Bestand

Handelskammer/ Handelsgenossenschaft Wertheim (Bestand)

Einleitung: Die Geschichte der Handelskammer und Handelsgenossenschaft Wertheim wird in dem Aufsatz von Uwe Grandke "Die Wertheimer Handelskammer und Handelsgenossenschaft: ein Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Wertheims, in: Wertheimer Jahrbuch 1991/92, S. 145-160" ausführlich geschildert, deswegen sollen hier an dieser Stelle nur noch einmal kurz die wichtigsten Daten genannt werden. 1810 wurde in Wertheim eine Handelsinnung gegründet, der acht wechselfähige Kaufleute angehörten. Aufgabe der Handelsinnung war u.a. die Führung des Wechselimmatrikulationsbuchs und die Mitwirkung in einer Kommission zur Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen für die einzelnen Handelszweige. 1817 wurde auf Vorschlag des Direktoriums des Main- und Tauberkreises ein Handlungsvorstand ernannt: Seit 1844 versuchte man in Wertheim eine Handelskammer zu errichten, doch zog sich die Anerkennung der Statuten durch das Stadt- und Landamt Wertheim wegen Formfehlern über mehrere Jahre hin. Wichtigste Aufgabe der 1853 errichteten Handelskammer Wertheim war die Vertretung der gemeinschaftlichen Interessen des Handelsvorstands nach außen. Sie bestand einschließlich des Präsidenten aus sieben Mitgliedern, die von sämtlichen ortsbürgerlichen Handelsleuten gewählt wurden. Die Geschäftsordnung der Handelskammer von 1853 sah eine Aufgabenverteilung in sieben Referate vor: Rangschifffahrt und Frachtfuhr, Post- und Straßenwesen, Zollangelegenheiten, Besondere Angelegenheiten des Manufakturhandels, Besondere Angelegenheiten des Kolonialwarenhandels, Marktverkehr und Handelsliteratur. Jedes Handelskammermitglied sollte ein Referat verwalten. Die Kammer erhob bei den Kaufleuten Beiträge. 1862 wurden die Zünfte und Innungen in Baden aufgelöst. Deswegen wurde 1864 die Handelsinnung in die Handelsgenossenschaft Wertheim umgewandelt. Jeder Kaufmann und Industrielle, der ins Handelsregister eingetragen war, konnte nun Mitglied werden. Eine Zwangsmitgliedschaft bestand nicht mehr. Der Vorstand der Genossenschaft vertrat als Handelskammer den Gesamthandelsstand Wertheims allen Behörden gegenüber als offizielles Organ. Das Handelskammergesetz von 1878 regelte die Stellung der Kammern neu: Der mehrfachen Aufforderung von Seiten des Handelsministeirums, die dem Gesetz entsprechende Regelungen vorzunehmen, kam die Wertheimer Kammer nicht nach. Sie begründete dies mit mangelndem Engagement der Mitglieder und den hohen Kosten der Kammerarbeit. Das bedeutete das Ende der Handelskammer Wertheim. Deren bisherige Aufgaben wurden 1880, nach entsprechender Satzungänderung, von der Handelsgenossenschaft Wertheim übernommen. So machte sie sich, wie zuvor die Handelskammer, die Wahrung und Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen zur Hauptaufgabe. Ihre Organe waren die Generalversammlung und der aus fünf Mitgliedern und dem Vorsitzenden bestehende Vorstand. Die Handelsgenossenschaft finanzierte sich über eine Kostenumlage. 1910 erwogen die Regierung, Deutscher Handelstag und die Handelskammer Mannheim, diejenigen Teile Badens, welche weder eine Handelskammer besaßen noch einer solchen zugehörten, den Kammerbezirken bestehender Kammern zuzuweisen. So wurde 1911 der Kammerbezirk der Handelskammer Heidelberg bis nach Wertheim ausgedehnt. Ein Mitglied der Kammer musste aus Wertheim stammen. Diese Aufgabe nahm der jeweilige Handelsgenossenschaftsvorsitzende wahr. Am 1. Juli 1933 wurden sämtliche badische Handelskammern zu einer einzigen badischen Industrie- und Handelskammer mit Sitz in Karlsruhe vereinigt. Durch weitere Gesetzesänderungen traten 1935 die Kammerbezirke Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim und Freiburg an die Stelle der Badischen Industrie- und Handelskammer. Für Nordostbaden, und somit für Wertheim, war fortan Mannheim zuständig. Seit 1933 betrieb die Ortsgruppe Wertheim der NS-Hago (Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation) die Auflösung der Wertheimer Handelsgenossenschaft, trotzdem blieb diese bis zum Tode ihres Vorsitzenden Wilhelm Handloser im Jahre 1937 bestehen. Die Auflösung erfolgte kurz darauf in den Jahren 1937/38. Über die Registratur der Handelskammer bzw. Handelsgenossenschaft Wertheim ist wenig bekannt. In der Geschäftsordnung der Handelskammer von 1853 (StAWt-S V 60 Nr. 20) wird nur die bereits erwähnte Referatseinteilung, an der sich wohl ursprünglich auch die Aktenablage der Handelskammer orientierte, genannt. Diese Systematik wurde jedoch nicht durchgehalten und im Laufe der Zeit durch weitere Betreffe z.B. Münzen, Maße, Gewichte ergänzt. Genauer ist die Übernahme der Unterlagen in das Stadtarchiv dokumentiert. In den 1950er Jahren wurden sie von dem damaligen Stadtarchivar Erich Langguth bei der Firma Handloser & Co., also dem weitergeführten Betrieb des letzten Handelsgenossenschaftsvorsitzenden aufgefunden und gerade noch vor der drohenden Vernichtung gerettet. Im Stadtarchiv wurden sie ungeachtet ihrer Provenienz zu den Akten, die heute den sogenannten Bestand II (Städtische Akten 1806-1952) bilden, geordnet und für die einschlägige Bestandsfindkartei auf Papierzetteln erfasst. Dass es sich bei diesen Unterlagen mit den Signaturen StAWt-S II Nr. 1289-1340 und 1342-1422 nicht um städtisches Schriftgut, sondern um Fremdprovenienzen handelte, wurde erst 1990 im Zuge der Benutzung dieser Akten durch Herrn Grandke offenbar. Von Archivinspektoranwärterin Anita Hefele wurden daraufhin anhand der Findkarteititelaufnahmen ein vorläufiges Verzeichnis dieser Unterlagen der Handelskammer und Handelsgenossenschaft Wertheim erstellt. Anlass der jetzt erfolgten Neuverzeichnung war die geplante Meldung des Bestandes für die dritte Auflage der Veröffentlichung "Deutsche Wirtschaftsarchive". Um der eigenen Provenienz dieser Unterlagen Rechnung zu tragen, wurden sie als erstes wieder aus dem Bestand II herausgelöst. Die Verzeichnung selbst erfolgte nach Bär'schem Prinzip über MIDOSA (Mikrocomputergestütztes Informations- und Dokumentationssystem für Archive). Die in Ansätzen noch erkennbare, rein chronologische Ordnung der Büschel Nr. 52 und 67 wurde respektiert und deswegen auf eine Unterteilung verzichtet. Eine durchgehende und allen Unterlagen gerecht werdende Klassifikation ließ sich bei den Verzeichnungsarbeiten nicht festellen, deswegen wurde eine neue Klassifikation erstellt. Dazu wurden die Unterlagen zuerst in die drei Großgruppen Akten, Bände und Rechnungen eingeteilt. Die notwendige Feinklassifikation der Akten orientierte sich an den Aufgabengebieten des Handelsvorstands, der Handelskammer und der Handelsgenossenschaft, die über alle Umstrukturierungen hinweg im wesentlichen gleich blieben. Eine Ausnahme bildet die Rubrik "Innere Organisation", hier war natürlich die aktenanlegende Institution für die Zuordnung ausschlaggebend. Bei Überschneidungen war das entscheidende Einordnungskriterium, welche der beiden Organisationen die Akten überwiegend geführt hatte. Kassationen wurden keine vorgenommen. Die Verbesserung der Transportwege war eines der Hauptanliegen der Handelskammer bzw. Handelsgenossenschaft Wertheim. Deswegen enthält dieser Bestand sehr viele Unterlagen, die Aufschluss über die Entwicklung des Eisenbahn- und Schifffahrtswesens im 19. Jahrhundert in hiesiger Region geben. Daher dürfte die Heranziehung des Bestandes bei derartigen oder ähnlich gelagerten Themenstellungen lohnend sein. Der Bestand wurde in der Zeit von März - Juli 1995 von Archivoberinspektorin Ulrike Kühnle geordnet und verzeichnet. Er umfasst nun 136 Archivalieneinheiten in 2,0 lfd.m.

Ergänzungen zum Vorwort: Im Jahre 2012 wurde das Findbuch von Sabine Thaller in die aktuelle Archivsoftware ScopeArchiv übertragen. Die Redaktion der Titelaufnahmen und die Fertigstellung des Findbuchs für die Online-Stellung erledigte im März 2016 Diplom-Archivarin Anna Spiesberger. Auf den Umfang des Bestandes hatte dies keine Auswirkungen. Lediglich im Bereich der Klassifikation wurden einige Anpassungen vorgenommen um die Übersichtlichkeit und gute Nutzbarkeit des Findmittels zu wahren. Bronnbach, im März 2016 Anna Spiesberger

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim, S-V 60

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim (Archivtektonik) >> Stadtarchiv Wertheim >> Vereine, Parteien und Körperschaften (V-Bestände) >> Kammern, Körperschaften, sonst. Vereinigungen

Bestandslaufzeit
1817-1932

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
25.03.2024, 13:33 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1817-1932

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