Gemälde
Bildnis eines Herrn mit Allongeperücke
Ab etwa 1670 wendet sich Caspar Netscher zunehmend mehr dem höfischen Porträt zu. Das Berliner Bildnis aus dem Jahr 1680 darf als typisches Beispiel von Gemälden Netschers aus dieser Zeit gelten. Als Pendant ist ihm ein zweites, 1679 entstandenes Bildnis einer Dame zuzuordnen (Kat.Nr. 850C). In beiden Fällen haben wir es hier mit Angehörigen einer sehr wohlhabenden, gehobenen Schicht zu tun. Obgleich die Identität der Porträtierten heute leider nicht mehr bekannt ist, lässt sich jedoch vermuten, dass es sich hierbei um Personen mit Bezug zum Haager Hof handelt. So taucht auf dem Bildnis das Motiv der Orange auf (in der Hand der Dame und als Orangenbäumchen im Hintergrund des Mannes), welches als Hinweis auf die bedeutendste Familie der Niederlande, die Oranier verstanden werden darf. Caspar Netscher entwickelte sowohl für seine männlichen als auch für seine weiblichen Porträts Prototypen, zu denen ein bestimmter Kanon an Gegenständen, Symbolen und Gesten gehörte, die sich auf seinen Gemälden in verschiedensten Variationen wiederholen und auch auf den Berliner Bildnissen deutlich zu erkennen sind. So ist der porträtierte Herr in selbstbewusster, das Bild dominierender Haltung dargestellt. Seine Figur ist stattlich und raumfüllend. Die im Hintergrund platzierte Statue der Justitia kann als Hinweis auf seine berufliche Tätigkeit als Richter oder Magistrat gedeutet werden. Im Gegensatz zum Herrn ist die porträtierte Dame als grazil, zierlich und wenig raumgreifend zu beschreiben. Ihrer gesellschaftlich untergeordneten Rolle als Frau entsprechend, finden sich in dem Bildnis keine Verweise auf einen Beruf. Stattdessen lassen sich in dem üppigen Perlenschmuck Attribute erkennen, die sich auf Eigenschaften wie Reinheit, Liebe, Keuschheit und Schönheit beziehen. Sowohl der porträtierte Herr als auch die Dame sind hinsichtlich ihrer Bekleidung und den dazugehörigen Accessoires äußerst aufwendig ausgestattet. Er trägt einen so genannten „japonse rock“, der das Ideal des Gentlemans verkörperte und sowohl einen hohen Status als auch ein ausgeprägtes Modebewusstsein zeigte. Bei dem „japonse rock" handelte es sich um eine Art dick wattierten, informellen Mantel, der Regel aus teurer Seide gefertigt wurde. Diese ursprünglich von den Handelsgesellschaften aus Fernost importierten Kleidungsstücke waren sehr kostspielig und dementsprechend einer elitären Schicht vorbehalten. Getragen wurde der „japonse rock“ über dem Hemd zusammen mit einer Art Krawatte, die, wie hier, mit teurer Spitze versehen sein konnte. Auch bei der Perücke handelt es sich um ein zeitgemäßes, sehr teures Accessoire, das meist aus Frankreich, teilweise aber auch aus London importiert wurde. Die Allonge-Perücke, wie sie auch auf dem Berliner Bildnis zu erkennen ist, stellte hierbei die pompöseste Ausführung dieser Art von Frisur dar. SIGNATUR / INSCHRIFT: Bez. unten links: CNetscher. / 1680 (CN ligiert)
- Material/Technik
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Leinwand
- Maße
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Rahmenaußenmaß: 67,5 x 59,5 cm
Bildmaß: 53,3 x 45,2 cm
- Standort
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Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
- Inventarnummer
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850B
- Verwandtes Objekt und Literatur
- Ereignis
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Erwerb
- (Beschreibung)
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1893 Reichertsches Vermächtis, von Caroline Ulrici in Erinnerung an ihren ersten Ehemann
- Ereignis
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Herstellung
- (wo)
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Den Haag
- (wann)
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1680
- Letzte Aktualisierung
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02.05.2023, 11:25 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Gemälde
Beteiligte
Entstanden
- 1680