Malerei
Geiselerschießung (Revolution I)
Am 30. April 1919 ließ der Münchner Stadtkommandant Rudolf Egelhofer zehn Geiseln, zumeist Mitglieder der völkisch-antisemitischen Thule-Gesellschaft, aus Rache für konterrevolutionäre Übergriffe auf dem Schulhof des Luitpoldgymnasiums erschießen. Das war das Ende der erst wenige Wochen zuvor ausgerufenen Münchner Räterepublik. Im Februar war der Ministerpräsident der ersten demokratischen Regierung Bayerns, Kurt Eisner, von dem Monarchisten Anton Graf von Arco auf Valley (ebenfalls zeitweise Mitglied der Thule-Gesellschaft) ermordet worden. Der 23-jährige Egelhofer wurde seinerseits am 3. Mai ohne Gerichtsverfahren erschossen. Die Erschießung im Schulhof nimmt in Ehmsens Gemälde nur einen schmalen Streifen am oberen Bildrand ein. Skizzen (Kupferstichkabinett, Berlin) deuten darauf hin, dass der Maler den Tatort kannte. Im Vordergrund stürzen albtraumhaft zwei Treppenkaskaden in die Tiefe. Zwei bewaffnete, grüngesichtige Rotgardisten schaffen weitere Opfer nach oben zur erhellten Mordbühne. Die Frau, die der obere Scherge an den Beinen emporschleift, erinnert an die übergroße Hauptfigur, die in Michelangelos „Jüngstem Gericht“ aus dem Nachen des Charon (dem mythologischen Fährmann der Toten) stürzt (1536–1541; Sixtinische Kapelle, Rom). Die Gestalt im roten Wams im Zentrum der Komposition zieht einem Alten, dem 62-jährigen Kunsthistoriker Ernst Berger (vgl. „Geiselerschießung“, A IV 486), am weißen Bart – eine Paraphrase des geplagten Eremiten Antonius vom Isenheimer Altar (1512–1516 von Matthias Grünewald; Musée Unterlinden, Colmar), der von 1917 bis 1919 in der Münchner Alten Pinakothek ausgestellt war. | Kyllikki Zacharias
- Material/Technik
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Öl auf Leinwand
- Maße
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Höhe x Breite: 135 x 105,5 cm
Rahmenmaß: 151,5 x 122,5 x 4,5 cm
- Standort
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Inventarnummer
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A IV 487
- Rechteinformation
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Letzte Aktualisierung
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08.05.2023, 07:18 MESZ
Objekttyp
- Malerei
Entstanden
- 1924