Bestand
Antifaschistische Ausschüsse und Komitees (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Nach
Kriegsende 1945 war in Deutschland eine Situation eingetreten, in der
die gesellschaftlichen Subsysteme neu strukturiert und die politische
Lebenswelt neu konstituiert werden musste. Die Entwicklung der
Bundesrepublik ist dabei wesentlich von Entscheidungen bestimmt
worden, die vor ihrer Gründung fielen.
Nach dem
8. Mai 1945 war das Bild der deutschen Bevölkerung so widersprüchlich
wie ihre Stimmungen. Die ideologische Ausgangssituation war so desolat
wie vorerst zu allen Hoffnungen berechtigend. Zwischen dem aktiven
Teil der Bevölkerung die Minderheit und den Alliierten bestand ein
antifaschistischer Konsens, der die Voraussetzung einer demokratischen
Nachkriegsentwicklung bildete und die Hoffnung auf Neugestaltung,
Neubau und von vorne anfangen begründete. Es zeigte sich, dass ohne
Absprache eine auffallende Analogie zwischen den Globalvorstellungen
von Exilgruppen, aus den KZs entlassenen Antifaschisten, den
kommunistischen, sozialdemokratischen und christlichen Vertretern der
Arbeiterbewegung und den Alliierten bestand, deren Ziele zur
Deutschlandpolitik u.a. im Potsdamer Abkommen dokumentiert waren. Die
wichtigsten Zielvorstellungen waren zunächst Demilitarisierung,
Dekartellisierung, Denazifizierung und Demokratisierung. Innerhalb
Deutschlands nahm diese Auffassung für eine kurze Zeit in den
sogenannten Antifas praktische Gestalt an. Beim Einmarsch der
Alliierten in Deutschland begegneten ihnen an einzelnen Orten als
selbständige politische Kraft Ausschüsse, die von lokalen und
betrieblichen Funktionären der verschiedenen Zweige der früheren
Arbeiterbewegung initiiert worden waren. Diese Aktionsausschüsse
nannten die Besatzer nach dem häufigsten Namensbestandteil Antifa. Sie
boten sich dort, wo die Infrastruktur zusammengebrochen war, den
Besatzern als Ansprechpartner an. Die Antifa können als spontane und
gegenüber dem herkömmlichen System von Parteien und Gewerkschaften
autonome politische und wirtschaftliche Selbsthilfeorgane
interpretiert werden, die dem Schwerpunkt ihrer sozialen
Zusammensetzung nach, Vertretungsformen der Arbeiterschaft waren. Ihre
politischen Aktivitäten waren von der Tendenz bestimmt, die vor 1933
in der deutschen Arbeiterschaft herrschende Aufspaltung in eine
sozialdemokratische und eine kommunistische Linie und die Abspaltung
parteipolitischer und gewerkschaftlicher Vertretungsformen voneinander
zugunsten einer neuen Einheit hinter sich zu lassen und auf die
Gemeinsamkeiten zu setzen. Die Antifas waren der politisch bescheidene
Versuch, Antifaschismus praktisch zu symbolisieren. Es lässt sich die
Existenz von Antifas in ca 150 Fällen in den vier besetzten Zonen
nachweisen, wobei einige sogar über ein regionales Verbreitungsgebiet
verfügten. Sie waren als Betriebsausschüse zunächst einmal Elemente
der ökonomischen Infrastruktur und als Lokalausschüsse entsprechend
Elemente der politischen. Zusammenfassend kann die Antifa-Bewegung als
die spezifische autonome Antwort auf den Zusammenbruch des
Nationalsozialismus eingeschätzt werden, die Anknüpfungspunkte zur
Tradition der Arbeiterbewegung hatte.
Die
antifaschistischen Ausschüsse richteten ihre Aktivitäten auf zwei
Hauptziele, die Entnazifizierung aller Bereiche des deutschen Lebens
und die Mobilisierung der Kräfte aller Antinazis zur Lösung der
dringenden Probleme des Gemeindelebens. Sie handelten dabei de facto
in der Eigenschaft öffentlicher Verwaltungen. In der sowjetischen
Besatzungszone (SBZ) war das Antifa-Potential weitgehend identisch mit
dem Potential der neuen Verwaltungen, Parteien und Gewerkschaften,
zumindest auf lokaler Ebene. Die Amerikaner hingegen setzten auf das
durch Ruhe und Ordnung bestimmte Funktionieren der unpolitischen
Verwaltungsbürokratie, die einer Basis-Demokratisierung
entgegenwirkte. Die Antifas wuren dort als Kooperateure und
Informationsträger gebraucht, die politische Form hingegen wurde
abgelehnt. Die Antifas und Betriebsausschüsse agierten im besetzten
westdeutschen Nachkriegsdeutschland also in einem gesellschaftlichen
Umfeld, bei dessen Restrukturierung sie mit konservativen Verwaltungen
und Wirtschaftsvertretern konkurierten, die mit Unterstützung der
Militärregierungen arbeiten konnten. Der anfängliche Konflikt zwischen
Verwaltung und Antifa-Bewegung wurde strukturell zugunsten der
Verwaltungen entschieden. Das Verbot der Antifa-Ausschüsse im Juni
1945 in Westdeutschland normierte dieses Ergebnis.
Es liegen fünf Akten zur Bildung und zur kurzen, im Ganzen
dreijährigen, Tätigkeit der antifaschistischen Ausschüsse und Komitees
vor. Entnazifizierung und Demokratisierung sind dabei die politischen
und die Ingangsetzung von Wirtschaft und Verwaltung die
ökonomisch-administrativen, hauptsächlichen Aufgaben, denen sich die
Ausschüsse und Komitees stellen. Die Aussagekraft des Archivgutes
beschränkt sich bei den ostdeutschen Ausschüsen auf die Länder
Thüringen und Sachsen sowie die Stadt Leipzig und in Westdeutschland
auf Württemberg, Baden; Bayern und Nordrhein-Westfalen, insbesondere
das Ruhrgebiet sowie auf die Städte Hamburg und Bremen.
Eine besondere Stellung kommt dabei der
antifaschistischen Freiheitsbewegung Breslau zu, deren Gründung in die
letzten Kriegswochen reicht, deren Tätigkeit jedoch mit der Ankunft
ihrer Mitglieder, nach der Flucht aus den deutschen Ostgebieten, in
Dresden im Sommer 1945 bereits wieder endet.
Erschließungszustand:
Online-Findbuch in ARGUS
Umfang, Erläuterung: 5
AE
Zitierweise: BArch SGY
26/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch SGY 26
- Extent
-
5 Aufbewahrungseinheiten
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Sammlungen >> Sonstige Sammlungen
- Date of creation of holding
-
1945
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1945