Bestand

Weltliche Lagerbücher: OA Liebenzell (Bestand)

0.1 Zur Geschichte des Amtes Liebenzell: Liebenzell wurde 1091 erstmals urkundlich erwähnt und geht auf eine Gründung des Klosters Hirsau zurück. In der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts kam der Ort in die Vogtei der Herren von Eberstein und ging 1273 nach einem kurzen Interregnum des Deutschen Ordens in badischen Besitz über. Liebenzell erscheint im fünfzehnten Jahrhundert als Amt und als Sitz eines Vogtes. Im großen Austausch von 1603 ging Liebenzell an Württemberg und blieb Sitz eines eigenen Amtes. Hintergrund für den Austausch war die hohe Verschuldung des Markgrafen, der neben einigen ehemals württembergischen Kellereien eine beträchtliche Geldsumme erhielt. Zum Zeitpunkt des Übergangs umfasste das Amt Liebenzell neben der Amtsstadt insgesamt vierzehn Dörfer und Weiler, unter anderem die Orte Haugstetten, Beinberg, Bieselsberg, Ober- und Unterlengenhardt, Maisenbach, Ernstmühl, Dennjächt, Schwarzenberg, Collmbach, Igelsloch, Schömberg, Monakam und Reichenbach. Damit rangierte das Amt Liebenzell im Herzogtum Württemberg unter den kleineren Ämtern. Bekannt wurde Liebenzell bereits im fünfzehnten Jahrhundert wegen seiner heilenden Quellen, wodurch der Badebetrieb auch eine wirtschaftliche Bedeutung erlangte. Die Badekultur geriet in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts in eine Krise und wurde erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wiederbelebt. Das Oberamt Liebenzell wurde 1807 aufgelöst und gemeinsam mit den Oberämtern Hirsau und Zavelstein zunächst dem Oberamt Calw unterstellt und 1810 in das Oberamt Neuenbürg inkorporiert. 1842 kehrten die Stadt Liebenzell und einige Gemeinden wieder in das Oberamt Calw zurück, das 1934 in den Landkreis Calw umbenannt wurde. Mit der Kreisreform 1973 wurde der Landkreis dem Regierungspräsidium Karlsruhe und damit dem badischen Landesteil zugeschlagen.

0.2 Zur Geschichte und Ordnung des Bestandes: Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 0.2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außen-vermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 0.2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 0.2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 0.2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 0.2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. Nach Abgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereint der heutige Bestand H 101, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe.

0.3. Zur Verzeichnung des Bestandes: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den gesamten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Die entsprechende Verzeichnung für das Oberamt Liebenzell wurde 1955/56 von G. Storz im Konzept fertiggestellt und später fortlaufend ergänzt. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den Richtlinien vorgesehene systematische Neuerfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Aufgenommen werden lediglich die bereits erfassten Reskripte. Diese werden im "Enthält-Vermerk" ausgewiesen und bei der Gesamtlaufzeit des Bandes berücksichtigt. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer, 2. Titel, 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz, 4. eventuelle Register, 5. Renovator(en), 6. Inhalte und Darstellungsweise, 7. Orte, 8. Urkunden, 9. äußere Bandbeschreibung, 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte, 11. Vorsignaturen, 12. Umfang, 13. Jahr der Anlage. Die Angaben zum Titel orientieren sich soweit als möglich an den auf den Vorsatzblättern zu findenden Innentiteln der Bände. Weiterhin erfolgte eine Neusignierung entsprechend dem gängigen Signaturschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände eines Bestandes ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/34 übernahm im Dezember 2008 unter Anleitung des Unterzeichneten der Archivreferendar Joachim Brüser. Die Endredaktion gestaltete der Unterzeichnete. Der Bestand umfasst nun 14 Bände, in denen 30 Urkundenabschriften ausgewiesen sind, bzw. 1,50 Regalmeter. Stuttgart, im März 2009 Franz Moegle-Hofacker

0.4 Literaturverzeichnis: - Dagmar Kraus, Lagerbücher als Quelle der Amts- und Ortsgeschichte - Aspekte der Auswertung von Urbaren des 15. bis 17. Jahrhunderts am Beispiel der Lagerbücher des Amts Liebenzell (mit einer Edition der Lagerbücher von 1606-1910), Stuttgart 1995. - Gregor Richter, Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg; 36), Stuttgart 1979.

Korrespondierene Bestände: - A 206 - Oberrat: Ältere Ämterakten (1500 - 1748) - A 213 - Oberrat: Jüngere Ämterakten (Spezialakten / 1476 - 1817) - A 249 - Rentkammer: Ämterakten (Spezialakten / 1557 - 1807) - A 371 - Liebenzell, W und G (1502 - 1785) - A 371 a L - Liebenzell W (1551 - 1807) - A 371 b L - Liebenzell G (1641 - 1808) - H 102/ 44 - Lagerbücher - Geistliche Verwaltung Liebenzell

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/34
Umfang
14 Bände, Bestellnummern: Band 1-14

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)

Bestandslaufzeit
1606-1807

Weitere Objektseiten
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1606-1807

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