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Disziplinierung durch Kontingenz: zu einer Theorie des politischen Entscheidens

"Politische Begriffe haben oft ein beträchtliches Alter. Sie werden im Laufe der Zeit durch Anpassung an veränderte Verhältnisse abgeschliffen und dadurch undefinierbar, bleiben aber trotzdem auf dem Markt der öffentlichen Meinung. Am Begriff des politischen Entscheidens soll überprüft werden, ob das notwendigerweise so ist. Politisches Entscheiden wird entweder im Schema der unvermeidlichen Willkür und der notwendigen Beschränkung definiert. Dies Schema stammt aus der Diskussion über Souveränität Oder man orientiert sich am allgemeinen Entscheidungsbegriff Entscheiden wird dann als Auswahl unter Alternativen begriffen und das Politische in der Art der Alternativen gesehen. Das läuft auf die Zurechnung auf ein "Subjekt" hinaus. Die Willkür der Auswahl wird durch eine mystische Größe, nämlich durch Mystifikation eines uneinsichtig operierenden Subjekts interpretiert. Beide Versionen geben keinen zureichenden Einblick in die Entscheidungspraxis der Politik. Diese gängigen Versionen lassen sich dadurch ersetzen, daß man Entscheiden als Wiedereinführung von Zeit in die Zeit auffaßt; oder in anderen Worten: als Wiedereinführung eines Unterschieds von Vergangenheit und Zukunft in den gesellschaftlich vorgegebenen Unterschied von Vergangenheit und Zukunft. Dies Wiedereinfuhren geschieht dadurch, daß Ausschnitte der (unabänderlichen) Vergangenheit und Ausschnitte der (unvorhersehbaren) Zukunft als kontingent, als auch anders möglich begriffen werden Dazu muß die Entscheidung thematisch eingeschränkt werden Beispiel: Ladenschlußzeiten, Maastricht II, Rinderseuche. Dann kann man sehen, daß die Vergangenheit, obwohl unabänderlich, die Gegenwart auch anders hätte bestimmen können; und daß die Zukunft, obwohl unbekannt, als Oszillation im Rahmen bestimmter Unterscheidungen begriffen werden kann. Entscheiden in diesem Sinne ist Kontingenzmanagement. Es kommt nicht, oder nur in zweiter Linie, darauf an, wer entscheidet, obwohl jedem Beobachter freigestellt bleibt, sich am Subjekt des Entscheiders zu orientieren." (Autorenreferat)

Disziplinierung durch Kontingenz: zu einer Theorie des politischen Entscheidens

Urheber*in: Luhmann, Niklas

Rechte vorbehalten - Freier Zugang

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Weitere Titel
Disciplining through contingency: a theory of political decision making
ISBN
3-593-35852-2
Umfang
Seite(n): 1075-1087
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
28. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Soziologie "Differenz und Integration. Die Zukunft moderner Gesellschaften". Dresden, 1996

Erschienen in
Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Dresden 1996

Thema
Politikwissenschaft
politische Willensbildung, politische Soziologie, politische Kultur
Theorie
politische Entscheidung
Politik
Entscheidungsspielraum
Kontingenz
Entscheidungstheorie
Grundlagenforschung
Theoriebildung

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Luhmann, Niklas
Ereignis
Herstellung
(wer)
Hradil, Stefan
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Campus Verl.
(wo)
Deutschland, Frankfurt am Main
(wann)
1997

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-139596
Rechteinformation
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Letzte Aktualisierung
21.06.2024, 16:26 MESZ

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Objekttyp

  • Sammelwerksbeitrag
  • Konferenzbeitrag

Beteiligte

  • Luhmann, Niklas
  • Hradil, Stefan
  • Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
  • Campus Verl.

Entstanden

  • 1997

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