Bestand
Castell, Grafen Schenk von (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Die thurgauische Familie der Freiherren von Castell, die 1681 in den Grafenstand aufstieg, erwarb die Herrschaft Oberdischingen 1661 von den Herren von Stotzingen, dazu von Österreich 1681 zunächst pfandweise, 1732 dann als Mannlehen die Herrschaft Schelklingen-Berg. Vor allem als Malefizschenk bekannt ist der berühmteste Vertreter der Familie, Graf Franz Ludwig Schenk von Castell (1736-1821).
Das Rittergut Oberdischingen ging 1851 in den Besitz des Bankiers Kaulla über, 1900 an die Fugger. 1895 erwarb das Staatsarchiv Stuttgart einen Teil des Herrschaftsarchivs, darunter das sog. Kriminalarchiv (s. unten B 83); dessen Lücken lassen sich wohl durch den Schloßbrand von 1807 erklären. Die Amtsbuchserien des 17. und 18. Jahrhunderts - auch der Herrschaften Schelklingen und Berg - und der größere Teil des Gutsarchivs liegen heute im Fugger'schen Archiv in Dillingen. Das Rittergut selbst wurde 1927 an die Gemeinde verkauft.
Der vorliegende Bestand gliedert sich in:
I. Familienarchiv, II. Gutsverwaltung im allgemeinen, III. Gräfliche Beamte und Diener, IV. Militär- und Kriegssachen, V. Eichstätter Erbmarschallamt, VI. Herrschaft Oberdischingen, VII. Herrschaft Schelklingen-Berg, VIII. Herrschaft Bach, IX.-XIII. Rittergut Wernau, Herrschaft Oberbeuren, Herrschaft Gutenstein, Gut Trugenhofen, einzelne Orte, XIV. Häuser der Schenk von Castell in Dillingen, Mainz und München, XV. Beziehungen zur Reichsritterschaft, XVI. Beziehungen zu Nachbarn (Kl. Blaubeuren, Kl. Söflingen, Freiherren von Enzberg), XVII. Manumissionen, Urfehden, Heiratsbriefe, XVIII. Mediatisierung der Schenk-von-Castellschen Herrschaften.
I. Zur Geschichte der Familie Schenk von Castell: Die Familie der Grafen von Castell besaß ihren ursprünglichen Stammsitz auf Burg Gottlieben im Schweizer Kanton Thurgau, nahe Konstanz. Eng mit dem Hause Habsburg verbunden, wurden die Herren von Castell aufgrund ihrer Verdienste um Kaiser und Reich am 1. März 1681 durch Kaiser Leopold I. in den Reichsgrafenstand erhoben. Weil sie lange das Schenkenamt zu Eichstätt, und später zu St. Gallen inne hatten, wurde der Amtsname mit dem des Geschlechts verwechselt und so bestand der Name Schenken von Castell für die nächsten Jahrhunderte - auch über das Ausüben des Schenkenamtes hinaus. Im 17. Jahrhundert setzte sich das Geschlecht in Schwaben - im heutigen Alb-Donau-Kreis - fest und besaß mehrere reichsunmittelbare Besitzungen sowie bedeutenden Grundbesitz als Lehen des Hauses Österreich. 1661 kaufte Marquard Schenk von Castell, Bischof von Eichstätt, die Herrschaft Oberdischingen von Wilhelm von Stotzingen, später kamen die Herrschaften Gutenstein (im 18. Jh.) sowie die Rittergüter Bach (1721) und Wernau (1785) hinzu. Letzteres war zuvor im Besitz des Benediktinerinnenklosters Urspring und des Augustiner-Chorherrenstifts St. Michael zu Wengen in Ulm. Als Lehen übernahm die Familie die österreichischen Herrschaften Schelklingen (1680) und Berg (1732). Oberdischingen war seit seinem Erwerb Verwaltungssitz der Familie. Auch die dortige Hochgerichtsbarkeit wurde den Schenken von Castell ab 1689 übertragen, als Kaiser Leopold I. Graf Johann Willibald Schenk von Castell mit dem Blutbann zu Dischingen belehnte. Spätestens seit dem Wirken des Grafen Franz Ludwig Schenk von Castell (1736-1821) als sogenannter Malefizschenk erlangte der Ort als Residenz mit neuen herrschaftlichen Bauten (Schloss mit Allee- und Parkanlage, Amtsgebäude und neue Pfarrkirche) eine besondere Bedeutung. Mit der Übernahme der Strafverfolgung im Schwäbischen Reichskreis ließ Reichsgraf Franz Ludwig Schenk von Castell nach Vereinbarung mit dem Reichskreis eine Frohnfeste errichten. Und somit bestand seit den 1780er Jahren, neben den bisherigen Kreiszuchthäusern in Ravensburg und Buchloe ein weiteres Zucht- und Arbeitshaus in Oberdischingen. Im Zuge der Mediatisierung gelangte die Herrschaft 1806 an Württemberg und wurde dem Oberamt Ehingen zugeordnet. 1851 verkaufte Ludwig Anton Schenk von Castell die gesamte Herrschaft Oberdischingen, Bach Wernau und Schelklingen an den Bankier Salomon Friedrich Kaulla. Das Geschlecht der Grafen Schenk von Castell erlosch schließlich 1902 mit dem Tod Ludwig Anton Schenk von Castell, dem Urenkel des bekannten Malefizschenken Franz Ludwig.
II. Zur Bestandsgeschichte: Das ehemals gräflich Schenk von Castellische Archiv zu Oberdischingen wurde im Dezember 1895 vom königlichen Staatsarchiv aus dem Nachlass der Familie von Kaulla käuflich erworben. Es umfasst sowohl das gräfliche Familienarchiv als auch die Archive derjenigen Herrschaften und Güter, die sich im Schenk-Castellischem Besitz befanden, einschließlich der vor den Zeiten des gräflichen Besitzrechts liegenden Dokumente. So liegen beispielsweise für die Herrschaft Oberdischingen eine stattliche Anzahl von Urkunden aus dem Besitz der Familie von Stotzingen vor. Viele Unterlagen gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren, einige wurden im Rahmen einer Beständebereinigung an andere Archive abgegeben. 1898 wurden verschiedene Akten aus dem Landgericht Ulm ausgesondert und einzelnen Akten des Bestandes thematisch zugeordnet. Ein Saalbuch der Herrschaft Dischingen aus dem Jahr 1562 konnte 1901 von dem Antiquariat Ludwig Rosenthal, München käuflich erworben werden. Neben Unterlagen des Familienarchivs sind Unterlagen des Kriminalarchivs erhalten, die allerdings weit unvollständiger sind als das Familien- und gutsherrliche Archiv. Diese Akten bilden nun den Bestand B 83. Die Verzeichnung eines Teils des Familienarchivs, nämlich Akten und Urkunden der Herrschaft Oberdischingen, übernahm gegen Ende des 19. Jahrhunderts Pfarrer Dr. Schmid in Ringingen. Eine Gesamtverzeichnung des Bestandes erfolgte vermutlich 1896 durch Archivrat Paul Friedrich Stälin. Die Erschließung erfolgte nach Sach- und Ortspertinenz. Später wurden die Pergamenturkunden aus konservatorischen Gründen separat gelagert und einzeln verzeichnet. Die Retrokonversion des handschriftlichen Findbuches von Stälin in die Datenbank ScopeArchiv erfolgte im Jahr 2017 durch Katharina Maiworm. Titelaufnahmen wurden im Zuge dessen mit den Originaldokumenten formal abgeglichen und teilweise modernisiert. Hierbei wurde auch der Erhaltungszustand der Archivalien überprüft und eine Neuverpackung vorgenommen. Die Gliederung erfolgte zunächst nach Urkunden und Akten, wobei lediglich bei den Akten eine weitere Untergliederung (Familie, Herrschaft, Beziehungen zur Reichsritterschaft und benachbarten Herrschaften) ¿ in Anlehnung an die ursprüngliche Klassifikation ¿ vorgenommen wurde. Vorsignaturen wurden vermerkt. Einige Büschel, die vormals ausschließlich Urkunden enthielten, wurden bei der Neuverzeichnung aufgelöst, die einzelnen Nummern nicht neu vergeben. Dies sind die Büschel 3, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 78, 81, 124, 133, 140, 142, 143, 146. Zuletzt wurde eine Neuindizierung mit Personen- und Ortsdeskriptoren durchgeführt. Insgesamt umfasst der Bestand 253 Urkunden und 150 Büschel, 10,3 lfd. Meter. Stuttgart, im November 2017 Katharina Maiworm B. A.
III. Hinweise auf andere Quellen im Hauptstaatsarchiv: B 83 Kriminalarchiv der Schenken von Castell B 19 Vormals österreichische Landesteile in Württemberg I, Ehingen Schelklingen und Berg B 32 Österreichische Lehen in Württemberg II, Adelige Lehen, Schenken von Castell B 56 a Herrschaft Schelklingen B 511 und B 511 L Benediktinerinnenpriorat Urspring H 234 Lagerbücher des Benediktinerinnenklosters Urspring H 235 Lagerbücher des Augustinerchorherrenstifts Wengen
IV. Literaturauswahl: Arnold, Ernst: Oberdischingen der Malefizschenk und seine Jauner, Oberdischingen 1993 Beck, P.: Schenk von Castell, in: Allgemeine deutsche Biographie (ADB), Band 36, Leipzig 1893, S. 766-771 Artikel "Castel, Grafen zu Castel, Schenken-Grafen zu Castel" in: Knesche, Ernst (Hg.): Neues allgemeines deutsches Adels-Lexikon, Leipzig 1860, S. 234-235
- Reference number of holding
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 82
- Extent
-
253 Urkunden, 150 Büschel (10,30 lfd. m.)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Neuwürttembergische Herrschaften vor 1803/1806-1810 >> Sonstige weltliche Herrschaften
- Date of creation of holding
-
1310-1859
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
-
20.01.2023, 3:09 PM CET
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1310-1859