Archivbestand
Stadtgericht Detmold (Bestand)
Prozessakten 1826-1883 (247); Ablösungen 1872-1878 (15); Depositen 1806-1875 (2).
Bestandsgeschichte: In Lippstadt und Lemgo Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit durch den landesherrlichen Stadtrichter; in Lemgo konkurrierende Gerichtsbarkeit des Rats; in den übrigen Städten Ziviljurisdiktion im ausschließlichen Besitz des Rats, nur die Vollstreckung der vom Rat gefällten Urteile und die Beförderung der dem Rat nicht überlassenen Exzesse zur gogerichtlichen Bestrafung erfolgte durch den landesherrlichen Richter; Errichtung eines Fleckengogerichts mit ähnlichen Rechten in Lage 1791; Trennung von Justiz und Verwaltung in den Städten und Einrichtung der vom Magistrat organisatorisch getrennten Stadtgerichte auf Grund der Gerichtsordnung von 1843 (in Lemgo gingen die Aufgaben des landesherrlichen Richters auf einen Justizmagistrat über); 1879 Aufhebung der Stadtgerichte.
Form und Inhalt: Vorwort
I. Zur Geschichte
Seit dem Lippstädter Stadtrecht von 1244 gab es für die Städte eine eigene niedere Gerichtsbarkeit, nämlich den landesherrlichen Stadtrichter, das Ratsgericht und den Burrichter, sowie das damals noch nicht erwähnte Gogericht (1). Die Aburteilung von schweren Straftaten oblag zunächst den landesherrlichen Freigerichten, später vom Beginn des 14. Jahrhunderts an auch den Femegerichten (2). Ihre Strafgewalt erstreckte sich auch nach Einführung der Peinlichen Prozeßordnung von 1600 (3), die auf der 1532 erlassenen Carolina Karls V. beruhte, noch bis 1614 auf die Städte
Im 17. Jahrhundert liegen die Aufgaben und die Einsetzung im wesentlichen folgendermaßen fest :
Der landesherrliche Stadtrichter war zuständig für Vergehen gegen die landesherrlichen Verordnungen, sowie für die Hebung der landesherrlichen Gefälle und die Wahrung aller landesherrlichen Gerechtsame.
Das Ratsgericht war als Gericht erster Instanz für Streitigkeiten der Bürger zuständig und führte bei schwereren Straftaten die ersten Ermittlungen durch; die Bauerrichter unterstanden dem Rat und übten Polizeigewalt aus, z.B. bei Grenzstreitigkeiten (4). Zweimal im Jahr wurde auf dem Rathaus vom Landgografen zur Bestrafung von Ehebruch, Unzucht, Blutrunst, Arrestsachen, Erbschaftssachen und Feldschäden das Stadtgogericht abgehalten (5). Da seit Ende des 16. Jahrhunderts der Landesherr mehr und mehr in die städtische Selbstverwaltung eingriff, versuchten der landesherrliche Stadtrichter und das Gogericht sich gegen den Magistrat durchzusetzen. So wurde den beiden Obergerichten, dem Hofgericht und später der Justizkanzlei (6), die als Appellationsinstanzen bestanden, auch durch Landtagsbeschluss von 1677 indirekt das jus primae instantiae gegeben (7). Jeder Bürger und jede Ratsperson konnte sich selbst an die Obergerichte wenden. Eine rechtliche Sonderstellung nahmen die Schloss-Soldaten und die gräflichen Bediensteten ein.
Nachdem im Lauf des 18. Jahrhunderts die Gogerichte immer mehr an Bedeutung verloren hatten, gewannen die Magistrate in den Städten als Gerichte erster Instanz an Ansehen (8).
Durch die lippische Städteordnung vom 16. Mai 1843 (9), die für Detmold erst mit Wirkung vom 1. September 1845 in Kraft trat, wurde die Organisation des Justizwesens der Stadt vollkommen verändert:
1. Es wurden die Altstadt und Neustadt Detmold zusammengelegt. Somit entfiel für die Rechtsprechung der Neustadt die landesherrliche Kommission, deren Vorläufer zwei gewählte Vorsteher laut Privileg von 1708 gewesen waren (10).
2. Die Verwaltung der städtischen Gerichtsbarkeit wurde dem Stadtrichter, auch Syndikus oder Justizburgemeister genannt, übertragen, ebenso wie die Wrugesachen des herrschaftlichen Richteramtes, dessen Gebühren von der Stadt abgelöst wurden. Für die Strafgerichtsbarkeit war 1843 das Kriminalgesetzbuch eingeführt worden. Es beließ die Voruntersuchung den Stadtgerichten, schwere Fälle mit Freiheitsstrafen über 1 Jahr mussten an das Kriminalgericht gegeben werden.
Ausdrücklich übertragen wurde dem Stadtrichter die freiwillige Gerichtsbarkeit, nämlich die Vormundschaftssachen, sowie das Hypotheken- und Depositenwesen.
Der auf Lebenszeit vom Magistrat und Stadtverordneten gewählte, fest besoldete Stadtrichter mußte nach den Landesgesetzen für das Richteramt qualifiziert sein, und seine Wahl müßte vom Landesherrn bestätigt werden. In seiner richterlichen Tätigkeit war er unabhängig vom Magistrat und konnte nur durch "Recht und Urteil" abgesetzt werden. Zwei Beisitzer aus Magistrat oder Stadtverordnetenversammlung waren ihm beigegeben. Der Stadtrichter half auch bei den Verwaltungsaufgaben der Stadt (11).
Diese Einrichtung dauerte bis zur Einführung des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahre 1879 fort (12). Am 1. Oktober 1879 wurde sie durch das mit mehreren, sich wechselseitig ablösenden Richtern besetzte Amtsgericht aufgehoben. Das Amtsgericht Detmold ist zuständig für die Stadt Detmold, das alte Amt Detmold und einen Teil des ehemaligen Amts Lage (13).
II. Zur Registratur
Die erste Ordnung erhielten die Akten vom Stadtrichter selbst, dem neben den Justizaufgaben auch ein Teil der Verwaltungsarbeit oblag. Er war für die Protokollführung, Expedition und Registratur verantwortlich.
Das jetzige Repertorium enthält ein alphabetisches Verzeichnis der Kläger mit Angabe von Prozessgegner und -gegenstand, Jahreszahl und der laufenden Nummer. Am Ende von Fach 1 befindet sich das Namensverzeichnis der Prozessgegner. Die Ablösungen unter Fach 2 sind in der gleichen Weise aufgeführt, unter Fach 3 folgen dann die Depositionsprotokolle.
Der Bestand umfasst Akten der zivilen Gerichtsbarkeit von 1851 bis 1883, sowie Vorakten bis 1830. Dazu kommen die Ablösungen von 1872 bis 1878 und die Depositionsprotokolle der Stadt Detmold von 1849 bis 1875. Die Akten, die zwar noch in der Zeit der Stadtgerichte beginnen, aber nach demj 1. Oktober 1879 enden, wurden vorläufig noch bei diesem Bestand gelassen, da D 23 Amtsgericht Detmold noch nicht entgültig verzeichnet ist, Testamente, Vormundschaften und Nachlässe befinden sich unter L 90 T.N.V., Salbücher unter L 101 C I, Hypotheken- und Depositenbücher unter D 23 A.
23. Dezember 1966
gez. Naumann
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1) E. Kittel, Geschichte der Stadt Detmold, S 89 f.
2) B. Ebert, Lipp. Rechtsgeschichte seit Simon VI., in: Lippische Mitteilungen, Bd. 25, S.13 f.
3) Landesverordnungen, Bd. 1, S. 315-324.
4) J. Heidemann, Lipp Gerichtswesen am Ausgang des 17. Jahrhunderts, in: Lippische Mitteilungen, Bd. 31 S. 135 ff.
5) E. Kittel, a.a.O., S. 98
6) Landesverordnungen, Bd. 1, S. 287; Bd. 2, S. 428.
7) J. Heidemann, a.a.O., S. 135 ff.
8) B. Ebert, a.a.O., S. 36 f.
9) Landesverordnungen, Bd. 9, S. 57 ff.
10) E. Kittel, a.a.O., S. 174.
11) Landesverordnungen, Bd. 9, S. 78 - 82.
12) Landesverordnungen, Bd. 17, S. 574 ff.
13) Landesverordnungen, Bd. 17, S. 659 f.
Im Zuge der Digitalisierung der Findmittel wurde das maschinenschriftliche Findbuch aus dem Jahr 1966 in V.E.R.A. abgeschrieben.
Detmold, im April 2008
gez. Wolfgang Seemund
- Bestandssignatur
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L 88 Detmold
- Umfang
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29 Kartons = 264 Archivbände 1806-1880. - Findbuch: L 88 Detmold.
- Sprache der Unterlagen
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German
- Kontext
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Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe (Archivtektonik) >> 1. Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe >> 1.1. Land Lippe (bis 1947) >> 1.1.2. Verwaltung, Justiz >> 1.1.2.7. Justiz >> 1.1.2.7.2. Stadtgerichte
- Verwandte Bestände und Literatur
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Ebert, Bernhard, Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte für die Zeit seit Simon VI., in: Lippische Mitteilungen, 25 (1956), S. 12-60; Heidemann, Joachim, Das lippische Gerichtswesen am Ausgang des 17. Jahrhunderts, in: Lippische Mitteilungen, 31 (1962), S. 130-144.
- Bestandslaufzeit
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1806-1880
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
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- Letzte Aktualisierung
-
05.11.2025, 13:59 MEZ
Datenpartner
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Ostwestfalen-Lippe. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1806-1880