Bestand
200,170/Familienarchiv Bock (Bestand)
Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 200,170/Familienarchiv Bock
Familiengeschichtliche Hinweise
Der Braunschweiger Korbmacher Carl/Karl (Christian) Bock (1815-1898), Sohn des Kaufmanns Carl Bock und dessen Ehefrau Julie Bock geb. Keffel, ließ sich nach Aufenthalten in Hannover, Bremen, Hamburg, Stettin, Berlin, Hildesheim, Hameln, Lemgo und Herford am 1. April 1841 in Bielefeld nieder, nachdem er die Genehmigung zur Gründung eines eigenen Hausstandes erhalten hatte. Carl (Christian) Bocks Wahl war vor allem deshalb auf die Leineweberstadt gefallen, da Bielefeld zu diesem Zeitpunkt über keinen Korbmacher verfügte. Trotz des Fehlens eines stadteigenen Korbmachers hatte Carl (Christian) Bock allerdings dreimal die in der Aschoff'schen Apotheke abgehaltene Sprechstunde des Bürgermeisters Friedrich (Wilhelm Eduard) Körner (1799-1854) besuchen müssen, um dessen Zustimmung zu Bocks Niederlassung in Bielefeld zu erhalten.
Nachdem er eine Wohnung im Haus Güsenstraße 434 (seit 1882 Güsenstraße 18) gemietet hatte, heiratete Carl (Christian) Bock am 3. August 1841 in Bielefeld seine Braunschweiger Verlobte (Henriette Friederike) Luise/Louise Bock geb. Brunotte (1815-1883). Da die Korbmacherei zunächst nur wenig Geld abwarf, pachtete Carl (Christian) Bock in seinen ersten Bielefelder Jahren zusätzlich ein Stück Land, das er im Sommer nach Feierabend bestellte. Vor allem durch die Herstellung von Kinderwiegen konnte sich der Korbmacher aber zunehmend einen guten Ruf in der Stadt erwerben, der Anschluss Bielefelds an die Eisenbahn im Oktober 1847 ließ Bocks Geschäft in den Folgejahren florieren. Angesichts seines beruflichen Erfolgs kaufte Carl (Christian) Bock 1857 das Haus Güsenstraße 419 (seit ca. 1882 Güsenstraße 13) als neuen Wohn- und Geschäftssitz.
Aus der Ehe von Carl (Christian) Bock und Luise Bock geb. Brunotte gingen der Sohn (Karl/Carl) Wilhelm (Ludwig) Bock (1845-1909) sowie die Töchter Juliane "Julie" (Elisabeth) Bock (1847-1908) und (Johanne) Regina/Regine Bock (1857-1939) hervor. Juliane "Julie" Bock war mit dem Kupferschmiedemeister (Johann) Wilhelm Knebel (1839-1897) verheiratet, Regina Bock heiratete wiederum am 29. März 1879 in Bielefeld den Kaufmann (Fritz Georg) Carl Hölter (1855-1951).
Nach Lehrjahren in Hannover, Braunschweig, Leipzig, Zwickau, Dresden und Berlin übernahm Carl (Christian) Bocks Sohn Wilhelm Bock am 1. April 1873 das väterliche Geschäft, das nun den Namen C.W. Bock führte. Am 24. April 1873 heiratete er in Bielefeld Anna (Dina Friederike) Bock geb. Plettenberg (1849-1927), Tochter des Schuhmachermeisters Karl/Carl (Friedrich) Plettenberg (1813-1885) und dessen Ehefrau (Henriette) Charlotte Plettenberg geb. Reckmeyer/Reckemeyer (1818-1891). Um über größere räumliche Kapazitäten und einen attraktiveren Standort zu verfügen, verlegte Wilhelm Bock Ende 1875 den Geschäftssitz in das Bürgerhaus unter der Adresse Markt 61 (seit ca. 1882 Am Markt 8; seit 12.2.1899 [?] Rathausstraße 2; seit 30.8.1899 Rathausstraße 4; heute Alter Markt 8) - damals eines der ältesten Häuser Bielefelds, das Bock und seiner Ehefrau gleichzeitig als Wohnhaus diente. Zeitweise befand sich in dem Gebäude zusätzlich das Uhrmachergeschäft von Bocks Schwager Karl/Carl (Friedrich Adolf) Plettenberg (1858-1932).
Im Juli 1885 tat Wilhelm Bock, der in den Jahren zuvor durch prämierte Beiträge auf Gewerbeausstellungen in Bielefeld, Detmold und Düsseldorf auch überregionales Interesse an seinen Arbeiten geweckt hatte, sich mit dem von Carl (Christian) Bock ausgebildeten Korbmachermeister (Theodor) Franz (gen. Fritz) Struwe (1838-1902) zusammen, um die Produktionskapazitäten des für die nächsten zehn Jahre gemeinschaftlich geführten Geschäfts zu vergrößern. Neben den Bielefelder Räumlichkeiten verfügte die Korbwarenfabrik C.W. Bock in der Folgezeit über Lagerhäuser an der Eimterstraße 4/Ecke Mindener Straße in Herford, denen 1896 noch eine eigene Werkstatt beigefügt wurde. In den neu eingerichteten Lagerhäusern waren vor allem Insassen des Herforder Gefängnisses beschäftigt.
Das Sortiment von Bocks Geschäft wiederum zeichnete sich zunehmend durch Möbel (Stühle, Sessel, Sofas, Fußbänke, Tische) aus Peddigrohr (Rattan) aus, die nach US-amerikanischen Vorbildern angefertigt wurden. Neben Körben gehörten darüber hinaus auch Kinderwagen, Puppenwagen, Kinderschlitten, Blumenständer, Kinderstühle und Fenstervorsätze zum Angebot der Korbwarenfabrik C.W. Bock.
Aufgrund des schlechten baulichen Zustands ließ Wilhelm Bock das historische Haus Am Markt 8 1894 abreißen und durch einen Neubau ersetzen, der von dem Bielefelder Architekten (Johann) Heinrich Volmer (1868-1944) entworfen worden war. Als eines der wenigen Gebäude der Bielefelder Altstadt sollte der Bau die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs nahezu unbeschadet überstehen.
1897 ließ Bock - gemeinsam mit dem Kaufmann Simon Löwenstein (1837-1916) - das Gebäude Am Markt 9 auf eigene Kosten abreißen und damit die östliche Häuserfront des Alten Markts durchbrechen, um eine Verbindungsstraße zwischen dem Alten Markt und dem damaligen Neumarkt (seit ca. 1907 Schillerplatz; seit 28.9.1966 Niederwall) zu ermöglichen. An der so entstandenen Rathausstraße erwarb Wilhelm Bock mehrere Grundstücke, die er nach Entwürfen des Bielefelder Architekten Heinrich Volmer bebauen ließ. Zu den in diesem Kontext entstandenen Gebäuden gehörte unter anderem das Haus Renteistraße 20/Ecke Rathausstraße.
Neben den früh verstorbenen Kindern Clara "Clärchen" Bock (1874), Emilie (Elisabeth Helene Emma) Bock (1875-1898), Helene Bock (1881) und Paul Bock (1888) gingen aus der Ehe von Wilhelm Bock und Anna Bock geb. Plettenberg die Söhne Carl/Karl (Friedrich) Bock (1877-1954), Otto (Wilhelm Eduard) Bock (1879-1958), Alfred (Andreas Georg Max) Bock (1882-1931) und Ernst (Hermann Fritz) Bock (1884-1950) sowie die Töchter Agnes (Regine/Regina Helene) Bock (1886-1966) und Ilse (Minna Helene) Bock (1891-1965) hervor.
Agnes Bock heiratete am 22. Mai 1912 in Bielefeld den Bremer Kaufmann (Georg Heinrich) Eduard Schulze (1884-1922). Ilse Bock heiratete wiederum am 22. Mai 1911 in Bielefeld den Bremer Kaufmann (Karl/Carl Friedrich) Ernst Heineman (1882-1960), Sohn des Kaufmanns (Friedrich Ernst Jakob) Carl/Karl Heinemann (1850-1915) und dessen Ehefrau Elise Florentine Emma Heinemann geb. Brill (1852-1940). Ernst Heinemann war ab April 1915 Geschäftsführer der Firma Brill & Heinemann.
Wilhelm Bock, der neben seiner beruflichen Tätigkeit Vorstandsmitglied der Freisinnigen Volkspartei, mehrmaliger Stadtverordneter, Mitglied des Arbeiterbildungsvereins, zweiter Vorsitzender des Sparkassenvereins, Armenbezirksvorsteher, seit 1904 Aufsichtsratsmitglied der Gewerbebank sowie von 1897 bis 1903 Mitglied des Bielefelder Magistrats gewesen war und darüber hinaus die Zeitung Der Wächter mitbegründet hatte, verstarb am 13. Februar 1909 in Gadderbaum. Hinsichtlich der Korbwarenfabrik C.W. Bock war sein ältester Sohn Carl (Friedrich) Bock als Erbe vorgesehen. Carl (Friedrich) Bock, der nach Abschluss einer zweijährigen Korbmacherlehre in Düben an der Mulde von Oktober 1894 bis Sommer 1896 in Korbwarenfabriken in New York City, St. Louis und Chicago tätig gewesen war, hatte bereits am 1. April 1901 das Herforder Geschäft seines Vaters übernommen, das seitdem den Namen Carl Bock & Co. trug und ab den 1920er-Jahren neben Korb- und Rohrmöbeln vor allem Kinderwagen und Klappwagen produzierte.
Bald darauf stieg Carl (Friedrich) Bocks Bruder Ernst Bock, der ebenfalls den Beruf des Korbmachers erlernt hatte, als Mitinhaber in das Herforder Geschäft ein. Gemeinsam gründeten die Brüder zu Weihnachten 1917 in Herford eine Stiftung für bedürfte Kinder gefallener Soldaten. Wie sein Vater war Carl (Friedrich) Bock aktives Mitglied der Freisinnigen Partei, zudem war er zeitweise Stadtverordneter in Herford und gehörte seit 1909 dem Vorstand der Herforder Schützengesellschaft an.
Nachdem die Bielefelder Korbwarenfabrik C.W. Bock nach dem Tod von Wilhelm Bock zunächst von familienexternen Inhabern geführt worden war, übernahm 1915 Carl (Friedrich) Bock das nun gänzlich dem Korb- und Spielwarenverkauf dienende Geschäft in der Rathausstraße 4, das fortan unter seinem Namen betrieben wurde. Im Januar 1925 trat Ernst Bock auch in dieses Geschäft als Mitinhaber ein. Zum 31. Dezember 1932 wurde das Bielefelder Geschäft schließlich aufgegeben, die Firma Carl Friedrich Bock (bzw. Karl Friedrich Bock) erlosch wiederum am 14. Juli 1939.
Wilhelm Bocks zweitältester Sohn Otto Bock erlernte entgegen der Familientradition nicht den Beruf des Korbmachers, sondern besuchte, nachdem er als Schiffsjunge bzw. Leicht- und Vollmatrose mehreren Schifffahrten über den Atlantik unternommen hatte, die Steuermannsschule in Lübeck und legte 1900 in Rostock das Steuermannsexamen ab. Ein Jahr später heuerte er auf einem Schoner der Jaluit-Gesellschaft, bei der es sich um eine Handels- und Plantagengesellschaft handelte, als Steuermann an. 1904 legte Otto Bock in Lübeck das Kapitänsexamen ab und war anschließend als Steuermann auf dem die Marshallinseln bedienenden Schoner "Äolus" tätig.
Am 12. Oktober 1906 pachtete Otto Bock von der Jaluit-Gesellschaft die zu den Marshallinseln gehörende Kili-Insel, wo er mit Unterstützung indigener Arbeitskräfte eine Kokosnussplantage betrieb und für eine umfassende Bepflanzung sorgte. Um aus dem für ihn ungünstigen Pachtvertrag mit der Jaluit-Gesellschaft herauszukommen, kaufte er dieser - mit finanzieller Unterstützung seines Vaters - die Kili-Insel am 7. Juli 1908 ab. Nach Gefangennahme durch japanische Truppen im Ersten Weltkrieg und mehrjähriger Internierung in Japan kehrte Otto Bock 1919 nach Europa zurück. Ein Teil der ethnographischen Gegenstände, die er 1913 bei einem Besuch in Bielefeld mitgebracht hatte, waren derweil von seinem Bruder Alfred Bock als Dauerleihgabe an die Völkerkundliche Sammlung auf der Sparrenburg abgegeben worden. Nach sieben Jahren als Farmer in Honduras kehrte Otto Bock 1932 nach Deutschland zurück, wo er sich in Bad Bevensen in der Lüneburger Heide niederließ.
Hinweise zum Bestand
Die Unterlagen wurden am 19. Oktober 2023 von Frau Helga Goedecke, Enkelin von Ernst Heinemann und Ilse Heinemann geb. Bock, abgegeben. Neben Korrespondenzen und Lebenserinnerungen einzelner Familienmitglieder gehören zu den Unterlagen auch Familienporträts und Zeitungsartikel sowie familienrelevante Dokumente und Publikationen in Kopie.
Darüber hinaus enthält der Bestand 21 Briefe des späteren Kaufmans und Bankangestellten (Albert Ernst Jacob/Jakob) Carl/Karl Heinemann (1881-1945), dem älteren Bruder von Ilse Bocks Ehemann Ernst Heinemann. Die Briefe an Eltern und Brüder - einschließlich dem jüngsten Bruder (Martin) Wilhelm "Willy" Heinemann (1884-1956) - entstanden zwischen Dezember 1900 und Juni 1903 während Carl Heinemanns Aufenthalt als Handlungsgehilfe in Panama und Guatemala. 1904 kehrte Carl Heinemann zum Militärdienst nach Bremen zurück, seit etwa 1912 lebte er dann in Berlin. Carl Heinemann starb kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin-Schöneberg.
Der einen Archivkarton umfassende Bestand wurde im November 2023 verzeichnet. Zu den insgesamt zehn Verzeichnungseinheiten wurden vier Klassifikationspunkte gebildet. Weitere Abgaben sind nicht ausgeschlossen.
Literatur:
- Bock, Carl Wilhelm, Erinnerungsblätter an die vor 60 Jahren erfolgte Gründung meiner Korbmacherei in Bielefeld, Bielefeld 1901.
- Frey, Barbara, Ein Bielefelder in der Südsee - Otto Bock (1879-1958), in: 101. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (2016), S. 103-118.
- Prüßer, Friedrich, 75 Jahre Brill & Heinemann. Aus der Geschichte des Bremer Kaffeehandels 1847-1949, Bremen 1949.
Archivalienbestellungen: 200,170/Familienarchiv Bock, Nr.
Zitation: Stadtarchiv Bielefeld oder StArchBI, Best. 200,170/Familienarchiv Bock, Nr.
Bielefeld, März/November 2024
Andreas Vohwinkel M.A.
Archivar
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200,170/Familienarchiv Bock
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Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Nichtamtliches Schriftgut >> Familienarchive und Nachlässe
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23.06.2025, 8:11 AM CEST
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