Archivale

An Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Reittlingen

Regest: Der Unterzeichnete Untervogt zu Urach gibt auf das Reutlinger Schreiben wegen des verhafteten Martin Mader von Metzingen aus den Akten folgenden Bescheid.
Martin Mader hat im Juli (15)85 Hans Här von Metzingen eine Eisenstange an seinem Luftloch ausgebrochen und ist durch das Luftloch in den Keller geschloffen (= geschlüpft) und hat ihm daraus 3 Häfen mit Schmalz etwa 20 Pfund, 6 grosse Laib Brot, 2 Käs und 12 Mass roten Wein aus einem Fässlein gestohlen.
Die Schmalzhäfen, 3 Laib Brot und 2 Käs sind durch Haussuchung noch bei ihm in seinem Keller gefunden und dem Här wieder zugestellt worden. Den Mader hat man hierher (nach Urach) in Haft eingeliefert. Der Untervogt hat ihn damals auf fürstlichen Befehl vor Recht (= Gericht) gestellt und peinlich angeklagt. Weil er ein geschworener Gassenwächter war, ist er in die Hand des Nachrichters gesprochen worden, der ihn 1/4 Stunde an den Pranger stellen, dann mit Ruten zu dem Untertor hinausstreichen sollte.
Dieses Urteil ist jedoch nicht an ihm vollstreckt worden, sondern er ist auf Bitten seiner Hausfrau, seiner Kinder und seiner Freundschaft vom Fürsten begnadigt und des Nachrichters überhoben worden dergestalt, dass er noch 14 Tag länger im Gefägnis büssen, seine Atzung (= Verpflegung) selber bezahlen und eine Verschreibung über sich geben musste, sich künftig wohl zu verhalten, keine Wehr zu tragen, alle ehrlichen Gesellschaften, Zechen und Wirtshäuser zu meiden und mit dergleichen Sachen nicht mehr zu kommen. Sonst würde ihm Altes und Neues zusammengerechnet werden (Abschrift der Urfehde in Beilage). An diese Straf hat er sich jedoch nicht gekehrt und sich nicht gebessert, sondern hat im Februar des Jahres (15)87 zu Dettingen unter Urach, von wo seine Hausfrau gebürtig ist, einem dortigen Einwohner mit einer Axt in den Keller eingebrochen und daraus Brot, Käs und was er fand, gestohlen, ist aber von dem Gassenwächter vor dem Keller ergriffen und ihm der Sack samt seinem Diebstahl (= Diebsgut) und der Axt abgejagt worden. Er ist dem Wächter, der für sich selbst allein zu schwach war, aus den Händen entronnen und nach Neuhausen auf den Fildern gekommen. Dort hat er einer Witfrau nachts aus der Stube, worin er über Nacht war, etwa 2 Simri Mehl gestohlen. Weil er damit bei Nacht aus dem Flecken ging, haben die Fruchthüter ihn auf dem Feld beigefangen. Er ist seinem Anzeigen nach allein wegen dieser 3 Diebstähle, die er zu Metzingen, Dettingen und Neuhausen begangen hat, weil besonders das in Urach gefasste Urteil nicht an ihm vollzogen worden war, durch den Nachrichter von Esslingen zu Neuhausen mit Ruten ausgestrichen und aus dem Flecken verwiesen worden.
Nach dieser Straf hat er sich jedoch nicht gebessert, sondern erst im März dieses Jahrs dem Jos Eberlin, Tochtermann des Schultheissen zu Neuhausen an der Erms, mit der oben erwähnten Eisenstange in den Keller eingebrochen. Nachdem er darin aber nichts als Obst gefunden, hat er auch durch eine Wand ins Haus eingebrochen und in der Stube auf dem Tisch ungefähr 4 Simri Mehl gestohlen, hat auch die Stuben- und die Kammertür mit der Handzwehle (= Handtuch) so zusammenverknüpft, dass der Jos Eberlin nicht aus der Kammer konnte, bis man zuvor die Handzwehle daran abgelöst.
Nachdem er wegen dieses Diebstahls ausgekundschaftet worden war und man Haussuchung bei ihm getan, auch das Mehl zum Teil bei ihm gefunden hatte, ist er dem Untervogt wieder nach Urach in Haft geliefert und von diesem auf fürstlichen Befehl peinlich angeklagt und auf gerichtliches Erkenntnis durch den Nachrichter auf den Pranger an das Halseisen gestellt, dann mit Ruten zu dem oberen Tor hinausgehauen und aus dem Fürstentum Württemberg verwiesen worden (Abschrift in Beilage).
Obwohl er damals schliesslich willens war, mit Weib und Kindern nach Österreich zu ziehen, so kann der Untervogt doch jetzt glauben, dass er sich nur in der Nähe aufhielt und sich mit Stehlen ernährte.
Er ist zwar wegen weiterer Diebstähle in grossem Verdacht gewesen, doch ist nichts gründlich dargetan (= nachgewiesen) worden. Doch ist anzunehmen, dass durch ernstliche Befragung noch weitere Diebstähle von ihm zu bringen (= aus ihm herauszubringen) sind. Weil er bisher nicht peinlich befragt wurde, hat er nichts anderes bekennen wollen als das, wobei er ergriffen wurde. Dass er sonst dazwischen gefeiert habe, ist nicht zu glauben.
Die Empfänger werden dem Boten seinen Botenlohn zu entrichten wissen.

Archivaliensignatur
A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. 7542
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Zeugen / Siegler / Unterschriften: Untervogt zu Urach Hans Wendel Dägker

Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26) >> Bd. 21 Urgichten
Bestand
A 2 e (Urfehden u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26)

Laufzeit
(15)90 Dezember 11

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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  • Archivale

Entstanden

  • (15)90 Dezember 11

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