Archivale

Urteilbrief (Entscheidung über Zuständigkeit des Hofgerichts)

Regest: Wilhelm Wernher Freiherr zu Zymbern (Zimmern), Herr zu Wildenstain, an Statt und im Namen des Grafen Rudolf zu Sulz, Hofrichters auf dem Hofe zu Rotwyl, bekennt öffentlich und tut kund, daß er zu Gericht gesessen ist auf dem Hofe zu Rotwyl an der offenen freien kaiserlichen Straß heut dato dieses Briefs. Vor ihm stand der wohlgelehrte Meister Peter Villembach, ein Unterschreiber des Hofgerichts, und legte ihm vor eine versiegelte (= mit Insigel versehene) Schrift von Bürgermeister und Rat der Stadt Reutlingen mit dem Begehr, sie zu verlesen. Sie wurde dann öffentlich in Recht (= vor Gericht) verhört (= angehört). Sie lautet von Wort zu Wort: "Dem Herrn Grafen Rudolf von Sulz, des heil. Reichs Hofrichter zu Rotwyl, und den Rittern und Urteilsprechern daselbst entbieten wir, Bürgermeister und Rat der Stadt Reutlingen, unsern untertänigen Dienst zuvor. Uns hat unser Bürger Cyr Rüwlin eine ihm von Euch, Herr Hofrichter, geschehene Verkündung gezeigt, worin eine Klag von Bernhart Metzgers von Rottenburg zu Rangendingen Prokurator (= Anwalt) wider Cyr Rüwlin verleibt (= einverleibt, enthalten) ist. Nachdem aber unser genannter Bürger seinem genannten Gegenteil (= Gegner) Rechtes vor unserem Stadtgericht nie vorgewiesen ist (= mit seinem Gegner nie einen Prozess vor dem Stadtgericht gehabt hat), auch sein Gegner uns oder unsern Bürger nicht darum angelangt (= belangt) noch ersucht hat und wir und unsere Bürger von kaiserlicher Majestät begnadet und gefreit (= privilegiert) +) sind, daß wir und sie an genanntem Hof (= Hofgericht) und anderen Gerichten um keinerlei Sachen anfänglich vorgeheischen (= vorgeladen) noch beklagt werden sollen laut ihrer Majestät Freiheit (= Privileg), die hiemit gezeugt (= zum Zeugen angerufen) wird, so ist in Kraft dieser Freiheit unser ernstlich Begehr, Euer Gnaden wolle genannten Bernhart Metzger um seine Klag und Forderung, die er an unsern Bürger hat oder zu haben meint, zu Recht (= Prozess) vor unser Stadtgericht weisen und auf die erwähnte Verkündung am Hofgericht nicht weiter prozedieren (= vorgehen). Zusamt dem, daß die Billigkeit das erfordert, wollen wir es um Euer Gnaden gern verdienen (= uns dafür dankbar erweisen). Gegeben und mit dem Insigel der Stadt Reutlingen besiegelt Montag nächst nach Ulrici (= 6. Juli) 1517."
Nach Verlesung dieser Schrift erklärte Meister Peter, er sei der Hoffnung, die Handlung (= Rechtsstreitigkeit) der beiden Parteien werde laut seiner Herren von Reutlingen Privileg, das dann auch vor dem Hofgericht verlesen wurde, remittiert und gewiesen werden.
Dagegen wendete der ehrsame Conrat Mock, ein Unterschreiber des Hofgerichts, im Namen des Bernhart Metzger ein, diese Handlung sollte keineswegs gewiesen werden. Denn es betreffe eine Gewaltsami (= Gewalttat), die an dem Kläger, seiner Partei, begangen sei. Nun würden aber solche und dergleichen Händel niemand als den Kurfürsten und dem löblichen Haus Österreich gewiesen. Deshalb sei es billig, daß mit Recht (= gerichtlich) erkannt werde, daß der Antworter (= Angeklagte) vor dem Hofgericht zu der eingebrachten Klage laut der Verkündung Antwort zu geben schuldig sei.
Die erwähnte Verkündung, wie sie vor dem Hofgericht erklagt (= durch Klage erlangt) war, wurde von dem genannten Prokurator verlesen. Sie lautet von Wort zu Wort so: "Es beklagt sich Bernhart Metzger von Rottenburg, jetzt zu Rangendingen, über Hans Z... von dem Gaisperg, jetzt zu Reutlingen, als der Kläger in der Woche nach dem Tag Philippi und Jacobi in die Stadt Reutlingen reiten wollen, sei der Antworter zu Reutlingen vor dem Tor bei der Brücke gestanden, sei mit einer Gabel gegen ihn gedrungen, habe auf ihn gestochen und ihn so genötet, daß er vom Pferd kam, und ihm sein Pferd genommen und habe es noch. Damit habe der Antworter ihn zu merklichen Kosten und Nachteil gebracht und enthalte ihm mit Gewalt noch das Seinige vor ... 100 Gulden verlieren ... Er hoffe, der Angeklagte solle ihm sein entwendetes Roß zu Handen stellen und um Schmach, Kosten, Schaden und Interesse mit 100 fl Abtrag zu tun (= ihn zu entschädigen) schuldig sein oder über ihn gerichtet werden mit Acht und Anleite (= gerichtlicher Einweisung in Güter des Beklagten), wie Recht ist.
Nach Verlesung dieser Verkündung sagte Meister Peter, diese Sach betreffe keine Gewaltsami. Denn oft geschehe, daß einem ein Roß oder andres verboten (= beschlagnahmt) werde. Solches sei in diesem Fall auch geschehen. Denn wenn der Kläger dem Antworter schuldig worden wäre und hätte zur Erlangung seiner Schuld solch Roß verbieten lassen, so würde das für keine Gewalt (= Gewalttat) geachtet. Und ob gleich (= wenn auch) solches eine Gewaltsami antreffen (= betreffen, bedeuten) würde, was er jedoch nicht gestehe (= zugebe), so wären doch seine Herren von Reutlingen für alle Händel, was für Sachen sie betreffen, als erste Instanz privilegiert.
Conrat Mock erklärte, er lasse die Freiheit (= das Privileg) derer von Reutlingen in ihrem Wert bestehen. Aber des Hofgerichts Freiheit, die von Kaisern und Königen und vom jetzigen Kaiser bestätigt sei, sei etwas über der Freiheit derer von Reutlingen, wie das offenbar und dem Hofgericht wohlbekannt sei. Weil das also eine Ehaftin (= ein Recht) des Hofgerichts sei, hoffe er, seine Partei werde nicht gewiesen (= verwiesen, abgewiesen), sondern die Handlung (= die Sache) vor dem Hofgericht bleiben und der Antworter auf die Klag Antwort zu geben schuldig sein. Und da dieser Streit allein der Remission wegen zu dieser Zeit stattfinde, so sei es unnötig, von der Hauptsach zu disputieren, aber die Handlung sei, wie in der Verkündung erklagt, ergangen.
Da Meister Peter darauf beharrte, daß die Sach billigerweise laut der Freiheit derer von Reutlingen gewiesen werden solle und beide Teile die Sach zu Recht satzten (= vor Gericht brachten), fragte der Freiherr zu Zimmern die Urteilsprecher des Hofgerichts um das Urteil. Diese haben zu Recht erkannt, weil diese Sach eine Gewalttat sei und also eine Ehaftin des Hofgerichts betreffe, so weise (= verweise, überweise) man die Sach nicht. Doch wenn sich der Antworter auf das Schreiben von Bürgermeister und Rat zu Reutlingen verlasse, so gebe man ihm Aufschlag (= Aufschub) bis zum Hofgericht um Zinstag nach dem nächsten St. Jacobs-Tag (= 28. Juli).

Dorsal-/Marginalvermerke: Auf der Rückseite: Urteilbrief, kostet 3 1/2 Gulden.

Archivaliensignatur
A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. 7922
Umfang
Format: 34 x 64,5 cm
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pg.
Sonstige Erschließungsangaben
Zeugen / Siegler / Unterschriften: anhängend Insigel des Hofgerichts

Bemerkungen: +) Privileg des Kaisers Ludwig von 1337

Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26) >> Bd. 26 Rottweiler Hofgerichtsurteile
Bestand
A 2 e (Urfehden u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26)

Laufzeit
1517 Juli 7, Zinstag (Dienstag) nach St. Ulrichs Tag

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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Objekttyp

  • Archivale

Entstanden

  • 1517 Juli 7, Zinstag (Dienstag) nach St. Ulrichs Tag

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