Bestand
Justizvollzugsanstalt Bruchsal: Verwaltung, Gefangenenpersonalakten, Gefangenenbücher (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Generalia (Bausachen, Personal, Organisation,
Gewerbebetrieb, Jahresberichte, Statistik, Konkresse/Konferenzen,
Stiftungen, Strafvollzug), Gefangenenpersonalakten und
Gefangenenbücher (Zuchthaus Bruchsal, Frauenstrafanstalt Bruchsal,
Landesgefängnis Bruchsal, Bezirksgefängnis Bruchsal,
Arbeitshaus/Konzentrationslager Kislau)
Geschichte und
Zuständigkeiten der Bruchsaler Strafanstalten: Das Jahr 1845
bildete den Ausgangspunkt für die Gefängnisreform in Baden. In
diesem Jahr wurde neben einem neuen badischen Strafgesetzbuch, das
ausführliche Bestimmungen über das Strafensystem und den
Strafvollzug im allgemeinen enthielt, unter dem gleichen Datum, dem
6.3.1845, ein besonderes Gesetz erlassen, das den Strafvollzug im
neuen Männerzuchthaus Bruchsal, der heutigen Justizvollzugsanstalt
in der Schönbornstraße, regelte. (Anm. 1) Dieses Gesetz trat am
1.10.1848 in Kraft und sah die Einzelhaft nach dem sog.
Pennsylvania-System vor. Es wurde beispielhaft im deutschen Raum.
(Anm. 2) Desweiteren wurde das Zuchthaus durch seine Bauweise zum
Vorbild der "panoptischen" Verwahranstalt in Europa, d.h. einer
Anstalt bei der vom Mittelpunkt der strahlenförmig abzweigenden
Zellentrakte die Aufsichtsbeamten sämtliche Gänge überblicken
konnten. Zu den ersten Insassen gehörten unter anderem auch die
badischen Revolutionäre der Jahre 1848 und 1849. (Anm. 3) Doch war
das Zuchthaus in der Schönbornstraße bei weitem nicht die einzige
Anstalt zum Strafvollzug in der "Gefängnismetropole Bruchsal". In
Baden existierten drei Arten von Strafanstalten: die
Zentralstrafanstalten, die Kreis- und die Amtsgefängnisse sowie das
Festungshaftgefängnis in Rastatt. (Anm. 4) Laut Verordnung vom
26.11.1883 wurden die Strafen wie folgt verbüßt: (Anm. 5) 1)
Amtsgefängnis: Gefängnisstrafen bis zu 1 Monat und staatliche
Haftstrafen; Zivil- und Untersuchungsgefangene 2) Kreisgefängnisse:
Strafen von 1-4 Monaten gegen erwachsene männliche Personen 3)
Zentralstrafanstalten: alle Gefängnisstrafen über 4 Monate und
solche über 1 Monat gegen jugendliche und weibliche Sträflinge
sowie die Zuchthausstrafen. Zu den Zentralstrafanstalten zählten -
das Männerzuchthaus in Bruchsal, - die Landesgefängnisse in
Bruchsal, Freiburg und Mannheim sowie - die Weiberstrafanstalt in
Bruchsal. (Anm. 6) Auf die Zentralstrafanstalten in Bruchsal wurden
die Gefangenen je nach Strafmaß folgendermaßen verteilt (gemäß der
Verordnung vom 26.11.1883): (Anm. 7) 1) Männerzuchthaus: alle
Zuchthausstrafen (bis auf einige Ausnahmen, die in das
Landesgefängnis eingeliefert wurden) 2) Landesgefängnis: a)
Züchtlingsabteilung - zu Zuchthausstrafen Verurteilte, die über 70
Jahre alt sind - Geisteskranke, die noch straferstehungsfähig sind,
und körperlich Kranke, deren Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist -
einfache Diebe und Betrüger im zweiten wiederholten Rückfall b)
Abteilung für Jugendliche - Gefängnisstrafen über 1 Monat gegen
Jugendliche c) Hauptkrankenhaus mit einer 1885 eingerichteten
Abteilung für Gebrechliche 3) Weiberstrafanstalt: Gefängnisstrafen
über 1 Monat gegen Frauen sowie Zuchthausstrafen Durch die Dienst-
und Vollzugsordnung für die badischen Strafanstalten des Jahres
1925 hat sich an der Einteilung dieser mittlerweile als
Landesstrafanstalten bezeichneten Einrichtungen nicht viel
verändert: (Anm. 8) 1) Männerzuchthaus mit Abteilungen für
Zuchthausgefangene a) unter 25 Jahren mit Strafvollzug in Stufen b)
im Alter von 25 oder mehr Jahren mit Strafvollzug in Stufen c) die
vom Strafvollzug in Stufen ausgeschlossen sind 2)
Frauenstrafanstalt mit Abteilungen für a) Zuchthausgefangene b)
volljährige Gefängnisgefangene c) minderjährige Gefängnisgefangene
mit einer Unterabteilung für Jugendliche 3) Landesgefängnis mit
folgenden Abteilungen a) für Gefängnisgefangene im Alter von 25
oder mehr Jahren, die vom Strafvollzug in Stufen ausgeschlossen
sind b) Krankenhaus c) für Gefangene, die während des Strafvollzugs
geisteskrank werden oder die einer Geisteskrankheit verdächtig sind
sowie für geistig minderwertige Gefangene
(Irrenabteilung).
Hinweise zu und Geschichte
der einzelnen Strafanstalten: 1) Zuchthaus In den Jahren 1750-1755
haben die Baumeister Stahl (Vater und Sohn) des Fürstbischofs Franz
Christoph von Hutten nach Plänen von Balthasar Neumann an der
Huttenstraße eine Kaserne gebaut, die im Jahre 1766 zur einen
Hälfte in ein Zuchthaus und zur anderen in ein Waisenhaus
umgewandelt wurde. (Anm. 9) Nach der Übernahme Bruchsals durch
Baden im Jahre 1805 wurde der gesamte Gebäudekomplex zum Zucht- und
Arbeitshaus. In diesen Gebäuden waren ab dem Jahre 1848, nach dem
Bau des neuen Zuchthauses, somit ausschließlich die
Weiberstrafanstalt und das Landesgefängnis untergebracht. (Anm. 10)
Das eben angesprochene neue Zuchthaus, das Gebäude der heutigen
Justizvollzugsanstalt in der Schönbornstraße, wurde in den Jahren
1841-1848 nach einem Plan von Heinrich Hübsch durch den Architekten
Breisacher gebaut. (Anm. 11) Vorbild war dabei das Mustergefängnis
der damaligen Zeit, Pentonville in London. (Anm. 12) In den Jahren
1864-1872 trug das Zuchthaus die Bezeichnung Zellengefängnis. An
die Zuchthausverwaltung verpachtet wurde im Jahre 1923 das sog.
Städtische Bruch, ein sumpfiges Gelände nördlich der Straße nach
Forst an der Bahnlinie nach Heidelberg gelegen, zur Durchführung
der Entwässerung und Bewirtschaftung mit Strafgefangenen. (Anm. 13)
2) Weiber- und Frauenstrafanstalt Nach Maßgabe der Verordnung vom
31.5.1838 war auch ein Weiberzuchthaus in Bruchsal eröffnet worden.
Mit dieser Verordnung wurde die Absonderung der Geschlechter -
jedenfalls bei Nacht - eingeführt. (Anm. 14) Das Gesetz vom
6.3.1845, das den Strafvollzug in Einzelhaft einführte, wurde durch
die Gesetze vom 2.10.1863 und 13.7.1866 auch auf die
Arbeitshausstrafe und die gegen "Weiber" erkannten Strafen
ausgedehnt. (Anm. 15) Stattgefunden hat der Strafvollzug an Frauen
im Gebäudekomplex der Kaserne in der Seilersbahn-/Huttenstraße, in
dem sich auch das Landesgefängnis befand. Beide mussten im Januar
1940 der Wehrmacht weichen, die hier ein eigenes Gefängnis
eingerichtet hat. (Anm. 16) Im Jahre 1925 wurde die Bezeichnung
Frauenstrafanstalt eingeführt. (Anm. 17) 3) Landesgefängnis bzw-
Landesstrafanstalt Das Landesgefängnis, das gemeinsam mit der
Weiberstrafanstalt im Gebäudekomplex des ehemaligen Zuchthauses,
der Kaserne in der Seilersbahn-/Huttenstraße, untergebracht war,
bekam diesen Namen erst im Jahre 1872. In der Zeit von 1864-1871
war es eine Hilfsstrafanstalt für das Zellengefängnis Bruchsal, in
die alle körperlich wie geistig Kranken eingewiesen wurden sowie
alle über 70 Jahre Alten und die, die 6 Jahre Einzelhaft erstanden
hatten und derselben nicht mehr unterworfen wurden. Doch auch mit
der neuen Namensgebung im Jahre 1872 änderte sich nichts am
Charakter des Gefängnisses als Zweigstelle des Zuchthauses, dessen
Verwaltung nach eigenem Ermessen Gefangene überweisen konnte. Erst
durch den Erlaß vom 31.8.1881, dessen Bestimmungen in die oben
erwähnte Verordnung vom 26.11.1883 übergegangen sind, wurde das
Landesgefängnis unabhängig vom Zuchthaus gestellt. (Anm. 18) Als
fast der ganze Komplex im Januar 1940 an die Wehrmacht abgetreten
wurde, verblieb die "Irrenabteilung", auch Psycha genannt, in der
Zuständigkeit der Justizverwaltung und somit der Vollzugsanstalt.
(Anm. 19) In der sog. "Psycha" wurde am 22.6.1944 eine Richtstätte
mit der Hinrichtung des Mannheimer Ehepaares Andreas und Emilie
Glock "eröffnet". Beschrieben wurden die Hinrichtungen der letzten
beiden Kriegsjahre von Sebastian Grundel, Bestattungsordner und
Friedhofsaufseher, dessen Memoiren sich im Stadtarchiv Bruchsal
befinden. (Anm. 20)
Überblick über die einzelnen
Strafanstalten nach Gebäuden: Seilersbahn-/Huttenstraße 1766 Bezug
der Kaserne zur Hälfte durch das Zuchthaus 1805 Zuchthaus (und
Arbeitshaus) komplett in der Kaserne a) 1848-1940
Weiberstrafanstalt (1925 umbenannt in Frauenstrafanstalt) b)
1864-1871 Hilfsstrafanstalt für das Zellengefängnis mit
Krankenabteilung 1872-1940 Landesgefängnis 31.8.1881 Unabhängikeit
vom Zuchthaus Jan. 1940-1.3.1945 Wehrmachtsgefängnis
Zuchthaus/Schönbornstraße, heutige Justizvollzugsanstalt (JVA) 1841
Baubeginn 1848 Bezug des Komplexes 1864-1872 Bezeichnung
Zellengefängnis Kislau 1819-1854 Vollzug der Festungsstrafe
(Staatsgefängnis) 1840-1857 polizeiliche Verwahrungsanstalt nach
1857 Arbeitshaus 1858 Zucht- und Arbeitshaus für "Weiber" 1864
Verkauf an den Bruchsaler Kaufmann Gros (Korsettfabrik) 1882
Rückkauf durch den badischen Staat 1933 Konzentrations-,
Schutzhaft- und Durchgangslager für ehemalige Fremdenlegionäre nach
Auflösung der Lager Heuberg und Ankenbuck Zentrallager für den
gesamten badischen Raum nach 1945 teilweise Landesaltersheim für
Flüchtlinge und Zweiganstalt der JVA Bruchsal 12.3.1970
Zweiganstalt der JVA Karlsruhe 1.4.1991 wieder der JVA Bruchsal
angegliedert
Bearbeiterbericht: Der
Bestand gelangte im Jahre 1992 im Rahmen einer Aktenaussonderung,
die die Unterzeichnete vor Ort durchführte, in das
Generallandesarchiv. Dabei wurde bei den Gefangenenpersonalakten ab
dem Jahr 1950 eine repräsentative Auswahl getroffen. Hier wurden
gemäß dem landesweiten Archivierungsmodell für Personalakten nur
die Buchstaben O und T übernommen sowie zusätzlich einige
Sonderfälle. Die Akten wurden von der Unterzeichneten verzeichnet,
wobei die Verzeichnung der Gefangenenpersonalakten der
Archivangestellte Klaus Jäger übernahm, der auch die Akten
entmetallisiert, signiert und in Archivboxen verpackt hat. Die
Eingabe der Titelaufnahmen besorgte Frau P. Hedden, die Korrekturen
und die Endredaktion übernahm die Unterzeichnete. Karlsruhe, im
September 1994 Andrea Rumpf
Konversion: Im Jahr 2015
wurde das Findmittel konvertiert. Die Endredaktion führte Sara
Diedrich im April 2016 durch. Dabei wurden die Gefangenbücher von
Frauen und Männern und deren Beilagen in die Verzeichnung
aufgenommen.
Anmerkungen und
Literaturverzeichnis: Anmerkungen 1 Appel S. 4 2 Stiefel S. 954,
Jagemann S. 5, Schweickert S. 34, Schlatter S. 93ff. 3 Stiefel S.
954 4 Appel S. 6 5 Appel S. 10f. 6 Appel S. 6f. 7 Appel S. 11f. 8
Dienstordnung § 2 9 Herzer S. 22, Kaufmann S. 90 10 Stiefel S. 952
11 Jagemann S. 15 12 Herzer S. 25, Schlatter S. 93 13 Herzer S. 33
14 Stiefel S. 954 15 Appel S. 4 16 Appel S. 7, Kaufmann S. 92, 94
17 Dienstordnung § 2 18 Appel S. 11 f. 19 Kaufmann S. 95 20
Kaufmann S. 33, 269 21 Kaufmann S. 251 ff. 22 Kaufmann S. 254 ff.
23 Kaufmann S. 95 24 Stiefel S. 953, 957 25 Stiefel S. 953 26
Staatshandbuch 1858 27 Stiefel S. 954 Literaturverzeichnis Appel,
Julius: Der Vollzug der Freiheitsstrafen in Baden, Allgemeine
Gesichtspunkte (Dissertation Universität Freiburg), Karlsruhe 1905.
Dienst- und Vollzugsordnung für die badischen Strafanstalten,
Amtliche Ausgabe, Karlsruhe 1925. Herzer, Fritz/Maas, Heinrich,
Dr.: Bruchsaler Heimatgeschichte, Bruchsal 1955. Hof- und
Staatshandbuch des Großherzogtums Baden 1858. Jagemann, Eugen, Dr.
von: Bericht über die Entwicklung und den Zustand des
Gefängniswesens im Großherzogtum Baden, erstattet an den dritten
internationalen Gefängnis-Congreß, Freiburg 1885. Kaufmann, Rainer:
Seilersbahn, Ein Weg Geschichte, Bruchsal 1989. Schlatter,
Georg-Friedrich: Das System der Einzelhaft in besonderer Beziehung
auf die neue Strafanstalt in Bruchsal. Stimme eines gefangenen über
Zuchthäuser, Mannheim 1856. Schweickert, Karl: Das badische
Strafedikt von 1803 und das Strafgesetzbuch von 1845. Ein Beitrag
zur Geschichte der deutschen Partikularstrafgesetzgebung im 19.
Jahrhundert, Dissertation Universität Freiburg 1903. Stiefel, Karl:
Baden 1648 bis 1952, Band II, Karlsruhe 1977.
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 311 Zugang 1992-15
- Extent
-
1021 Akten und Gefangenenbücher
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Neuere Bestände (vornehmlich ab ca. 1800) >> Justiz >> Justizvollzugsanstalten >> Bruchsal
- Date of creation of holding
-
(1778) 1831-1984
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- (1778) 1831-1984