Bestand

Hohentwiel, Festung und Kellerei (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Gliederung: Urkunden, Akten der Zentralbehörden, Akten der Festungskommandantur und Kellerei (herzogliche Befehle, Rechnungswesen, Schriftwechsel Konrad Widerholts, Festungskommando, Willkommbuch).

1. Geschichte von Festung und Kellerei Hohentwiel: Auf dem Hohentwiel entstand bereits im Frühmittelalter eine befestigte Burg der Herzöge von Schwaben. Unter Kaiser Otto III. gab es Versuche, die Burg in unmittelbaren Reichsbesitz zu überführen. Später gelangte die Burg in den Besitz der Zähringer und schließlich für mehr als 200 Jahre an die Adelsfamilie von Klingenberg. Im 16. Jahrhundert erwarb Herzog Ulrich von Württemberg zunächst ein Öffnungs- und später ein Nutzungsrecht für den Hohentwiel. Nach seiner Vertreibung durch den Schwäbischen Bund diente ihm die Burg zeitweilig als Zufluchtsort. Durch Kauf erwarb Herzog Ulrich den Hohentwiel nach seiner Rückkehr ins Herzogtum im Jahr 1538 durch die Zahlung von 12000 Gulden vollständig und baute die Burg zur Festung aus. Herzog Christoph erwarb schließlich die nahegelegene Domäne Bruderhof und erweiterte die Festung. Im Dreißigjährigen Krieg diente die weiterhin ausgebaute Festung Hohentwiel zeitweilig als letzte württembergische Bastion. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei der 1634 nach der Schlacht von Nördlingen zum Festungskommandanten ernannte Oberst Konrad Widerholt. Vom Hohentwiel als Stützpunkt aus beherrschte er während Besetzung Württembergs durch die kaiserlichen Truppen und des Exils Herzog Eberhards III. von Württemberg in Straßburg zeitweilig große Teile Oberschwabens und konnte die Festung trotz fünfmaliger Belagerung bis Kriegsende verteidigen und behauptete sich dabei sowohl gegen Bayern als auch gegen die Habsburger, insbesondere seine Hauptgegnerin Herzogin Claudia von Österreich-Tirol, die Teile Württemberg im Namen ihrer Kinder verwaltete. Der als Kriegsunternehmer agierende Widerholt schreckte dabei vor drastischen Mitteln wie Raub, Erpressung und einer Politik der verbrannten Erde nicht zurück und ging dabei auch Bündnisse mit Schweden und Frankreich ein. Auf der anderen Seite wurde die Festungsanlage von Widerholt weiter verbessert. Zu seiner Zeit wurden auch eine Windmühle und eine Festungskirche errichtet. Im Jahr 1650 konnte er den Hohentwiel offiziell an Eberhard III. zurückgeben. Aus diesem Anlass stiftete der Herzog auch das bekannte Hohentwieler Willkommbuch. Nach Kriegsende wurde die Festung weiter ausgebaut und diente zeitweilig auch als Staatsgefängnis. Auch sonst scheinen auf dem Hohentwiel mitunter raue Sitten geherrscht zu haben. Im Bestand sind zwei Hinrichtungen von Gardeknechten belegt, einmal wegen Mord bzw. Totschlags, einmal wegen Fahnenflucht. Insgesamt verlor der Hohentwiel aber im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert an Bedeutung. In den Revolutionskriegen gegen Frankreich wurde die Festung schließlich französischen Truppen übergeben, wurde geplündert und anschließend geschleift. Vizekommandant Friedrich von Wolff, der an Stelle des alternden Kommandanten Georg Bernhard von Bilfinger die eigentliche Verantwortung übernommen hatte, spielte dabei aus Sicht Herzog Friedrichs II. keine rühmliche Rolle, fiel in Ungnade und wurde anschließend wegen Feigheit degradiert und von einem württembergischen Kriegsgericht zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er nach Regierungsantritt König Wilhelms I. von Württemberg jedoch freikam. Die Festungsruine wurde im 19. Jahrhundert württembergisches Krongut und damit eine Exklave auf badischem Gebiet. Als solche wurde die Gemarkung 1849 der Stadt Tuttlingen angegliedert. In beiden Weltkriegen war auf dem Berg eine Fliegerwache stationiert. Durch französischen Panzerbeschuss wurde die frühere Festung, die am Ende des Zweiten Weltkriegs als Schutzunterkunft gedient hatte, im April 1945 erneut beschädigt. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden für die Erhaltung der Substanz größere finanzielle Mittel eingesetzt. Seit 1. Januar 1969 gehört die Gemarkung des Hohentwiel zur Stadt Singen, die Festungsruine hat hingegen den Status einer baden-württembergischen Staatsdomäne.

2. Geschichte und Verzeichnung des Bestandes: Der vorliegende Bestand Festung und Kellerei Hohentwiel nimmt in der Serie der topographischen Auslesebestände eine Sonderstellung ein. Er beinhaltet sowohl in Stuttgart entstandenes Schriftgut zentralbehördlicher Provenienzen als auch auf dem Hohentwiel selbst entstandene Akten der Kellerei und des Festungskommandos. Es handelt sich also um einen Mischbestand, der sich in einer Art Zwitterstellung zwischen altwürttembergischem Membrum und topographischem Auslesebestand befindet. Die Unterlagen setzen im Jahr der Vertreibung Herzog Ulrichs von Württemberg (1519) ein. Inhaltliche Schwerpunkte sind die stufenweise württembergische Erwerbung des Hohentwiel und insbesondere die Zeit der Kommandantur Konrad Widerholts während des Dreißigjährigen Krieges. Die Zeit des Alten Reichs von Herzog Ulrich bis zur Schleifung der Festung ist praktisch lückenlos dokumentiert. Angereichert wurde der Bestand außerdem mit den Prozessunterlagen gegen den Vizekommandanten von Wolff und Unterlagen über das Willkommbuch mit Nachakten bis 1929. Das von K. O. Müller 1949 angefertigte handschriftliche Repertorium wurde von Anna Maria Diener und Gabriele Makowitsch-Abdul in der 2. Jahreshälfte 2017 in die Datenbank ScopeArchiv eingegeben. Die Titelaufnahmen wurden dabei weitgehend beibehalten. Geringfügige sprachliche Anpassungen wurden vom Unterzeichneten im Rahmen der Endredaktion vorgenommen. Orts- und Personenindex wurden unter Verwendung von Normdaten neu angelegt. Der Bestand umfasst 32 Urkunden und 196 Büschel (Nr. 1-184). Da der Bestand oftmals aus Sammelakten mit verschiedenen Betreffen besteht wurden bereits von K. O. Müller zahlreiche Unterstufen gebildet, die nun nach ISAD (G) formiert wurden, so dass der Bestand insgesamt 609 Verzeichnungseinheiten umfasst. Er belegt 7,30 lfd. m Regalfäche. Stuttgart, im August 2018 Johannes Renz

Stadt- und Landkreise, Länderkennzeichen:
BC Landkreis Biberach
BL Zollernalbkreis
CW Landkreis Calw
ES Landkreis Esslingen
F Stadtkreis Frankfurt am Main
FN Bodenseekreis
FR Stadtkreis Freiburg/Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald
GER Landkreis Germersheim
HN Stadt- und Landkreis Heilbronn
KN Landkreis Konstanz
LB Landkreis Ludwigsburg
LI Landkreis Lindau
LÖ Landkreis Lörrach
MS Stadtkreis Münster/Westfalen
OG Ortenaukreis
RT Landkreis Reutlingen
RV Landkreis Ravensburg
RW Landkreis Rottweil
S Stadtkreis Stuttgart
SIG Landkreis Sigmaringen
TÜ Landkreis Tübingen
TUT Landkreis Tuttlingen
UL Alb-Donau-Kreis
VS Schwarzwald-Baar-Kreis
WT Landkreis Waldshut
[CH] Schweiz
[F] Frankreich
[S] Schweden

Sonstige Abkürzungen:
Abschr. Abschrift
aufgeg. Aufgegangen
Bd. Band
Beil Beilage
beschr. beschrieben(e)
betr. betreffend
Bl. Blatt
Bü Büschel
bzw. beziehungsweise
ca. circa
Dép. Département
Dr. Doktor
ff. fortfolgende
fl. Gulden
geb. geborene
Jh. Jahrhundert
Kt. Kanton
lb. Pfund
lfd. m laufende Meter
Lit. Litera
m. L. mit Lücken
Nr. Nummer
Qu. Quadrangel
S. Seite(n)
Schfl. Scheffel
Schr. Schriftstücke
St. Sankt
u. a. unter anderem, und andere
u. m. und mehr
Unterfasz. Unterfaszikel
v. a. vor allem
xr. Kreuzer

Liste der Kommandanten der Festung Hohentwiel:
1521 Ma(r)x Stumpf von Schweinberg
1522 Hans Heinrich von Reischach und Sebastian von Lier
1538 Hans Eben
1564 Adam Diemar
1567 Endres Sieser
1571 Hans Georg von Geeberg
1575 Abraham Kindsvater
1577 Jakob Haan
1598 Andreas Geisel
1607 Rudolf Reichardt
1617 Johann Wertwein
1619 Jakob Baur
1627 Wolfgang Friedrich Löscher
1634 Joachim von Rochau
1634 Konrad Widerholt
1650 Johann Georg von Widerholt
1672 David Roth
1692 Johann Heinrich Eckbrecht von Türkheim
1694 Johann Dietrich von Wiederhold
1713 Ludwig von Laval
1715 Johann Jacob von Linkensdorf
1729 Christian Ludwig von Schlewitz
1752 Karl August von Kommerstädt
1761 Philipp Joachim von Roman
1765 Ernst Ferdinand von Larisch
1780 Fridrich Karl von Gregoire
1786 Christof Friedrich von Gablenz
1794 Johann Karl Albrecht von Wolfskeel
1797 Georg Bernhard von Bilfinger
1799 Friedrich von Wolff, Vizekommandant

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 360
Umfang
32 Urkunden, 196 Büschel (7,30 lfd. m)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Topographische Auslesebestände und Bezirksbehörden >> Oberämter, Kellereien und Geistliche Verwaltungen >> Heimsheim - Winnenden

Indexbegriff Ort
Hohentwiel (Staatsdomäne und Festung bzw. Festungsruine) : Singen (Hohentwiel) KN

Bestandslaufzeit
1519-1805, 1900-1929

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1519-1805, 1900-1929

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