. Aus der
die Polizeifunktion wahrnehmenden Abteilung des Bezirksamtes
entwickelte sich nach und nach bis 1936 eine eigenständige
Polizeibehörde, das spätere Polizeipräsidium. Das Polizeigesetz vom
31.01.1923 trennt die Polizeifunktion in die Begriffe Ortspolizei
und Landespolizei; letztere wird durch die Bezirksämter ausgeübt
(¿Bezirkspolizeibehörden¿). Die Ortspolizei obliegt entweder den
Gemeinden oder dem Bezirksamt. Zu ihrem Aufgabenbereich gehören
Sicherheit, Ordnung, Sittlichkeiten, Straßenverkehr,
Reinlichkeiten, Gewerbe sowie ¿ nur für das Bezirksamt ¿ Wohnungs-,
Bau-, Feuer-, Versicherungs- und Gesundheitswesen. Die
Landespolizei umfasst hingegen Aufgaben, welche Gemeindeinteressen
einer größeren als der örtlichen Gemeinschaft unmittelbar berühren.
Das Ministerium des Inneren ist den Bezirksämtern
(¿Bezirkspolizeibehörden¿) als Landespolizeibehörde übergeordnet.
Im Schlusssatz des §1 Abs. 2 wird festgelegt, dass durch Gesetz
oder Verordnung an Stelle des Ministeriums des Inneren auch ein
anderes Ministerium und anstelle der Bezirksämter andere staatliche
Behörden für zuständig erklärt werden können. Die bislang gültige
Vollzugsverordnung von 1864 wurde durch die Vollzugsverordnung vom
04.02.1932 grundlegend geändert. Innerhalb der Institution des
Bezirksamtes zeigt die ihr angeschlossene Polizeiabteilung erste
Züge einer möglichen Verselbstständigung. Der Landrat als Vorstand
des Bezirksamtes führt zwar noch unter seiner Verantwortlichkeit
die Aufsicht über die Amtsgeschäfte, aber das ¿Staatsministerium
kann den Leitern von Polizeiabteilungen (Polizeipräsidenten,
Polizeidirektoren) für den Bereich ihrer Aufgaben die Stellung
eines Amtsvorstandes zuerkennen¿. Die Vertretung sowohl des
Landrats als auch des Polizeipräsidenten oder ¿ direktors erfolgt
durch einen vom Ministerium bestellten Vertreter und nicht ¿ wie
bislang ¿ durch den nachgeordneten Beamten. Bei
Meinungsverschiedenheiten über Verfügungen, die ohne den Bezirksrat
getroffen werden können, entscheidet die Meinung des
Polizeipräsidenten (Polizeidirektors). Die Polizeiabteilung kann
durch dieses Gesetz von einer untergeordneten Abteilung zur
beigeordneten Institution des Bezirksamts aufsteigen. Eine
nuancierte Abänderung der Landespolizeikompetenz findet sich in der
Bestimmung des Landeskriminalpolizeigesetzes vom 22.08.1933; ¿Die
Landespolizei ¿.wird ausgeübt..[von] den Bezirksämtern
(Polizeipräsidien, Polizeidirektionen) als Bezirkspolizeibehörden¿;
anstelle der Bezirksämter können andere staatliche Behörden für
zuständig erklärt werden. Der im Gesetz vom 05.10.1863 festgelegt
Aufbau der inneren Verwaltung war in den seither erlassenen
Gesetzen und Verordnungen nur schrittweise durch Erweiterungen und
Übertragung von Kompetenzen verändert, nicht aber grundlegend
umstrukturiert worden. Das Gesetz über die Neueinteilung der
inneren Verwaltung vom 30.06.1936 führte zu einer völligen
Veränderung der Bezirksverwaltung. Waren die Bezirksämter bisher
die alleinigen Träger der inneren Verwaltung in den Bezirken, so
wird diese nunmehr ¿durch die Bezirksämter, Polizeipräsidien,
Polizeidirektionen, teils allein, teils in Verbindung mit den
Bezirksräten¿ wahrgenommen. Polizeipräsidium und ¿direktion
übernehmen hier als vom Bezirksamt getrennte Institution Teile
seiner ehemaligen Kompetenz. Die zweifellos bestehende
Kompetenzenüberschneidung wird durch § 1 der 4. Verordnung vom
10.10.1936 zum Gesetz über die Neueinteilung der inneren Verwaltung
beseitigt: ¿ In den Gemeinden, für welche Polizeipräsidien und
Polizeidirektionen erreichtet sind, wird die innere Verwaltung mit
Ausnahme der Gemeinde- und Körperschaftsaufsicht des Fürsorgewesens
und des sozialen Versicherungswesens statt von den Bezirksämtern
von den Polizeipräsidien und Polizeidirektionen besorgt¿. Die
Kompetenzen des Bezirksamts werden so auf einen Bruchteil ihres
früheren Umfangs beschränkt; das Polizeipräsidium tritt in den
wichtigsten Bereichen an seine Stelle. Durch die Auflösung des
Bezirksrats des Bezirks Karlsruhe mit Wirkung vom 1.4.1937 wird das
Polizeipräsidium zur maßgeblichen Institution der inneren
Verwaltung des Bezirks.
Bestandsbearbeitung:
Angesichts der geschilderten Kompetenzverlagerung in der
Behördenorganisation war es notwendig, die fünf hier
zusammengefassten Einlieferungen des Polizeipräsidiums Karlsruhe
(Zugänge 1940-39; 1941-34; 1943-49 und 1967-9 ) entsprechend der
Provenienz aufzuteilen. Die ersten 3 Einlieferungen kamen zu
Bestand 357 (Bezirksamt Karlsruhe ) und haben jetzt die Signatur
357 Nr. 21857-24068, ein Teil kam zu Bestand 348 ( Bezirksamt
Durlach ). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um
Auswandererakten aus der Zeit vor der Jahrhundertwende, außerdem um
Militär- und Kriegssachen des 1. Weltkriegs, nämlich Akten über die
Bewirtschaftung von Lebensmitteln und anderen Gütern sowie um
Fliegerschadensakten; daneben sind die Rubriken Fischerei,
Forstwesen, Gemeindeverwaltung, Gewerbe und Handel, Polizei,
Staatsangehörigkeit und Auswanderung sowie Unterricht vertreten.
Aus der Zeit vor 1930 verblieben im Bestand als Vorakten lediglich
einige Volkswehrakten. Den größten Anteil des im vorliegenden
Bestand erwachsenen Materials stellen Passanträge jüdischer
Personen aus der Zeit von 1933 bis 1941 dar. Bei diesen Anträgen
handelt es sich um eine wertvolle Quelle zu den Lebensumständen der
jüdischen Einwohner Karlsruhe im ¿Dritten Reich¿ und um eine
Ergänzung der baden-württembergischen Judendokumentation von Sauer/
Hundsnurscher / Taddey für den Bereich der Stadt. Die Anträge
wurden daher intensiv erschlossen, alle darin erwähnten Personen
und ihre Daten gesondert ausgeworfen (also z.B. auch Kinder, die in
den Pass eines Elternteils eingetragen sind). ¿Diesen aus den
Passanträgen gewonnen Daten wurden gegebenenfalls Angaben über das
weitere Schicksal der Antragsteller aus ¿ Die Opfer der
nationalsozialistischen Judenverfolgung in Baden-Württemberg
1933-1945. Ein Gedenkbuch, hg. von der Archivdirektion Stuttgart
(Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung
Baden-Württemberg, Beiband zu Bd. 20, 1969), hinzugefügt. Es sei
darauf hingewiesen, dass sich einige Akten der Staatlichen
Kriminalpolizeistelle Karlsruhe (1938-1945) und der
Gendarmerieabteilung Durlach (1936 ¿ 1945), die nicht dem
Polizeipräsidium Karlsruhe unterstanden, im Bestand 465 d (aus
US-Gewahrsam in Alexandria zurückgegebenes Schriftgut) unter der
Nummer 1434-1440, 1447 und 1448 befinden. Die Ordnungsarbeiten
wurden von den Staatsarchivreferendaren Christoph Josef Drüppel,
Michael Martin, Dr. Volker Rödel und Bernhard Rolf im Mai und Juni
1977 durchgeführt. Die Verzeichnung der Passanträge wurde von den
Herren Helmut Pfefferle und Wilfried Richter überarbeitet und
ergänzt. Die Gesamtredaktion lag bei Staatsarchivrat Dr. Herwig
John. Die Reinschrift des Manuskripts besorge Frau Liselotte Dürr.
Karlsruhe, den 20.4.1978 Dr. Herwig John
Literaturhinweise: Die Opfer
der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Baden-Württemberg
1933-1945. Ein Gedenkbuch, hg. von der Archivdirektion Stuttgart
(Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung
Baden-Württemberg, Beiband zu Bd. 20, 1969). Brüning, Rainer:
Jüdische Passanträge aus der NS-Zeit im Generallandesarchiv
Karlsruhe, in: Momente 1 (2009), S. 10-12.
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 330
- Umfang
-
1419 Akten
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Neuere Bestände (vornehmlich ab ca. 1800) >> Inneres, Soziales und Umwelt >> Polizei >> Polizeipräsidium Karlsruhe
- Bestandslaufzeit
-
1918-1942
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1918-1942