Bestand
230,2/Gutsarchiv Milse (Bestand)
Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 230,2/Gutsarchiv Milse (1456-1980)
Gutsgeschichte
Milse liegt nordöstlich vom Stadtkern Bielefelds zwischen Brake, Altenhagen und Heepen. Das 1151 als Ausstattung der Reichsabtei Herford ersterwähnte Haus/Gut Milse liegt heute nördlich des ursprünglichen Zusammenflusses von Johannisbach und Lutter. Möglicherweise lag das Gut früher weiter südlich und gehörte bereits zum Gründungsbesitz der um 790 gegründeten Reichsabtei Herford, so dass der Ursprung des Gutes eventuell um 800 anzusetzen ist.
Das als Lehen der Reichsabtei Herford und mit weiteren Besitzteilen von den Bistümern Paderborn, Hildesheim und Osnabrück sowie von der Grafschaft Lippe ausgestattete Gut Milse war 1443 an die milites v. V/Warendorf vergeben worden. Mit der curia milse, dem Haupthof, wurde 1494 Jodokus v. V/Warendorf belehnt, bis Äbtissin Margarethe v. Gleichen das Gut Milse für 100 Goldgulden an Lüdecke von Varendorf versetzte. Beim Übergang des Gutes auf Jobst v. Varendorf 1496 erhöhte sich das Pfand auf 150 Goldgulden, 1533 sogar auf 200 Goldgulden. 1548 übernahm Bernhard v. Varendorf das Gut, nach dessen Tod seine Witwe Katharina v. Varendorf geb. V. Brenken.
1625 heiratete der Militär Johann von der Horst die Erbin Felicitas v. Warendorf, die 1624 zur Universalerbin ihres Vaters Jobst v. Warendorf erklärt wurde, und wurde zum Erbgesessenen, nachdem Äbtissin Magdalene ihm den Genuss des Lehngutes bewilligt hatte. Johann von der Horst verpachtete die Länderein 1628 an den Eigenbehörigen Borchmeyer und behielt nur den Marstall, Rittersaal und die Fischereirechte für sich. Dem Gut gegenüber abgabepflichtige Ländereien lagen in den Ämtern Rheda und Rietberg sowie in Brackwede, Altenhagen und Bechterdissen.
1689 errichtete Arnold Christian den Bau des Herrenhauses. 1719 entstanden auf den Gutsflächen die Milser Bleichen, die die Transportkosten für das Leinen verringerten, das zuvor von niederländischen Bleichen oder aus Warendorf heranschafft wurde.
Bis 1744 verblieb der Besitz in der Familie von der Horst, ehe der seit 1743 mit der Sophie Luise von der Horst verheiratete kurpfälzische Kammerherr Philipp Ludwig Freiherr von Hörde zu Schönholthausen den Besitz antrat. Am 13. Juni 1757 lagerten mehrere Tausend Soldaten des Herzogs v. Cumberland aus dem preußischen Heer unmittelbar vor dem Gut, am folgenden Tag plünderten nachstoßende französische Truppen die Bleichen, das Gut Milse und die Kötter. Seit 1760 verwaltete die Regierung Minden das offensichtlich in eine wirtschaftliche Schieflage geratene Gut.
1771 brachte das Gut ein jährliches Einkommen von 2.000 Reichstalern und war teils noch an Herford, Lippe, Paderborn und Osnabrück lehnbar, teils allodial. Nach Nachfolgestreitigkeiten infolge des Ablebens v. Hördes übernahm Kammerrat Joseph Rolff am 27. August 1787 den Besitz. Die 1803 in den Reichsfreiherrnstand erhobene Familie "v. Rolff" brauchte nach dem Reichsdeputationshauptschluss zwar keine Abgaben mehr an die Reichsabtei leisten, sah sich aber aufgrund alter Schulden einer drohen Beschlagnahme ausgesetzt, die der Fürstbischof von Hildesheim als Bischof von Paderborn initiiert hatte. Der Öffentliche Anzeiger für die Grafschaft Ravensberg liefert in diesem Zusammenhang eine vollständige Aufstellunge des Gutsbesitzes einschließlich der Rechte und Gerechtigkeiten. Freiherr Wenzel Anton von Rolff gelang es nicht, das Gut zu halten und verkaufte bereits die Kammerratsheide. 1824/25 tritt Theodor Freiherr v. Fürstenberg-Borbeck als Besitzer auf. 1861 kauften sich die 14 Erbpächter los. 1884 verkaufte Graf Gisbert Egon v. Fürstenberg das 2,6 Millionen qm große Gut an den Gutsbesitzer Eduard Nacke aus Brake und Viehkommissionär Heinrich Harla/eß aus Hannover. Bis 1899/1900 verkauften diese die Flächen bis auf etwa 42.000 qm weiter an die Firma A.W. Kisker aus Bielefeld und verschiedene Kötter, das Wasserschloss mit den Parkanlagen ging 1886 an Heinrich Lott über, der in den Wirtschaftsgebäuden eine Lackfabrik gründete.
Zur Verzeichnung
Der Bestand besteht aus 160 Verzeichnungseinheiten mit einer Laufzeit 1456-1864 (1972/80).
Der Großteil des Gutsarchivs Milse ist wahrscheinlich aufgrund einer von Gustav Heinrich Griese (Heepen) initiierten Sammeltätigkeit des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg zunächst in dessen "Sammelarchiv aus Ravensberger Guts-, Hof-, und Familienbesitz" und anschließend in das Stadtarchiv übernommen worden (siehe Ravensberger Blätter 34 (1934), S. 41). Nach der teilweisen Erstverzeichnung durch Griese gerieten die Gutsarchiv-Bestände während der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg in Unordnung.
Weitere Unterlagen befinden sich im:
- Landesarchiv NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Bestand L 4 S und L 114: von Borries - von Borries, Eckendorf (Depositum) sowie L 82/Reichskammergericht
- Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Bestand Reichskammergericht H 1403/4551: Prozessakte Philipp Ludwig v. Hoerde zu Milse (Bekl.) ./. Johann Wilhelm von der Horst zu Boisdorf (Kläger) wegen des Lehngutes Milse. Weitere Reichskammergerichtsakten der besitzenden Familien sind dort vorhanden.
- Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Bestand Territorialarchiv von Minden und Ravensberg
- Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Bestand Fürstabtei Herford, Landesarchiv.
Zusätzliche Unterlagen bewahrt das Archiv der Familie von Borries in Steinlacke (Gemeinde Kirchlengern) auf, das nur über das Westfälische Archivamt in Münster benutzt werden kann (vgl. Wolfgang Bockhorst (Bearb.), Adelsarchive in Westfalen (Vereinigte Westfälische Adelsarchive, Veröffentlichung Nr. 9), Münster 2012, S. 353f.).
Archivalienbestellungen: Bestand 230,2/Gutsarchiv Milse, Nummer.
Zitation: Stadtarchiv Bielefeld/StArchBI, Best. 230,2/Gutsarchiv Milse, Nr.
Literatur
- Angermann, Gertrud, Land - Stadt - Beziehungen. Bielefeld und sein Umland 1760-1860 (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 27), Münster 1982
- Horst, Karl Adolf von der, Die Rittersitze der Grafschaft Ravensberg und des Fürstentums Minden, Berlin 1894/1899 (ND Osnabrück 1979), S. 58-61
- Rang, Bernhard, Das Rittergut Milse und sein toller Baron, in: Milser Blätter 11 (Dez. 2005), S. 5-8 (= Der Ravensberger - Ein Heimatkalender für das Minden-Ravensberger Land 21 (1949), S. 91-84
- Rath, Jochen, 13./14. Juni 1757: Der Siebenjährige Krieg erreicht Bielefeld – Straßengefechte und Plünderung der Gadderbaumer und Milser Bleichen (https://www.stadtarchiv-bielefeld.de/HRK/01062007)
- Schmidt, Rüdiger, Hof - Rittergut - Gutsbezirk - Bauerschaft - Gemeinde - Stadtteil. 850 Jahre Milse. Ein heimatgeschichtlicher Rückblick [...], in: Milser Blätter 7 (Dez. 2001), S. 1-28
- Weddigen, Theodor, Bielefeld und das Haus Milse im siebenjährigen Kriege, in: 13. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (1899), S. 27-69
Dr. Jochen Rath
Archivleiter
Bielefeld, Dezember 2007
- Bestandssignatur
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230,002/Gutsa. Milse
- Kontext
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Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Nichtamtliches Schriftgut >> Güter
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
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- Letzte Aktualisierung
-
23.06.2025, 08:11 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand