Eine kleine architektonische Zeitreise: Bamberg und das Mittelalter
Von Domenic Städtler (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Das oberfränkische Bamberg ist nicht nur für sein hervorragendes Bier bekannt. Auch der sagenumwobene Bamberger Reiter lockt Tourist*innen in die Stadt und gibt nicht nur Historiker*innen Rätsel über seine Identität auf.
Wussten Sie, dass Bamberg sogar einen Papst stellte? In den Jahren 1046 und 1047 trug der vormalige Bamberger Bischof Suidger den Fischerring am Finger – und hat unter dem Pontifikalnamen Clemens II. als einziger Papst seine Grablege nördlich der Alpen. In Bamberg lässt sich das Mittelalter hautnah erleben. Grund genug also, der UNESCO-Welterbestadt einmal unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen und sich zu einer Zeitreise in das Mittelalter entführen zu lassen.
Erstmalig erwähnt wird Bamberg unter dem Namen Castrum Babenberch. Dieses lag auf dem heutigen Domberg. Das Adelsgeschlecht der Babenberger, die die namensgebende befestigte Siedlung (Castrum) damals bewohnten, trugen eine blutige Fehde mit dem Adelsgeschlecht der Konradinern aus – und unterlagen. Das Castrum Babenberch fiel in Folge dessen an die Konradiner und gelangten schließlich durch kaiserliche Schenkung an den bayrischen Herzog Heinrich den Zänker (951 – 995), den Vater des späteren Kaisers und Bistumsgründers Heinrich II. (973 – 1024).
Der Bamberger Dom
Im Jahr 1007 gründeten Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde das Bistum Bamberg bei einer Reichssynode in Frankfurt am Main. Noch im selben Jahr begann der Bau des Kaiserdoms auf dem Domberg, der im Jahr 1012 zum Geburtstag von Heinrich II. eingeweiht wurde. Zu Hauptpatronen wurden neben der Gottesmutter Maria der Heilige Petrus und der legendäre Drachentöter Georg gewählt. Im Laufe der Geschichte brannte der Dom zweimal ab – das heute zu besichtigende Gebäude ist also schon der dritte Dom. Die Einweihung dieses dritten Sakralbaus erfolgte im Jahr 1237 unter dem Bischof Ekbert von Andechs-Meranien (1173 – 1237). Die Gestalt des sogenannten Ekbertdoms ähnelt stark der des einstigen Heinrichsdoms, der zweifellos als Vorlage für den Wiederaufbau gedient hatte.
Der Bistumsgründer und seine Frau waren Zeit ihres Lebens mit Bamberg zutiefst verbunden. Kein Wunder also, dass sie auch im Bamberger Dom ihre letzte Ruhestätte fanden. Bis heute befinden sich die Gebeine des Kaiserpaars in einem prunkvollen Hochgrab, das um 1500 vom renommierten Bildschnitzer Tilman Riemenschneider (1460 – 1531) geschaffen wurde. Auf der Nord- und Südseite des Kaisergrabs werden jeweils Legenden aus ihrem Leben bildlich verarbeitet. So musste die arme Kunigunde – welch grausige Vorstellung – im Rahmen eines Gottesurteils barfuß über glühende Pflugscharen laufen, um ihre Unschuld zu beweisen. Ebenso findet das Leiden von Kaiser Heinrich an einem Nierenstein auf dem Relief seines Grabes Ausdruck. Die Schädel des Kaiserpaars befinden sich im Übrigen nicht im Kaisergrab. Diese werden in einer eigenen Kapelle innerhalb des Doms als besondere Reliquien verehrt.
Richten wir vom Kaisergrab aus den Blick schräg nach oben, so erblicken wir dort eine Skulptur, für die Bamberg besonders bekannt ist: den Bamberger Reiter. Am südöstlichen Chorpfeiler befindet sich dieses lebensgroße Reiterstandbild aus dem frühen 13. Jahrhundert. Die Identität des Reiters ist bis heute ungeklärt und lässt unserer Fantasie freien Lauf. Ist womöglich König Stephan I. von Ungarn (975 – 1038) dargestellt? Dieser soll, so die Legende, zu Pferde in den Bamberger Dom galoppiert sein, um dort die heiligen Sakramente der Taufe zu empfangen. Oder ist die Skulptur als König Philipp von Schwaben (1177 – 1208) zu deuten, der im Jahr 1208 in Bamberg ermordet wurde? Oder blickt uns sogar Christus selbst entgegen? In jedem Fall ist und bleibt der Bamberger Reiter ein Mysterium – und gilt zurecht als die berühmteste Skulptur im Bamberger Dom.
Im Bamberger Dom verdient neben dem Papstgrab noch ein weiteres Grab unsere Aufmerksamkeit: das Grab von Papst Clemens II. Der einstige Bamberger Bischof Suidger hatte einen Herzenswunsch: Er wollte in Bamberg bestattet werden. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Auf dem Fries des Papstgrabes sind die vier Kardinaltugenden Klugheit, Mäßigkeit, Stärke und Gerechtigkeit dargestellt. Das Papstornat selbst befindet sich in perfektem Zustand und wird heute im Diözesanmuseum verwahrt. So eine Nähe zum mittelalterlichen Papsttum findet sich wohl schwerlich in einer anderen deutschen Stadt.
Die alte Hofhaltung
Auf dem Domberg sind noch weitere Spuren des Mittelalters zu finden. Die Alte Hofhaltung befindet sich unweit des Doms und wurde über der Kaiserpfalz von Heinrich II. erbaut. Sie diente unter anderem als Wohnstätte der Bamberger Bischöfe. Diese Bischofspfalz bestand ursprünglich aus dem sogenannten Palas (ein repräsentativer Saal) und der Thomaskapelle, einer Doppelkapelle mit Chorturm. Der einstöckige Palas wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut, dann aber im 16. Jahrhundert durch den heutigen Renaissancebau ersetzt. Reste des mittelalterlichen Palas sind aber auch heute noch erkennbar. Die Fachwerkhäuser im Innenhof der Alten Hofhaltung stammen aus dem späten 15. Jahrhundert. Beim Anblick dieses Gebäudekomplexes denkt kaum jemand daran, dass dieser Ort einst mit Blut besudelt wurde: Hier geschah im Jahr 1208 ein weltbewegendes Ereignis: Der deutsch-römische König Philipp von Schwaben wurde vom bayrischen Pfalzgrafen Otto VIII. von Wittelsbach (1180 – 1209) ermordet.
Vor der Alten Hofhaltung befindet sich ein repräsentatives Prachtportal: die „Schöne Pforte“. Das Relief dieses Portals wurde vom Bildhauer Pankras Wagner geschaffen. Dargestellt ist die Gottesmutter Maria zusammen mit dem heiligen Kaiserpaar, flankiert von den Heiligen Petrus und Georg, den Hauptpatronen des Doms, sowie den Heiligen Otto und Kilian. Rechts und links davon ist jeweils eine liegende Figur zu erkennen: die Personifikation der beiden Flüsse Main und Regnitz, der Lebensadern der Stadt Bamberg. Heute ist in der Alten Hofhaltung das Historische Museum der Stadt Bamberg untergebracht.
Das Alte Rathaus
Nicht nur der Bamberger Reiter ist ein Kuriosum. Schreitet man den Domberg hinab in Richtung Bamberger Altstadt, vorbei an der berühmten Brauereigaststätte Schlenkerla aus dem frühen 15. Jahrhundert und am Dominikanerkloster, dessen Grundstein bereits im frühen 14. Jahrhundert gelegt wurde, gelangt man bald zu einem ganz besonderen Gebäude: das Alte Rathaus. Dieses befindet sich mitten auf dem Fluss. Kein bisschen Land wollte der Bamberger Bischof der Sage nach den Bürgern für die Errichtung ihres Rathauses zur Verfügung stellen – und gerade deshalb, so die Legende, rammte man Pfähle in die Regnitz, schuf somit eine künstliche Insel, die nicht dem Bischof gehörte, und errichtete dort das Rathaus. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Alte Rathaus im Jahr 1387. Der heutige Neubau datiert in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, die prächtige Fassadenmalerei entstand im 18. Jahrhundert.
Die Altenburg
Fernab des touristischen Zentrums gelegen ist die Bamberger Altenburg. Wohl zu Unrecht weist eine Gedenktafel im Eingangsbereich die Altenburg als einstigen Sitz der Babenberger aus. Vielmehr ist die Altenburg erst 1109 erstmalig sicher bezeugt, als sie dem Kollegiatsstift St. Jakob geschenkt wurde. Im Hochmittelalter wurde diese Höhenburg überwiegend als Flieh- und Trutzburg genutzt. Ab dem 14. Jahrhundert diente sie als Zweitresidenz der sogenannten Bamberger Fürstbischöfe, die in Personalunion geistliche Macht und weltliche Herrschaft in sich vereinten. In der Mitte des 16. Jahrhunderts geschah eine Katastrophe: Zwar hatte die Altenburg den Bauernkrieg unbeschadet überstanden, doch fiel sie bald darauf dem Wahnsinn des Markgrafen Alfred Alcibiades zum Opfer: Dieser ließ die Burg in Brand setzen, wodurch sie fast vollständig zerstört wurde. Obgleich der Wiederaufbau der Altenburg eine Schöpfung des 18. Jahrhundert ist, gehören zumindest der Bergfried und ein Teil der Ringmauer zweifellos zum mittelalterlichen Baubestand der Burg – und lassen das Mittelalter wieder lebendig werden. Kein Wunder also, dass sich der berühmte Schriftsteller, Komponist und Kapellmeister E. T. A. Hoffmann (1776 – 1822) auf der Altenburg seine Wohnstätte einrichtete.
Noch einige weitere Schlaglichter des Mittelalters sind in Bamberg nachweisbar. Man denke nur an die vielen Fachwerkhäuser in der Bamberger Altstadt oder das Kloster St. Michael, das im frühen 15. Jahrhundert von der aufgebrachten Volksmenge erstürmt wurde. Selbst in der heutigen Gärtnerstadt erlaubt die alte Pfarrkirche St. Gangolf einen Blick in das Mittelalter. Auf jeden Fall aber lädt Bamberg dazu ein, über die Spuren des Mittelalters zu staunen.
Quellen
Altenburg
https://www.altenburgverein.de/altenburg/geschichte
Die Altenburg: E.T.A. Hoffmanns Domizil über Bamberg (burgerbe.de)
https://www.burgen.strasse-online.de/6-bamberg-bayreuth/
Bamberger Dom
https://erzbistum.erzbistum-bamberg.de/bistum-allgemein/index.html
https://bamberger-dom.de/geschichte/index.html
https://www.domberg-bamberg.de/highlights
Alte Hofhaltung
Sehenswürdigkeiten in Bamberg - Die Alte Hofhaltung (persoenliche-stadtrundfahrten.de)
Stadtgeschichte