Malerei

Ecce homo

Zu seinem kleinen, eindrucksvollen Porträt eines Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg, dessen rechte Gesichtshälfte eine Kriegsverletzung entstellt, regte Scharl womöglich das Buch „Krieg dem Kriege“ an. Darin hatte der Anarchopazifist Ernst Friedrich 1924 die Schrecken des Krieges durch Porträtaufnahmen verwundeter und verstümmelter Soldaten dokumentiert; 1925 gründete er das Anti-Kriegs-Museum in Berlin. Scharls Gemälde bedeutete ebenfalls Kritik zu einer Zeit, in der militaristische Tendenzen wieder erstarkten. Der Künstler selbst war 1916 nahe Verdun im Schützengraben verschüttet worden. Nach Kriegsende hatte der gelernte Dekorationsmaler, Lackierer und Vergolder die Münchner Kunstakademie besucht und sich im Anschluss mit dem Werk Vincent van Goghs auseinandergesetzt, dessen pastosen Duktus er übernahm. Scharl, Vertreter einer spätexpressionistischen Stilhaltung, ging es inhaltlich besonders um die sozialen Missstände seiner Zeit. Trotz solcher kritischen Tendenz kommerziell erfolgreich, war er ab Oktober 1931 Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Dort entstand wohl „Ecce homo“, wie der Vermerk links oben nahelegt. Der Titel zitiert Pontius Pilatus’ Worte, als er dem Volk den gefolterten, dornengekrönten Jesus zur Entscheidung über dessen Schicksal vorführt (Johannes 19, 4–6): „Siehe, der Mensch“. Scharl übertrug diese Option in die Gegenwart. Die Gesichtshälften thematisieren Sehen und Nicht-Sehen. Den Krieg sehen, durch ihn erblinden, sehend auf den nächsten Krieg zusteuern oder aus dem Kriegserlebnis lernen: Der Mensch sieht sich – ganz „Ecce-Homo“ – in diese Situation gestellt und ist zugleich aufgerufen, selbst zu entscheiden. | Dieter Scholz

Material/Technik
Öl auf Leinwand
Maße
Rahmenmaß: 54 x 43,5 x 4 cm
Höhe x Breite: 47 x 37 cm
Standort
Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
Inventarnummer
FNG 140/09

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
2009 Ankauf von Michael Adrians, Galerie Hermeyer GmbH, Potsdam, durch den Verein der Freunde der Nationalgalerie
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1931

Rechteinformation
Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
Letzte Aktualisierung
08.05.2023, 07:18 MESZ

Objekttyp


  • Malerei

Beteiligte


Entstanden


  • 1931

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