Bestand

Bankhaus Partin in Bad Mergentheim (Bestand)

Inhalt und Bewertung
Dank wertvoller Hinweise eines lokalen Forschers konnte das Staatsarchiv Ludwigsburg im Sommer 2015 ca. 2 lfd. m Unterlagen vom ehemaligen Bankhaus Partin in Bad Mergentheim übernehmen.
Das Bankhaus Partin war eine Privatbank, gegründet am 15. Juli 1918, sie bestand bis zum 29. Januar 2001. Das Insolvenzverfahren war zum Jahresende 2015 beendet.
Die von dort eingekommenen Unterlagen beziehen sich größtenteils auf den jüdischen Kundenkreis des Bankhauses Partin, der aus Mergentheim und Umgebung, aber auch aus dem fränkischen Raum bei Würzburg stammte.
Es handelt sich vor allem um Akten über die Finanzgeschäfte jüdischer Kunden, sog. Kundenakten, die vorwiegend den Zeitraum des Dritten Reichs umfassen und somit die Vermögens- und Finanzlage der jüdischen Kunden in dieser Zeit dokumentieren. Inhaltlich zieht sich durch nahezu alle Unterlagen ein roter Faden: die Auswirkungen der Gesetze gegen die Juden. Wie lassen sich die geforderten Abgaben, z.B. Judenvermögensabgabe und Reichsfluchtsteuer, finanzieren, welche Auswirkungen hat die geplante Auswanderung auf das Vermögen (Sperrkonto, Sicherungskonto, Verfall des Vermögens zu Gunsten des Deutschen Reichs) bis hin zum erforderlich werdenden Verkauf des Haus- und Grundbesitzes, der Versendung des Umzugsgutes und Regelungen für den Unterhalt zurückgebliebener Familienangehörigen. Das alles ist festgehalten und gut nachvollziehbar in den Kundenakten des Bankhauses Partin.
Des Weiteren werden die finanziellen Aspekte der Rückerstattung ersichtlich. Neben Schriftstücken zu Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsverfahren in den Kundenakten der einzelnen jüdischen Bankkunden befindet sich in der vorliegenden Überlieferung auch von der Bank gesondert zusammengestelltes Schriftgut für diese Bereiche, das in speziell dafür angelegten Leitzordnern aufbewahrt wurde.
Der Inhaber und Leiter der Bank Carl Partin (1889-1955) war - nach den vorliegenden Unterlagen - trotz seiner 1934 erfolgten formalen Mitgliedschaft in der NSDAP eine Vertrauensperson bei den jüdischen Kunden. Sie setzten ihn als Bevollmächtigten für ihre Bankgeschäfte ein und er versuchte, ihnen Schutz und tatkräftige Hilfe zuteil werden zu lassen oder ihre Auswanderung zu ermöglichen. Sogar nach Kriegsende wandten sich einige der nach USA und Israel ausgewanderten jüdischen Bankkunden wieder vertrauensvoll an ihn und übertrugen ihm wiederum ihre Finanzgeschäfte, z.B. die Verwaltung ihrer vermieteten Häuser oder den Wiederverkauf ihres rückerstatteten Besitzes.
Diese Vorgänge gewähren auch eindrucksvolle Einblicke in das Zusammenleben der jüdischen und nicht jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus.
Den Kundenakten der Juden aus dem Altkreis Mergentheim kommt zusätzlich eine besondere Bedeutung zu, da sie doch eine außergewöhnliche Ergänzung für die hier zuständigkeitshalber verwahrten Unterlagen zu Entschädigung, Wiedergutmachung und Rückerstattung (Bestände EL 350 I, K 50, EL 402/0-31, FL 300/33 I-III) darstellen.
Eine Akte verdient besondere Erwähnung: das Ecuador-Projekt Alomia.
Sie informiert ausführlich über die von Gustav Kleemann, dem Leiter der Auswanderungsstelle in Würzburg, betriebene Gruppenauswanderung von Juden nach Ecuador, wofür das Bankhaus Partin die finanzielle Abwicklung übernahm. Letztlich scheiterte das Projekt an einer fehlenden Genehmigung durch die Gestapo, nur ein Teil der beteiligten Juden konnte sich durch Auswanderung in andere Länder retten.
In seinem Praxissemester von September 2015 bis März 2016 verzeichnete und klassifizierte Vincent Lenk unter der Anleitung von Gabriele Benning den Bestand.

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, PL 445

Kontext
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
18.04.2024, 10:40 MESZ

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