Bestand

Finanzministerium Württemberg-Hohenzollern: Abteilung Vermögenskontrolle und Württembergische Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Die Verwaltung der ihr unterstellten Vermögenswerte konnte die Abteilung Vermögenskontrolle der Württembergischen Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbh in Tübingen (WVT) übertragen, die am 5. Juli 1946 durch die Landesdirektion der Finanzen zum Zweck der Einziehung und Verwaltung des im Zuge der politischen Säuberung beschlagnahmten Vermögens gegründet worden war. Diese eingezogenen Vermögenwerte wurden später zu Gunsten des Sondervermögens für die Wiedergutmachung verwertet. Die Verwaltung des Wiedergutmachungsfonds oblag ebenfalls der WVT; sie durfte jedoch nicht über die Mittel des Fonds verfügen, sondern zahlte sie auf Anforderung des Amtes für Wiedergutmachung lediglich aus. Die Leitung der WVT teilten sich drei Geschäftsführer, ein hauptamtlicher und zwei nebenamtliche, die jeweils die beiden Leiter der Abteilung Vermögenskontrolle waren. Ihr Beirat setzte sich zusammen aus dem Finanzminister oder seinem Vertreter im Amt als Vorsitzendem, dem Wirtschaftsminister als 1. Stellv. Vorsitzendem, dem Staatssekretär für die politische Säuberung als 2. Stellv. Vorsitzendem, zwei vom Staatsministerium bestellten Landräten, zwei Gewerkschaftsvertretern und einem von der Handelskammer benannten Vertreter.
Auf Anordnung der Militärregierung, Section Finances - Contrôle des Biens - übertrug die Abteilung Vermögenskontrolle mit Wirkung vom 28. August 1947 auch die Verwaltung des gesamten NS-Parteivermögens der WVT. Die WVT war damit Verwalter aller dieser Vermögenswerte im Sinne der Allgemeinen Anweisung Nr. 2 der Militärregierung vom 1. April 1947 über die Zwangsverwaltung von Vermögen.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31. Oktober 1953 wurde die Württembergische Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbh, Tübingen, zum 31. März 1954 aufgelöst. Die anschließende Liquidation konnte am 30. Juni 1956 beendet werden. Die Verwaltung des verbliebenen Sondervermögens für die Wiedergutmachung in Höhe von 858.421,95 DM (von insgesamt ca. 4,75 Millionen DM seit Juni 1948) wurde dem Badischen Wiedergutmachungsfonds in Freiburg i.Br. übertragen, während die Verwaltung und Verwertung des Restvermögens inklusive der Geschäftsbücher und -unterlagen an die Oberfinanzdirektion Stuttgart, Landesvermögens- und Bauabteilung gingen (Wü 120 T 4, Nr. 882).
Bereits am 30. April 1954 wurde die Zwangsverwaltung über das von der WVT verwaltete Vermögen der "Neuen Heimat" Wohnungs- und Siedlungs-GmbH der ehemaligen DAF in Friedrichshafen aufgehoben.
Wesentlich komplizierter dagegen gestaltete sich die endgültige Regelung der Vermögensverhältnisse jener Unternehmen, die bei der WVT unter der Zentralverwaltung der Württembergischen Ölschieferwerke Dotternhausen zusammengefasst waren. Dazu gehörten die Deutsche Ölschiefer-Forschungsgesellschaft mbH, Schömberg (DÖLF), die Lias-Ölschiefer-Forschungsgesellschaft mbH, Frommern, die Kohle-Öl-Union v. Busse KG (KÖU), Schörzingen, die Deutsche Bergwerks- und Hüttenbau GmbH, Schömberg (DBHG) sowie das Portlandzementwerk Dotternhausen. Gemeinsames Ziel der vier erstgenannten Unternehmen war die Gewinnung von Schieferöl aus dem sogenannten Lias epsilon oder Posidonienschiefer, der am Nordtrauf der schwäbischen Alb in größeren Mengen vorkommt. Vor allem nach dem Verlust der rumänischen Ölfelder spitzte sich der Engpass in der Treibstoffversorgung der Deutschen Truppen dramatisch zu. Die seit Herbst 1943 eingerichteten Versuchsanlagen der DÖLF (Schömberg), Lias (Frommern) und KÖU (Schörzingen) wurden von September 1944 bis April 1945 in einem Großprojekt unter dem Decknamen "Unternehmen Wüste" zusammengefasst, das zehn Fabriken umfassen und nach dem Aufbau durch die DBHG und die Organisation Todt (OT) von der DÖLF betrieben werden sollte.
Die Hauptlast des südwürttembergischen Schieferölprogramms trugen neben Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern mehrere tausend KZ-Häftlinge, die in sieben eigens eingerichteten Außenstellen des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof untergebracht waren (Schö mberg, Schörzingen, Frommern, Erzingen, Bisingen, Dautmergen und Dormettingen) und unter unmenschlichen Bedingungen für den Aufbau der Werke eingesetzt wurden.
Bis Kriegsende konnten jedoch lediglich 1500 Tonnen Öl gewonnen werden. Die ursprünglichen Rentabilitätsberechnungen stellten sich als zu ungenau heraus. Von den französischen Besatzern wurden die vier Ölschieferunternehmen sowie das Portlandzementwerk im Juni 1945 beschlagnahmt, unter Zwangsverwaltung gestellt und in einer Zentralverwaltung der Württembergischen Ölschieferwerke mit Sitz in Dotternhausen zusammengefasst. Als Verwalter wurde der Chemiker Capitain Couderc eingesetzt. Die Franzosen erhofften sich insbesondere von der Fortführung der Ölschieferverschwelung des Lias-Werks in Frommern eine gewinnbringende Produktion von Schieferöl. Die geringe Ölausbeute in den Werken brachte keine Kostendeckung, so dass bis auf Frommern, wo inzwischen eine Raffinationsanlage errichtet worden war, alle Werke stillgelegt wurden. Im Januar 1948 schließlich wurde die französische Zwangsverwaltung aufgehoben und an die WVT übertragen. Der bisherige Verwalter Couderc erhielt allerdings von der Militärregierung die Funktion eines technischen Kontrolloffiziers der Ölschieferwerke, die er - mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet - bis Mitte November 1948 so ausgeübt hat, dass alle wichtigeren Entscheidungen seiner Zustimmung bedurften. Nach dem Übergang in die deutsche Verwaltung drohte auch der Lias das Aus. Nach einem Beschluss des Landtags von Württemberg-Hohenzollern wurden jedoch Hilfsmittel in Form von Krediten genehmigt, nicht zuletzt, um den dort beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitsplätze zu erhalten. Im Herbst 1949 sperrte das Land allerdings die Auszahlung der zweiten Kreditrate in Höhe von 1,5 Million DM, da trotz des sprunghaften Umsatzanstiegs und einer mittlerweile offensichtlich erreichten Rentabilität nicht angenommen werden konnte, dass die Lias in den kommenden Jahren ohne Zuschüsse würde arbeiten können. Das Werk Frommern wurde schließlich stillgelegt und die Lias zum 8. November 1949 aufgelöst. Die Abwicklung zog sich noch bis 1959 hin.
Am 16. Dezember 1949 ging die Firma Portlandzementwerke in Dotternhausen wieder an ihre ehemaligen Eigentümer über. Am 3. September 1954 wurde die Zwangsverwaltung über das Baubüro Balingen der Deutschen Bergwerks- und Hüttenbau GmbH (DBHG) und am 28. Dezember 1954 jene über das Vermögen des ehemaligen Betriebs Schörzingen der Firma Kohle-Öl-Union von Busse u.Co KG in Liquidation aufgehoben.
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Vgl. ferner zur Behördengeschichte die Angaben zu Bestand Wü 120 T 3
Inhalt und Bewertung
Bearbeiterbericht
Während die Unterlagen der einzelnen Kreisämter im Bestand Wü 120 T 3 vereint sind und dort nach Kreisämtern geordnet erschlossen werden, umfasst der mit dem vorliegenden Findbuch erschlossene Bestand Wü 120 T 4 die Akten der Abteilung Vermögenskontrolle im Finanzministerium Württemberg-Hohenzollern (bzw. seit 1952 der Oberfinanzdirektion Stuttgart), der Württembergischen Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH sowie der dieser nachgeordneten Zwangsverwaltungen mit insgesamt 1201 Titelaufnahmen im Umfang von 25,5 lfd.m bei einer Laufzeit von 1945 bis 1959 (mit Vorlaufzeiten ab 1902 und Nachlaufzeiten bis 1985). Während der Erschließung wurden die unbewertet übernommenen Unterlagen einer Nachbewertung unterzogen, aufgrund derer vor allem Kontoauszugsbände und Rechnungsbelege im Umfang von mehreren lfd.m vernichtet wurden.
Die Titelaufnahmen wurden in den Jahren 2000 - 2002 unter Anleitung des Unterzeichneten durch die studentischen Praktikanten und Praktikantinnen Miriam Bender, Saskia Dumayne, Annette Grabowsky, Bernhard Graß, Stefan Kötz und Bettina Ohler erstellt.
Sigmaringen, den 31.7.2002
Dr. Franz-Josef Ziwes

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 120 T 4

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen (Archivtektonik) >> Südwürttembergische Bestände >> Finanzen >> Finanzministerium Württemberg-Hohenzollern

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
24.02.2022, 13:39 MEZ

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