Bestand
Nachlass Richard Karwehl (Bestand)
Beschreibung: Der Nachlass
Richard Karwehls wurde dem Landeskirchlichen Archiv Hannover in
mehreren kleinen Abgaben in den Jahren 1983-1989 von dessen Tochter
Ruth Karwehl, Detmold, übergeben. Er besteht teilweise aus familiärer
Korrespondenz und Nachlasssplittern, v. a. aber aus Unterlagen zum
kirchenpolitischen Engagement Karwehls in der NS-Zeit und in der
frühen Nachkriegszeit. Teile des Bestandes sind schon früher an
interessierte Zeithistoriker ausgeliehen worden und von dort nicht
zurückgekehrt. Sie liegen nur noch als Kopien vor, die diese Forscher
seinerzeit für ihren Bedarf gemacht hatten. Ferner hat Frau Ruth
Karwehl von einer Reihe von Familienbriefen Abschriften übergeben, in
denen rein persönliche Angaben und Bemerkungen ausgelassen wurden.
Ergänzt wurde der Bestand durch drei Akten, die bei Ordnungsarbeiten
aus dem Pfarrarchiv der Paulus-Kirchengemeinde Osnabrück-Schinkel
ausgesondert wurden. Sie betreffen Sammlungen und Unterlagen Karwehls
zur Kirchlich-Theologischen Arbeitsgemeinschaft und zur Kirchenpolitik
nach 1945. Druckschriften wurden im Bestand belassen, ebenso die
wenigen Predigten von Ludwig Schnehage. Ludwig Schnehage (geb. 1816;
1853 Pastor in Gustedt, 1870 Pastor in Mechtshausen; gest. 1878) war
Karwehls Großvater mütterlicherseits. Die Predigten befanden sich im
Familienbesitz und wurden im Zuge der Übergabe von Richard Karwehls
Nachlass mitübergeben.
Der so angereicherte Nachlass ist
unter der Signatur N 86 zusammengefasst. Er wurde 1994 im Rahmen eines
Praktikums geordnet und verzeichnet. Dabei wurde der vorsortierte
Bestand teilweise neu geordnet und signiert.
Parallelbestände sind die Kirchenkampfdokumentation (Bestand S
1), die Generalakten des Landeskirchenamtes (Bestand B 1), die Akten
der Landesbischöfe Marahrens (Bestand L 2) und Lilje (Bestand L 3 II
und L 3 III), die Akten der hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft
(Bestand E 6) sowie der Nachlass Götz Harbsmeier (Bestand N
35).
Bestandsgeschichte:
Lebenslauf
02.05.1885 geboren in Uchte (Kreis Stolzenau)
als Sohn des Pastors Friedrich Karwehl (1857-1902)
1904-1908 Theologiestudium in Tübingen, Berlin und
Göttingen
1908/1909 Erzieher in Gumperda bei
Kahla/Thüringen
1909/1910 Soldat beim 1. Garderegiment zu
Fuß in Potsdam
1910-1912 Predigerseminar Loccum
1912/1913 Erzieher am Zivilwaisenhaus in Potsdam
1913
Ordination
1913/1914 Hilfsprediger an der Bethlehemskirche
in Hannover-Linden
1914 Pastor der St.-Marien-Gemeinde
Osnabrück
1914-1918 Feldprediger, dann
Divisionspfarrer
1918-1956 Pastor der Pauluskirchengemeinde
Osnabrück-Schinkel
02.08.1979 gestorben
Als
Gemeindepastor hatte Richard Karwehl ein waches politisches Interesse,
besonders galt dies für Fragen des Verhältnisses von Kirche und Staat.
Mit seiner 1931 erhobenen Forderung, die Kirche solle „Rechtsanwalt
der unterdrückten Volksschichten“ sein und „Distanz von den
Klassengebundenheiten der bürgerlichen Gesellschaft“ wahren,
repräsentierte er eine Minderheitenmeinung in seiner Landeskirche. In
seinem Beitrag „Politisches Messiastum“ (In: Zwischen den Zeiten 9,
1931) arbeitete er die Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und
christlicher Kirche heraus und bekämpfte auch später jede Anpassung
der Landeskirche an staatliche Vorgaben. Dementsprechend stellte er
sich in der Zeit des Kirchenkampfes auf die Seite des Teiles der
Bekennenden Kirche, der – im Gegensatz zu Landesbischof Marahrens –
eine Zusammenarbeit mit dem Staat, etwa in Form des
Reichskirchenausschusses, ablehnte. Als die Kirchenregierung der
Landeskirche 1938 die Pfarrer anwies, einen Treueid auf den Führer
abzulegen, zählte Karwehl zu den wenigen, die dies verweigerten. Nach
dem Ende des „Dritten Reichs“ kritisierte Karwehl das Verbleiben von
Bischof Marahrens im Amt. Die Vorläufige Landessynode hielt er nicht
für legitimiert, über Fragen der Zukunft der Landeskirche zu
entscheiden. Die „Restauration“ der bisherigen kirchlichen
Verfassungs- und Verwaltungsformen galt ihm als Rückschritt und
verpasste Chance.
Karwehls theologisches und
kirchenpolitisches Verständnis war geprägt von seiner Freundschaft zu
Karl Barth. Seine Briefe an Barth, die als Kopien aus dem Karl
Barth-Archiv, Basel, Teil des Bestandes sind und einen Zeitraum von 46
Jahren umfassen, dokumentieren die geistige Nähe der beiden Theologen.
Karwehls Beitrag „Was ich als lutherischer Prediger von Karl Barth
gelernt habe“ zu dessen 70. Geburtstag in „Antwort“ (1956) ist als
Sonderdruck ebenfalls Teil des Bestandes.
Literatur über
Karwehl befindet sich in der Akte N. 86 Nr. 27, den Aufsatz
„Politisches Messiastum“ behandelte D. Glufke im Jahrbuch der
Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 90, 1992, S.
201-217.
- Bestandssignatur
-
N 086
- Kontext
-
Landeskirchliches Archiv Hannover (Archivtektonik) >> Gliederung >> Landeskirchliches Archiv >> N - Nachlässe
- Bestandslaufzeit
-
1859-1985
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
01.04.2025, 13:47 MESZ
Datenpartner
Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1859-1985