Arbeitspapier | Working paper
Europäisierung der Gesundheitspolitik? Zur Evolution eines Politikfeldes im europäischen Mehrebenen-System
"In Europa gelten die Sozialpolitik und insbesondere die Gesundheitspolitik als Felder, in denen die Nationalstaaten weitgehend den Ton angeben. Fragen der Krankenversorgung und etwaiger institutioneller Reformen werden in der Regel als nationale Angelegenheiten behandelt. Seit geraumer Zeit sind jedoch deutliche Anzeichen erkennbar, dass das Politikfeld Gesundheit vor einem dynamischen Prozess der Europäisierung steht. Die vorliegende Untersuchung analysiert die unterschiedlichen Wege, auf denen sich dieser Prozess vollzieht. Während bisher die Verflechtungen zwischen dem europäischen Markt- und dem deutschen Sozialrecht den wichtigsten Wirkungskanal darstellten, über den die europäische Integration Einfluss auf das deutsche Gesundheitssystem gewinnt, so dürften von der wettbewerbspolitischen Neuausrichtung des Integrationsprozesse ('Lissabonner Strategie') und den Vorgaben der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion neue Impulse in Richtung einer Europäisierung der Gesundheitspolitik ausgehen. Dabei kommt der Offenen Methode der Koordinierung als einem neuen Regulierungsmodus im europäischen Mehrebenensystem, der zunehmend auch in der Gesundheitspolitik Anwendung findet, besondere Bedeutung zu. Es wird gezeigt, dass auf europäischer Ebene neue politischen Arenen entstehen, in denen insbesondere der Europäische Gerichtshof, die Europäische Kommission sowie der Europäische Rat aktiver und entschiedener als bisher Gesundheitspolitik betreiben. Gleichzeitig bilden sich neue Formen wechselseitiger Abhängigkeit zwischen nationaler Gesundheitspolitik und europäischen Entscheidungen heraus. Im Rahmen dieses Prozesses schränken einerseits Vorgaben aus Europa die nationalstaatlich zur Verfügung stehenden Politikoptionen ein, andererseits nutzen aber auch Schlüsselakteure der nationalen Gesundheitssysteme die europäischen Entscheidungsprozesse, um eigenen Interessenlagen zum Durchbruch zu verhelfen und eigene Strategieoptionen zu realisieren. Die Anwendung der Offenen Methode der Koordinierung auf das Gesundheitswesen geht zum einen mit einer strategischen Aufwertung, zum anderen aber auch mit einer wettbewerbspolitischen Indienstnahme der Gesundheitspolitik einher. Es ist davon auszugehen, dass die enge Einbindung der europäischen Gesundheitspolitik in die finanzpolitischen Vorgaben des EU-Finanzregimes und die Ziele der neuen europäischen Wettbewerbspolitik den Druck in Richtung auf die Stärkung einer kostendämpfungs- und wettbewerbsorientierten Gesundheitspolitik in den Mitgliedsstaaten erhöhen wird. Allerdings kann die Einbeziehung der Erfahrungen aus anderen Ländern auch einen Beitrag dazu leisten, Defizite des deutschen Gesundheitssystems, vor allem ineffiziente Versorgungsstrukturen, zu überwinden." (Autorenreferat)
- Weitere Titel
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Europeanization of health policy? Evolution of a policy area in the European multi-level system
- Umfang
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Seite(n): 140
- Sprache
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Deutsch
- Erschienen in
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Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Bildung, Arbeit und Lebenschancen, Forschungsgruppe Public Health (2003-303)
- Thema
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Sozialwissenschaften, Soziologie
Politikwissenschaft
Europapolitik
Gesundheitspolitik
Bundesrepublik Deutschland
Gesundheitswesen
EU-Staat
Mehrebenensystem
Wettbewerb
Gesundheitspolitik
europäische Integration
Europäisierung
europäische Sozialpolitik
deskriptive Studie
- Ereignis
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Geistige Schöpfung
- (wer)
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Urban, Hans-Jürgen
- Ereignis
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Veröffentlichung
- (wer)
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Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH
- (wo)
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Deutschland, Berlin
- (wann)
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2003
- URN
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urn:nbn:de:0168-ssoar-112129
- Rechteinformation
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GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
- Letzte Aktualisierung
-
21.06.2024, 16:26 MESZ
Datenpartner
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Arbeitspapier
Beteiligte
- Urban, Hans-Jürgen
- Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH
Entstanden
- 2003