Bestand

Landkommissariat Wertheim (Bestand)

Inhalt und Bewertung

Der Bestand enthält Unterlagen des Landkommissariats, der in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts für die gesamte Grafschaft zuständigen Unterbehörde. Zu den Aufgaben des Landkommissariats gehörte die Steuererhebung, es diente als Polizeibehörde und war als Landgericht 1. Instanz bei zivil- und strafrechtlichen Fällen.

1. Das Landkommissariat der Grafschaft Wertheim: Das gemeinschaftliche Landkommissariat Wertheim war als untere Behörde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts das für die gesamte Grafschaft zuständige Landamt. Man war zuständig für die gemeinschaftlich erhobene Schatzung, die Zahlungen der Grafschaft an Kreis und Reich sowie die hiermit zusammenhängenden militärischen Leistungen, diente als Polizeibehörde und fungierte als 1. Instanz der Grafschaft in zivilrechtlichen Streitigkeiten. Vorgesetzte Behörde(n) war(en) die Regierung(en), denen das Kommissariat berichtete und von denen es Weisungen empfing, nachgeordnet waren die Schultheißen der einzelnen Dörfer, denen das Kommissariat Weisungen erteilte. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Gericht übernahmen die Kommissare auch Funktionen in den alten Hochgerichten der Zent Wertheim, die zur schließlichen Auflösung der Zentgerichte beigetragen haben dürften. Um 1680 scheint man sich in einem Übergangszustand befunden zu haben: Oberschultheiß, Zentschreiber und Stadtschreiber verhandelten Zentfälle und führten ein entprechendes Protokoll (G-Rep. 102 Nr. 5981, vgl. auch R S 7 und F R 78). Den Aufgaben entsprechend wurden die Kommissare auch als Oberschultheißen, das Kommissariat auch als Landgericht bezeichnet. Das Landkommissariat hat offenbar nicht über eine eigene Registratur verfügt. Aussagen über seine Aufgaben, seine Arbeitsweise und die Dauer seines Bestehens sind daher nur annäherungsweise möglich. Erhalten ist, sieht man von einigen Konzepten und Protokollen sowie Weisungen der Regierung(en) ab, überwiegend Schriftgut der Kommissare. Diese werden mal als Gruppe, mal als Einzelperson angesprochen und lassen die von ihnen vertretene Behörde kaum deutlich werden. Andererseits geht schon aus den Weisungen der Regierung(en) an das Landkommissariat klar hervor, dass es ein solches gegeben hat. In der Regel bestand das Kommissariat aus mindestens zwei Kommissaren, die von den beiden gräflichen Linien (Ludwig Moritz, + 1741, und Heinrich Friedrich, + 1721, und Söhne) gestellt wurden. Diese waren meist in Personalunion als Keller tätig, so dass die untere Wirtschafts- und Amtsverwaltung in einer Hand lag - eine verwaltungstechnisch sinnvolle Regelung, die aber auch zeigt, wie wenig die Differenzierung nach Behörden in einem kleinen Kondominat wie der Grafschaft Wertheim letztlich bedeutete. Für die Untertanen wie für das Funktionieren der Verwaltung dürfte auch im 18. Jahrhundert die Person des jeweiligen Amtsinhabers noch wichtiger gewesen sein als die Gliederung der Behörden. Albrecht Craft Scheuermann diente Graf Heinrich Friedrich und dessen Söhnen von 1717 bis 1742 als Kommissar und Keller (1), auf der Seite des Grafen Ludwig Moritz war Theodor Crato Greineisen in den zwanziger Jahren in beiden Funktionen tätig. Er wurde als Keller abgelöst von Johann Georg Reuss, der ebenfalls gelegentlich als Kommissar firmiert, auf den 1733 Johann Peter Müller folgte, der bis 1741 als Kommissar Ludwig Moritz' fungiert. Diese beiden gräflichen Kommissare wurden mitunter ergänzt durch einen Kommissar der fürstlichen Linie von Löwenstein-Wertheim-Rochefort. Als solcher ist besonders Christoph Bernhard Vaconius zu nennen, der seinerseits den Fürsten auch als Sekretär diente. Inwieweit diese Dreierbesetzung des Landkommissariats regelhaft war und es sich damit um eine echte Kondominatsbehörde aller drei wertheimischen Linien dieser Zeit handelte, muss derzeit dahingestellt bleiben. Bis auf weiteres erscheint es eher angemessen, von einem Gräflichen Landkommissariat Wertheim zu sprechen und den Bestand im Freudenbergischen Archiv anzusiedeln. Mit dem Namen Vaconius gelangt man zur Entstehungsgeschichte des Landkommissariats bzw. zu dem Wenigen, das sich hier sagen läßt. Aus dem Jahr 1751 datiert eine Schrift (2), in der der fürstliche Kommissar T. A. F. Vaconius über seine Arbeitsüberlastung klagt und in diesem Zusammenhang auf seinen Vorfahr verweist, "welcher zu Endt vorigen Saeculi in diensten gekommen" - demnach wäre das Kommissariat in den Jahren vor1700 entstanden. Ausgangspunkt könnte der Tod des letzten gemeinschaftlichen Oberschultheißen der Grafschaft Wertheim Jacob Cuntz um 1687 gewesen sein. Die Einnahme der Schatzung wurde jetzt nicht mehr gemeinschaftlich, sondern von beiden Linien mit eigenen Leuten betrieben, die auch als Schatzungskommissare bezeichnet wurden. Aus dem Jahr 1702 sind erste Rechnungsunterlagen des Kommissariats erhalten (StAWt-F R 78), in denen die Kommissare Vaconius und Johann Philipp Deahna sich zunächst ausschließlich um militärische Belange kümmern (3). Diese militärischen Aufgaben, ohnehin mit den Schatzungsangelegenheiten eng verknüpft, dürften eine weitere Wurzel des Landkommissariats sein. Der Begriff des Kriegskommissars war seit dem 17. Jh. in Preußen geläufig, und auch beim fränkischen Reichskreis wurden Kriegskommissare ernannt. In Wertheim waren diese Kommissare zuständig für das Wertheimer Kreiskontingent, die vom Kreis beschlossenen Einquartierungen und Soldatendurchmärsche in der Grafschaft sowie die an Kreis und Reich zu entrichtenden Beiträge. Alle diese Verpflichtungen lasteten auf der Grafschaft als Ganzem und machten die Zusammenarbeit der Löwenstein-Wertheimer Linien unumgänglich. Aus diesem Kommissariat ist dann, so kann man vermuten, in den Jahren bis 1710 unter Erweiterung der Kompetenzen das Landkommissariat entstanden. Dass die beiden Virneburger Linien nach etwa 1700 nicht mehr einen gemeinschaftlichen, sondern jeder einen Kommissar bestellten, paßt zur Entwicklung in der Wirtschaftsverwaltung, bei der es ebenfalls in diesen Jahren zur Entwicklung zweier separater Kellereien kam. Besondere Anweisungen an die Untertanen, sich in bestimmten Angelegenheiten nur an Kommissariat oder Regierung zu wenden, scheint es nicht gegeben zu haben. An beide Behörden werden z. B. Eingaben mit der Bitte um Nachlass bei der Schatzung gerichtet. Die Regierung versah solche Eingaben in der Regel mit der Weisung, über die Sache zu berichten, und gab sie weiter ans Kommissariat. Nach 1741 scheint das Kommissariat zumindest in seiner gemeinschaftlichen Form außer Gebrauch gekommen zu sein. Nachdem Fürsten und Grafen in den 1750er Jahren je eigene Landkommissare bestellt hatten, bildeten diese erst 1765 wieder ein gemeinschaftliches Landamt Wertheim, zuständig für die iurisdictionalia tam civilia quam criminalia, militaria et politica (4). Diese Funktionen dürften sich von denen des Landkommissariats nach 1700 nicht gravierend unterscheiden. Interessant für die Gerichtsverfassung der Grafschaft, in der es im Alten Reich nicht zur Trennung von Justiz und Verwaltung kam, ist die Feststellung des fürstlichen Kommissars Vaconius in seiner bereits erwähnten Schrift von 1751 (5), bei zivilrechtlichen Streitigkeiten wie Ehe-, Erbschafts- und Vormundschaftssachen habe es früher eine Streitwertbegrenzung auf 20 Gulden gegeben, für alle wertvolleren Prozessgegenstände sei von vornherein die Regierung als 1. Instanz tätig geworden. Um seine Arbeitsüberlastung einzudämmen schlägt Vaconius vor, zu einer solchen Regelung bei einem Betrag von 30 Gulden zurückzukehren. Die Dorfgerichte der Schultheißen sollen dagegen nur bis zu einem Betrag von fünf Gulden urteilen dürfen. Das Landkommissariat wäre demnach je nach Streitwert erste oder zweite Instanz der wertheimischen Gerichte gewesen. Ein besonderer Behördensitz läßt sich für das Kommissariat derzeit nicht nachweisen. Fest steht nur, dass die Kommissare ihre Tätigkeit als Zentgericht im Wertheimer Zenthaus ausübten. Die Besetzung des Landkommissariats: Rosenberger Linie 1697 Labberger, Johann Adam 1699- Vaconius vor 1710-1715 Kirris 1716-1728 Vaconius, Christoph Bernhard 1734-1751 Vaconius, Tobias Andreas Franziscus Graf Ludwig Moritz (+ 1741) Banauch, Wolfgang 1699 Semmler, H. 1700/01/-05 Deahna, Philipp 1711 Allgeier 1712- Firnhaber, Johann Bernhard 1722-1726 Trincks (?) 1727-1728 Greineisen 1735-1741 Müller Graf Heinrich Friedrich (+1721) und Söhne 1713- Scheuermann (?) 1717-1742 Scheuermann

2. Zum Bestand: Der Bestand wurde gebildet aus einem 2000/2001 von Dr. Meier verzeichneten Freudenberger Restbestand. Seine Bildung geschah trotz der oben geschilderten Schwierigkeiten, das Landkommissariat überhaupt als Behörde zu fassen. Die untere Verwaltungsbehörde der Grafschaft Wertheim der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sollte auch in den Strukturen des Archivs greifbar sein. Vor allem bei Unterlagen des Kommissars und Kellers Scheuermann war eine Abgrenzung seiner verschiedenen Funktionen kaum möglich. Sein Nachlass ist daher im Ganzen in den Bestand eingegangen und im Vorprovenienz-Feld als solcher markiert. Gleiches gilt für den Kommissar Johann Peter Müller des Grafen Ludwig Moritz. Bei diesen beiden erwies sich auch die Bildung von Korrespondentenakten als unvermeidlich. Bei den Gerichtsakten dagegen wurde eine Erschließungstiefe nahe der Einzelblattverzeichnung gewählt. Hier dürfte den Unterlagen des Landkommissariats nach der Kassation der "Criminalia-" Bestände im Freudenberger wie im Rosenberger Archiv Bedeutung als Ersatzüberlieferung zukommen. Erhalten haben sich meist zwar nur Weisungen der Regierung oder einzelne Verhörprotokolle, aus diesen lassen sich aber immerhin Streitgegenstand und Prozessgegner entnehmen. Diese Unterlagen bilden daher die größte Gruppe der Klassifikation. Akt Nr. 37 enthält ein Büschel "Rugzettel", das heißt Anzeigen einzelner Delikte aus den Dörfern beim Zentgericht. Beim Klassifikationspunkt 3 "Militaria" sei auf den Bestand Rep. 163 "Kriegssachen" im Freudenbergischen Archiv verwiesen. Die Provenienz Landkommissariat ist in diesem Bestand zwar nicht direkt nachzweisen, er enthält aber Schriftgut z. T. unklarer Provenienz zu den gleichen Betreffen (Listen wehrfähiger Männer, Einquartierungen). Ansonsten entsprechen Klassifikation und Inhalt des Bestandes dem, was man in einem Amtsbestand erwarten kann. Die Laufzeit der Unterlagen reicht ohne Vor- und Nachakten von 1702 bis 1743. Der Bestand umfaßt 1 lfd.m Schriftgut in 159 Nummern. Bronnbach, im Januar 2001. Robert Meier

3. Nachträge: Nachtrag 2008: vgl. die Oberschultheißen-Protokolle in StAWt R-S 7. Nachtrag Januar 2023: Dem Bestand wurde eine Akte aus dem Gemeinschaftlichen Archiv zugewiesen, die bei der Erschließung des dortigen Nachtragsbestandes G-Rep. 102 aufgefunden und zunächst dort enthalten geblieben ware (jetzt F-Rep. 224 Nr. 160; alt G-Rep. 102 Nr. 6081). Der Nachtragsbestand F-Rep. 224 umfasst nun 160 Einheiten. Dr. Monika Schaupp, 17. Januar 2023

4. Anmerkungen: (1) Darüberhinaus fungierte Scheuermann als Sekretär, versah das Forstamt, wurde 1741 Kammerrat und nahm als Gesandter der witwe Amöna Sophie an Sitzungen der gemeinschaftlichen Konferenz in Obersontheim teil. Als französische Titulaturen kommen bei ihm commissaire de pays oder commissaire provincial, bailif und Maitre d'hotel vor. (2) StAWt R-NL 15 Nr. 531 und 594. (3) Ebenfalls in diesen militärischen Rahmen gehört ein Schreiben an Deahna und Vaconius aus dem Jarh 1702 (Nr. 136). In diesem Zusammenhang ist wohl auch der löwenstein-wertheim-rochefortsche Landkommissar und Oberschultheiß Johann Philipp Kirris zu sehen, von dem nur noch eine undatierte Abschrift seiner bestallungsurkunde (R-Lit. B Nr. 44) sowie ein Protokoll von 1713 (Nr. 130) künden; vgl. hierzu Hofmann, Einleitung S. 32 Anm. 6. (4) Vgl. Hofmann, S. 32. (5) StAWt R-NL 15 Nr. 531 und 594.

5. Literatur: Hofmann, Norbert: Inventar des löwenstein-wertheim-rosenbergschen Karten- und Planselekts im Staatsarchiv Wertheim 1725-1835 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 43), Stuttgart 1983.

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim, F-Rep. 224
Extent
1,0 lfd.m in 160 Einheiten

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim (Archivtektonik) >> Freudenbergisches Archiv >> Lokalverwaltung

Date of creation of holding
1692-1762

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Last update
25.03.2024, 1:33 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1692-1762

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