Gebäude

Heidelberg-Weststadt Gaisbergstraße 62

Das Gebäude Gaisbergstraße Nummer 62 wurde laut Georg Dehio (Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler; Baden-Württemberg I; 1993) im Jahre 1903 von J. Allers erbaut. Das J. steht für Josef und dieser Baukörper ist eines der "Highlights" in puncto Jugendstil in Heidelberg. Der Jugendstil als solcher ist die neue Form der Architektur, der Mut zum Experiment mit Formen unter Einbindung teils klassischer Elemente. Josef Allers hat hier beides verwirklicht. Aus der Sicht von Nordosten hat man den besten Blick auf die Hauptfassade in der Gaisbergstraße (links im Bild) sowie auf den in die hier beginnende, nach Westen ziehende Zähringerstraße reichenden Teil. Symmetrie und Asymmetrie sind hier in einem Baukörper vereint. Betrachten wir zunächst die Ostseite im Westen der Gaisbergstraße: Sechs Fensterachsen zählt das Gebäude, hier geht man vom Norden (rechts) aus. Die erste ist verputzt, da sie die Raumtiefe des in die Zähringerstraße reichenden Gebäudeteils einnimmt. Die zweite Achse führt in den beiden Obergeschossen jeweils zwei durch einen Pfeiler getrennte Fenster und im Erdgeschoß ein großes, rundbogig gewandetes. Hier ist ein durchgehender Erker im ersten und zweiten Obergeschoß angebracht, der auf zwei in neuer Form ornamentierten, abgetreppten Konsolen ruht, die durch einen Segmentbogen miteinander verbinden sind. Pro Obergeschoss geht auch je ein schmales Rechteckfenster nach Norden und Süden. Über- zwischen und unter den Fenstern begegnet uns eine Form der Jugendstil-Ornamentik in den Kartuschen: Streng geometrische Linien, teils in regelmäßigen Mustern, teils labyrinthisch angeordnet, dezente Punkte sind mit Goldfarbe hervorgehoben. Dachseitig schließt den Erker eine Terrasse mit solider Brüstung ab, von der nach Westen in die Gebäudetiefe zurückversetzten Dachwohnung aus begehbar. Der Mittelteil ist als zentraler Punkt der Ostseite ausgearbeitet: Im Erdgeschoß, welches über die gesamte Fassadenlänge mit grau-braunem Sandstein in Rustika verkleidet ist und den Gebäude damit eine "massive" Basis unterstellt, ist der vergleichsweise einfache Hauseingang mit großen, unterteilten Oberlicht platziert. Alles ist auf den Eindruck der Höhe ausgelegt. Im ersten Obergeschoss sind vier Rechteckfenster in gleichmäßigem Abstand angebracht. Jeweils das Nördliche und das Südliche sind als Zugangstür zum vorne angesetzten, durchgehenden Balkon ausgebildet, welcher auf Konsolen mit plastischer Ornamentierung ruht. Als Verputz ist hier, wie auch in der Nord- und Südachse in den Obergeschossen, ein blassrosa Ton gewählt, der zum hellen Ocker des Sandsteins in neuer Form kontrastiert. Beachtenswert ist auch das schöne schmiedeeiserne Geländer des Balkons, dessen Ausführung sich am zweiten Obergeschoss wiederholt. Die inneren Trennpfeiler der Fenster hier sind allerdings in blass-ockerfarbenem Sandstein ausgeführt und gleichen Wandpfeilern, die mit Relief-Ornamentik in strengen Linien geschmückt sind. Unter den Fenstern des dritten- oder Dachgeschosses sind Kartuschen mit regelmäßigen geometrischen Ornamenten angebracht, einen Balkon gibt es hier nicht mehr. Schließlich gibt es noch ein zweites Dachgeschoss (welches sich in seiner Tiefe nach Westen erstreckt), welches mit zwei Fenstern nach Osten weist. Auch hier wird die strenge Ornamentik fortgesetzt und die Umrisse des Giebels finden mit strenger Linienführung ihren Abschluss in einer querliegenden ornamentierten Kartusche. Durch den im Süden anschließenden neuerlichen Erker in gleicher Weise die der vorhin beschriebenen im Norden, wird der Mittelteil flankiert und es entsteht eine nahezu turmartige Fassade. Abschließend sind im Süden wiederum Doppelfenster in den Obergeschossen angebracht, auf dem Dachgeschoss schließt eine Terrasse mit schmiedeeisernem Geländer ab, die von der auch hier nach Westen in die Gebäudetiefe zurückgesetzten, doppelfensterigen Fassade zu begehen ist. Jetzt ist es angebracht, sich den Baukörper wieder von Nordosten zu betragen, um die erfrischende Asymmetrie des in die Zähringertraße hineinreichenden Teils zu erfassen: An der nördlichen Achse, die fensterlos und blass-rosa verputzt ist, setzt nach Norden ein weiterer durchgehender Erker in der Ausführung der bereits beschrieben zwei an, allerdings mit dem Unterschied, dass hier im Osten und Westen die Flanken jeweils mit einer durchgehenden, überlappenden Ornamentik versehen sind. Dieser schließt ebenfalls mit einer eine solide Brüstung tragende Terrasse ab. Dachseitig sitzt hier ein großer, mit zwei Fenstern ausgestatteter Giebel auf dessen Räume im Winkel an den nach Westen verlaufenden Zentralteil anschließen. Die Giebelfront erstreckt sich bis in die halbe Fassadentiefe auf der Nordseite und wird im Osten und Wetzen von zwei achteckigen, turmartigen Teilen flankiert. Alles in hellgrau-ockerfarbenem Ton gehalten und mit regelmäßigen geometrischen Mustern versehen, ergibt sich hier eine Dissonanz zu den im Westen an den Erker anschließenden Fensterachsen, da diese wieder in Blass-rosa verputzt sind und nahezu jeglicher Ornamentik entbehren. Allein das Erdgeschoss ist auch hier durchgehend mit Sandstein in Rustica-Ausführung verkleidet. Hier, auf der Nordseite, konzentriert sich der Blick- und Schwerpunkt also auf den östlichen Teil und diese Asymmetrie bildet einen erfrischenden Gegensatz zur Regelmäßigkeit des östlichen Baukörpers. Ach ja, Josef Allers hat auch das Jahr der Fertigstellung am Gebäude vermerkt, aber nicht in einer einzigen Kartusche, sondern auf seine frische, unkonventionelle Art: Zwei Zahlen in den Konsolen des Erkers im Nordosten und zwei weitere in denen des Norderkers im Osten - ergibt 1903! (Baujahr: 1903-04. Bauplanung/Ausführung: Johann Allers. Quelle: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland; Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg, Kulturdenkmale in Baden-Württemberg; Band II.5.2; Stadtkreis Heidelberg; Teilband 2 von Melanie Mertens; ISBN 978-3-7995-0426-3; 2013 Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen am Neckar.) .
Erhaltungszustand: Gut

Urheber*in: Allers, Johann / Rechtewahrnehmung: heidICON - Die Heidelberger Objekt- und Multimediadatenbank | Digitalisierung: Pietschmann, Dieter-Robert

Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International

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Standort
Heidelberg
Sammlung
Städte und Dörfer
Material/Technik
Werkstein; Sandstein; Schmiedeeisen; Mauern; Steinmetz; Schmieden

Verwandtes Objekt und Literatur

Klassifikation
Haus (Gattung)
Jugendstil (Stilistische Einordnung)
Bezug (was)
Architektur
Erker
Konsole
Brüstung
Terrasse
Balkon
Geländer
Kartusche
Ornament
Giebel
Haustür
Oberlicht

Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1903 - 1904

Förderung
Pietschmann, Dieter-Robert
Letzte Aktualisierung
05.03.2025, 16:25 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Universitätsbibliothek. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Gebäude

Beteiligte

Entstanden

  • 1903 - 1904

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