Bestand

Militär-Totenscheine (Bestand)

Findmittel: Findbuch, 1 Bd.

Vorwort

Die Sammlung, die im GStA PK unter der Signatur VIII. HA Siegel, Wappen, Genealogie, MTS aufbewahrt wird, besteht aus ca. 15.000 Totenscheinen von Militärpersonen, die während der Zeit der französischen Herrschaft als Sterbemitteilungen für die Zivilstandsregister der jeweiligen Heimatdepartements der Verstorbenen angefertigt wurden. Sie umfasst die vier norddeutschen Departements Bouches de l’ Elbe (Elbemündung), Bouches du Weser (Wesermündung), Ems supérieur (Oberems) und Lippe sowie drei der vier rheinischen Departements, nämlich Roer, Sarre und Mont Tonnerre (Donnersberg); der Verbleib der entsprechenden Militärtotenscheine (MTS) des Departements Rhin-et-Moselle konnte – von einigen wenigen Ausnahmen im Landeshauptarchiv Koblenz abgesehen – nicht ermittelt werden (LHA Ko, Best. 256 Nr. 6228; freundliche Mitteilung von Frau Dr. Ostrowitzki vom 4. Juli 2005).

Ihre ursprüngliche Bestimmung, den Zivilstandsbeamten der Heimatgemeinden der Verstorbenen die Fortführung der Zivilstandsregister zu ermöglichen, erreichten die vorliegenden MTS offenbar in Folge der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse nach 1813 nicht. Auf welchen Wegen die Sammlung dann in das Preußische Geheime Staatsarchiv gelangte, scheint heute nicht mehr feststellbar zu sein. Im zweiten Weltkrieg ausgelagert, befinden sie sich seit ihrer Rückführung nach Berlin im Jahr 1993 wieder im GStA PK (Außenmagazin Westhafen).

Der Sammlung angefügt wurden fünf Namensverzeichnisse von in den napoleonischen Kriegen vermissten preußischen, sächsischen, westphälischen und bergischen Soldaten aus dem Jahr 1817, die von der preußischen Regierung Erfurt bzw. Münster erstellt wurden.


MTS bescheinigen Todesfälle von Militärpersonen im weiteren Sinn vom Beginn der Koalitionskriege 1792 bis zum Jahr 1814; nur vereinzelt befinden sich auch Angaben über Sterbefälle aus früheren (ab 1789) oder späteren Jahren (1815/16), also außerhalb der französischen Zeit im Rheinland bzw. in Norddeutschland. In diesen Fällen waren die MTS nach ihrer (späteren bzw. früheren) französischen Departementszugehörigkeit verteilt worden (z.B. VIII. HA MTS, Nr. 907: Jacob Furst aus Hellernheim, Amt Worms, gest. am 2. Juni 1789 in Metz, späterer Zusatz „Mont Tonnerre“; Nr. 1081: Theodore Kocq aus Jülich, gest. am 21. April 1790 in Lille, späterer Zusatz „Roer“; u.ö.)

Die überlieferten Bescheinigungen, die unterschiedliche Provenienzen haben, teils durch das französische Kriegsministerium, teils durch die jeweilige Kommune, teils aber auch durch das Krankenhaus, wo die betreffende Person verstorben war, selbst erstellt worden waren, zeigen eine räumliche Ausdehnung von Salamanca (VIII. HA MTS Nr. 931: 1810) bis Danzig (Nr. 814: 1813) und spiegeln damit die räumliche Präsenz der französischen Armee.

Die hier verzeichneten Personen verstarben in der Regel in Krankenhäusern bzw. Hospitälern, meist in Folge von Verwundungen oder Infektionskrankheiten. Nur in ganz seltenen Fällen konnten auch Totenscheine für unmittelbar bei Kampfhandlungen Gefallene ausgestellt werden: VIII. HA MTS, Nr. 846: Franz-Joseph Weber aus Dienheim, Donnersberg-Departement, Sohn von Georg Weber und Elisabeth Sanz, 16. Infanterieregiment, 2. Bataillon, 2. Kompagnie, verstorben am 21. Mai 1809 auf dem Schlachtfeld von Es[s]ling (bei Wien) durch eine Schussverletzung („ sur le champs de bataille d’ Esling par suite d’ un coup de feu “).
Umgekehrt wurden aber auch MTS für Personen ausgestellt, die nicht als Soldaten bzw. in Folge von Kampfhandlungen starben: VIII. HA MTS Nr. 786, Nr. 806 und Nr. 831 enthalten beispielsweise Totenscheine für im Hamburger Hospital tätige Krankenschwestern.


Die ursprüngliche, dreistufige Ordnung wurde beibehalten und nur in Fällen, in denen diese offensichtlich gestört war, behutsam wiederhergestellt:
1. nach Departements,
2. nach Anfangsbuchstaben der Namen (nicht weiter alphabetisch) sowie
3. nach Sterbejahren (nicht weiter chronologisch).

Erstes Ordnungskriterium war die Herkunft der Verstorbenen. Die Zuordnung nach Departements richtete sich nach der jeweils geltenden Departementseinteilung, die mehrfach geändert wurde. Davon waren insbesondere die vier norddeutschen Departements betroffen, die durch Senatsbeschluss vom 13. Dezember 1810 (Elbmündung, Wesermündung, Oberems) bzw. 1811 (Lippe) gebildet wurden. Z.T. geschah dies auf Kosten der westphälischen Departements Elbe und Weser, die durch die französische Expansion stark beschnitten oder - wie im Fall des westpälischen Departements Weser - ganz aufgelöst wurden.
Trotzdem befinden sich in den Sammlungen der Departements Elbe- bzw. Wesermündung auch MTS, die für verstorbene Einwohner der (westphälischen) Departements Elbe und Weser ausgestellt wurden. Zahlreiche dieser MTS sind jedoch eindeutig falsch ausgestellt worden, so etwa für die Städte Hamburg und Bremen, die zu keinem Zeitpunkt westphälisch, wohl aber ab 1810 französisch waren und zum Departement Elbemündung gehörten.
Die Frage, ob die anderen, für das Elbe-Departement ausgestellten MTS korrekt ausgestellt wurden, konnte im Rahmen dieser Verzeichnung jedoch nicht im Einzelnen überprüft werden.
Für das Weser-Departement liegen lediglich drei MTS aus westphälischer Zeit vor, dagegen zahlreiche aus den Jahren 1811 ff., in denen das westphälische Weser-Departement gar nicht mehr bestand.
Wie groß z.T. die diesbezügliche Verwirrung gewesen sein muss, zeigen die zahlreichen Korrekturen bei der Departementsangabe, aber auch eindeutig falsche Zuordnungen (z.B. VIII. HA MTS, Nr. 778: Département Ems occidental für die Stadt Hamburg, statt Département Bouches de l' Elbe).
Andererseits ist nicht bekannt, ob MTS außerhalb Frankreichs überhaupt verbreitet waren. So konnte eine entsprechende Überlieferung aus Staaten, die die französische Verwaltungsstruktur in vielen Bereichen übernommen hatten wie etwa das Königreich Westphalen oder auch das Großherzogtum Berg, bisher nicht ermittelt werden.

Die MTS sind in einzelnen (insgesamt 538) Heften bzw. Umschlägen abgelegt, wobei die Anzahl der enthaltenen MTS sehr unterschiedlich ist, im Einzelfall von 1 bis 247 reicht, durchschnittlich bei ca. 28 MTS liegt. Die einzelnen Hefte sind - zeitgenössisch - in einheitlicher Weise beschriftet (laufende Nummer, Name des Departements, eventuell Jahresangaben). Als erste Nummer ist Nr. 699 belegt, was darauf hindeutet, dass die im GStA PK befindlichen MTS ein (wahrscheinlich kleiner) Teil einer größeren Sammlung darstellen. Es ist anzunehmen, dass für jedes der zuletzt 130 französischen Departements solche Sammlungen bestanden, sofern aus allen Departements Soldaten eingezogen worden waren. "Irrläufer", also MTS von Verstorbenen aus anderen Departements, die versehentlich in die Sammlungen der hier vorliegenden sieben Departements gelangten, stützen diese Annahme: Departements Maasmündung (4), Scheldemündung (1), Sarthe (1), Pas de Calais (1), Rom (13 in 3 Heften).

Die Verteilung der MTS auf die einzelnen Departements ist unterschiedlich und fällt für die vier norddeutschen Departements, die nur knapp drei Jahre unter französischer Herrschaft standen, naturgemäß geringer aus:

Departements Anzahl der Hefte Anzahl der MTS durchschnittliche Anzahl der MTS pro Heft

Oberems 42 926 22,05
Lippe 32 321 10,03
Elbmündung 33 429
Elbe 37 13,52
Wesermündung 37 392
Weser 3 (nur 1809) 10,68
Donnersberg 139 4173 30,02
Roer 141 6317 44,80
Saar 114 2499 21,92
gesamt 538 15.097 28,06


MTS nennen in jedem Fall den Namen, die militärische Einheit, das Sterbedatum sowie die Herkunft der Verstorbenen, häufig auch deren Alter bzw. Geburtstag, ihre Todesursache, zuweilen auch die Namen der Eltern.
Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass Namen und Herkunftsorte meist nach dem Gehör notiert werden mussten, die korrekte Schreibweise der Eigennamen dabei sicher nicht in jedem Fall gefunden wurde. Bei der Suche nach speziellen Namen sind daher sicherheitshalber auch verwandte Schreibweisen zu überprüfen (z.B. P - B, C - T, Z - C - S). Auch sind - insbesondere in den Fällen, in denen der Nachname auch als Vorname gebräuchlich ist - beide Namen zu suchen. (Ob die Schreibweise "Mont terrible" statt "Mont Tonnerre" ebenfalls auf einen Hörfehler zurückzuführen ist, kann heute freilich nicht mehr festgestellt werden: VIII. HA MTS, Nr. 876, u.ö.)

Die in der Verzeichnung angegebenen Daten beziehen sich - gemäß Zweck der Ausstellung bzw. der Sammlung überhaupt - auf die jeweiligen Sterbedaten, es handelt sich also nicht um Laufzeiten im archivischen Sinn.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass in der Zeit vom 14. Juli 1790 bis 31. Dezember 1805 nach dem französischem Revolutionskalender datiert wurde, der zunächst mehrere Varianten erfuhr, die sich - soweit ersichtlich - jedoch nicht im hier vorliegenden Quellenmaterial spiegeln, ehe im Jahr 1794 rückwirkend zum Jahr 1792 eine Zählung nach den Jahren der Republik eingeführt wurde. Jahreswechsel war danach der 22. September (Jahrestag der Ausrufung der Republik).


Die der Sammlung der MTS angefügten, im Auftrag der preußischen Regierungen Erfurt und Münster im Jahr 1817 angefertigten fünf Namensverzeichnisse von in den napoleonischen Kriegen vermissten preußischen, sächsischen, westphälischen und bergischen Soldaten greifen nicht auf MTS zurück, sondern stehen wahrscheinlich im Zusammenhang mit den im Jahr 1818 durch den hannoverschen Leutnant Heinrich Meyer im preußischen Auftrag in russischen Gouvernements-, Gerichts-, Polizei- und Hospitalakten erstellten Listen (vgl. Overkotz, S. 5). Ergänzt wurde solche Verzeichnisse - ähnlich wie in anderen ehemals französischen Gebieten - durch Umfragen in der Bevölkerung (Feldmann, S. 161).

Auf eine ähnliche Quelle für in Russland vermisste Soldaten aus dem ehemaligen Königreich Westphalen ist hinzuweisen: Verzeichnis der im Jahr 1812 nach Russland gegangenen und von dort nicht zurück gekehrten westphälischen Militärpersonen, o.D. [1817?] (GStA PK, V. HA Königreich Westphalen Nr. 20.000).



Literatur

- Feldmann, Hildegard, Einwohner aus dem Kanton Duisburg in französischem Militärdienst 1806 - 1813. In: Duisburger Forschungen 15 (1971), S. 131-172
- Overkotz, Franz, In Rußland Vermißte aus Rheinland und Westfalen nebst angrenzenden Gebieten in Napoleons "Großer Armee" 1812-1813. Neustadt / Aisch 1963
- Scherer, Erich, Beitrag zur Geschichte der Armee des Königreichs Westphalen und der Russisch-Deutschen Legion. Verstorbene deutsche Kriegsgefangene Soldaten in Hospitälern Kaiserlich-Russischer Gouvernements. In: Genealogie Bd. 25 50. Jg. (2001), S. 658-667

(beispielhaft für die französische Verwaltung in den neuen französischen Departements - MTS finden darin keine Erwähnung):

- Graumann, Sabine, Französische Verwaltung am Niederrhein. Das Roerdepartement 1798 - 1814. Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens Bd. 27. Essen 1990

- Stubbe da Luz, Helmut, "Franzosenzeit" in Norddeutschland (1803 - 1814). Napoleons Hanseatische Departements. Bremen 2003



Belegte Nummern (die ursprüngliche Nummerierung wurde beibehalten, lediglich die Nummern der fünf angegliederten Verzeichnisse neu vergeben):
VIII. HA, MTS Nr. 699 - Nr. 1247

Die Sammlung ist zu bestellen: VIII. HA, MTS Nr.

Die Sammlung ist zu zitieren: GStA PK, VIII. HA Siegel, Wappen, Genealogie, MTS Nr.

Berlin, 6. Juli 2005 Dr. Schnelling-Reinicke



Zitierweise: GStA PK, VIII. HA, MTS

Reference number of holding
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, VIII. HA, MTS
Extent
Umfang: 5 lfm (1247 VE); Angaben zum Umfang: 5 lfm (1247 VE)
Language of the material
deutsch

Context
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Date of creation of holding
Laufzeit: 1789 - 1817

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28.03.2023, 8:52 AM CEST

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  • Laufzeit: 1789 - 1817

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