Schloss
Schloß Klein-Glienicke; Berlin, Steglitz-Zehlendorf
Westlich des vom Johannitertor in die Parkanlage führenden Weges erstreckt sich - dem Blick des Besuchers durch eine Mauer zunächst verborgen - das eigentliche Schloss; es ist mit seiner Hauptfassade sowie dem vorgelagerten Ensemble aus Löwenbrunnen und Stibadium nach Südosten zur Königstraße orientiert. Während die Schauseite des Schlosses mit Mittelrisalit, Balkon und Dachterrasse über der Attika besonders betont wird, ist die Gesamtgestaltung des Gebäudes unerwartet schlicht. Auch befindet sich der Schlosseingang nicht hier an repräsentativer Stelle, sondern seitlich am so genannten Hofdamenflügel. Von dort betritt man den rückwärtigen Gartenhof und erreicht den eigentlichen Hauptzugang, eine bescheidene Tür an der Rückseite des Hauses, über einen Laubengang entlang der Hauswand mit Blick auf die Bepflanzung und die hier ausgestellten Kunstwerke.° Karl Friedrich Schinkel hatte beim Umbau das alte Gutshaus mit seinen Wirtschaftsgebäuden in Grundstruktur und Bausubstanz weitgehend erhalten, es lediglich im Geschmack der Zeit und unter Verzicht auf alles Repräsentative verändert. (1) Mit einfachsten Mitteln gelang es ihm, - im engen Zusammenhang mit der Neugestaltung des Parks - eine bauliche Anlage von schlichter Vornehmheit aus mehreren, um zwei Höfe gruppierten Einzelbauten zu schaffen, die ganz dem Wunsch des Bauherrn nach einem weitläufigen Landsitz mit Bezügen zum Sehnsuchtsort Italien und zur klassischen Antike entsprach. In einer strengen klassizistischen Architektursprache formte Schinkel die Altbauten, ein winkelförmiges Gutshaus und zwei Wirtschaftsgebäude, die einen nahezu quadratischen Innenhof einfassen, um und verlagerte den Zugang in den als Blumen- und Antikengarten angelegten Hof. An dessen Nordseite fügte er den zweiten, zum Park hin offenen Hof durch den Neubau einer Remise mit Turm an. Die betont zurückhaltende Gestaltung der Schlossbauten ohne antikisierende Architekturelemente oder Dekor lässt sie zu Gunsten der in die Wandflächen eingemauerten oder in Gartenhof und Park verteilten antiken Bauteile und Skulpturen in den Hintergrund treten. (2) Erst in späteren Bauphasen, seit den 1840er Jahren unter der Verantwortung von Ludwig Persius und danach vor allem unter Ferdinand von Arnim, entstanden im Schlossbereich Bauten und Bauteile, die den wachsenden Wunsch des Prinzen nach Dekoration und Repräsentation sowie den sich wandelnden Zeitgeschmack hin zum Historismus widerspiegeln.° Im Einzelnen wurde 1826-27 nach dem Entwurf Schinkels und unter Bauleitung von Ludwig Persius das barocke Walmdach des einstigen Gutshauses durch ein flaches Zinkdach ersetzt und mit einer vasengeschmückten Attika eingefasst. Die Südfassade des Schlosses wurde sparsam gegliedert mit einem dreiachsigen Mittelrisalit, der im Erdgeschoss als Vorbau mit hohen Fenstertüren, im Obergeschoss als Balkon vor einer Dreifenstergruppe mit kräftigen Vierkantpfeilern gestaltet ist, sowie mit einer Dachterrasse über der Attika. Die Fassade des Westflügels erhielt eine der Südseite entsprechende Aufteilung, jedoch mit einem Scheinrisalit. Während im oberen Geschoss des Hauptgebäudes die Fenster vergrößert und mit Jalousienläden versehen sowie Balkone angebracht wurden, gestaltete Schinkel das Erdgeschoss durch Fenster ohne Gewände und durch kräftigere Putzquader als Sockelzone. Sämtliche Baukörper überzog er mit einem hellen Putz in feiner Quaderung und verlieh ihnen damit ihre einheitliche Wirkung. Die damals im klassizistischen Stil veränderten Innenräume des Schlosses sind nicht erhalten. (3) Den winkelförmigen östlichen Wirtschaftsbau, der zum Teil ebenfalls noch aus der Zeit vor 1800 stammte, verband Schinkel unmittelbar mit dem Hauptgebäude, setzte jedoch den niedrigeren, nun als Hofdamenflügel bezeichneten Trakt mit einem flachen Walmdach deutlich davon ab; auch verkürzte er ihn um ein Drittel, um den Blick vom Gartenhof nach Osten in den Park zu erweitern. (4) Dieser Bauteil ist heute durch den von Ludwig Persius 1840 errichteten tempelartigen, mit reichem Zinkguss-Dekor geschmückten Portikus, die 1844 ebenfalls von Persius gestaltete Aufstockung des Gebäudes sowie einen Anbau aus den 1950er Jahre leicht verändert. (5) Von Persius stammen vermutlich auch die 1842 ausgeführten dekorativen Zinkguss-Reliefs an den vier Pfeilern des Südfassadenrisalits. (6)° ___________________° 1) Bereits 1814-16 hatten Schinkel und sein Bauleiter Persius im Auftrag des Fürsten Hardenberg erste Renovierungs- und Umbauarbeiten am Gutshaus durchgeführt. Vgl. Schinkel in Berlin und Potsdam, Führer zum Schinkeljahr, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1981, S. 65 ff.; Karl Friedrich Schinkel, Eine Ausstellung aus der DDR, hrsg. v. Bauakademie der DDR, Institut für Städtebau und Architektur, Berlin 1982, S. 252 ff.; Schärf 1986, S. 129-179; Schloss Glienicke 1987, S. 9 ff., 304 ff.; Forssman, Erik/Iwers, Peter: Karl Friedrich Schinkel, Seine Bauten heute, Dortmund 1990, S. 36 ff., 121 ff.; Krosigk/Wiegand 1992, S. 37 ff.; Persius Architekturführer 2003, S. 82 f.; Persius Ausstellungskatalog 2003, S. 99 f., 126 f.; Schinkel-Führer 2006, S. 101 ff.° 2) Nehls, Harry: Italien in der Mark, Zur Geschichte der Glienicker Antikensammlung (Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, H. 63), Berlin-Bonn 1987.° 3) Im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen in den 1980er und -90er Jahren wurden der Gartensaal im Erdgeschoss mit dem erhaltenen, von Schinkel gestalteten Fußboden sowie einige Räume im Obergeschoss nach alten Vorlagen rekonstruiert; in den übrigen Räumen wurde nur die farbige Wandgestaltung wiederhergestellt. Vgl. Gehlen 2005, S. 4 f.° 4) Schloss Glienicke 1987, S. 11 ff.; Persius Ausstellungskatalog 2003, S. 126 f.° 5) Der Hofdamenflügel war 1844 um ein Geschoss mit quadratischen Mezzaninfenstern erhöht und mit einem flachen Zinkdach hinter einer Attika versehen worden. (Vgl. Persius Ausstellungskatalog 2003, S. 127.) Durch den Umbau der 1950er Jahre, bei dem an den Hofdamenflügel ein Treppenhaus angebaut wurde, steht der kleine Portikus, der zuvor den Zugang zur Pergola des Gartenhofs markiert hatte, nun vor dem Anbau und dient seitdem als Haupteingang in das Schloss. Gleichzeitig wurden im Inneren Verwaltungsräume, eine Küche und die Haustechnik untergebracht. Durch die Umbauten gingen die Schinkelschen Raum- und Gebäudeproportionen sowie Blickbeziehungen vom Gartenhof in den Park verloren; die gusseiserne Pergola wurde durch eine hölzerne ersetzt. Vgl. Schloss Glienicke 1987, S. 17 f., 254 f.; Persius Architekturführer 2003, S. 82; Schinkel-Führer 2006, S. 106.° 6) Persius Architekturführer 2003, S. 82.°
- Standort
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Königstraße 35B & 35C & 35D & 35E & 36 & 36A / Nikolskoer Weg 3, Wannsee, Steglitz-Zehlendorf, Berlin
- Verwandtes Objekt und Literatur
- Ereignis
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Herstellung
- (wer)
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Entwurf: Schinkel, Karl Friedrich
Entwurf: Persius d. Ä., Friedrich Ludwig
Bauherr: Mirow
- (wann)
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um 1750
- Ereignis
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Umbau
- (wann)
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1826-1827
- Ereignis
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Umbau
- (wann)
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1840
- Letzte Aktualisierung
-
04.06.2025, 11:55 MESZ
Datenpartner
Landesdenkmalamt Berlin. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Schloss
Beteiligte
- Entwurf: Schinkel, Karl Friedrich
- Entwurf: Persius d. Ä., Friedrich Ludwig
- Bauherr: Mirow
Entstanden
- um 1750
- 1826-1827
- 1840