Bestand

Professor D. Günther Dehn (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Professor D. Günther Dehn Günther Dehn (1882-1970) stieß als Berliner Domkandidat und Inspektor auf Christoph Blumhardt, Heinrich Lhotzky und den Schweizer religiösen Sozialismus. 1911 trat er die zweite Pfarrstelle der Reformationsgemeinde im Arbeiterviertel Berlin-Moabit an. Die Annäherung der Kirche an die sozialistischen Arbeiterparteien und -vereine empfand er als eine Notwendigkeit, auch wenn seine aktive Mitgliedschaft nur kurze Episoden blieben. Nach der Novemberrevolution 1918 gründete er nach Schweizer Vorbild einen "Bund sozialistischer Kirchenfreunde", war Mitarbeiter des Evangelisch-Sozialen Kongresses 1920, trat während des Kapp-Putsches der SPD bei und war Mitglied des "Bundes der religiösen Sozialisten". Dem "Neuwerk" fühlte er sich eng verbunden und leitete den Berliner Kreis. Die Universität Münster verlieh ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die Predigt und um die Jugendarbeit 1926 die Ehrendoktorwürde. Sein Vortrag über "Kirche und Völkerverständigung" im November 1928 im Gemeindesaal der Ulrichskirche in Magdeburg trug ihm den Vorwurf des Pazifismus deutschnationaler Kreise ein. Das Konsistorium in Berlin missbilligte seine Rede. Auf seine Berufung im Dezember 1930 auf den Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Heidelberg musste er verzichten, weil sich die Theologische Fakultät und der Senat der Universität aufgrund eines Artikels in den nationalistischen "Eisernen Blätter" über die Magdeburger Vorgänge sich gegen ihn aussprachen. Der preußische Kultusminister Adolf Grimme bot ihm daraufhin den Lehrstuhl in Halle an. Der Protest national gesinnter Studenten gegen Dehn mündete Anfang November 1931 in Auschreitungen auf dem Universitätsgelände. Während des Sommersemesters 1932 stellte sich die Mehrheit der Professoren auf die Seite dieser Studenten. Im Oktober 1932 wurde Günther Dehn zunächst beurlaubt. Mit seiner Entlassung aus dem Staatsdienst am 21.11.1933 endete der "Fall Dehn". Nach seiner Hilfspredigerzeit in der Berliner Gemeinde "Zum Heilsbronner" arbeitete er in einer Vielzahl von Gremien der Benennden Kirche mit, u.a. im Schul- und Erziehungsausschuss und der Prüfungskommission. 1936 bis 1941 hielt er praktische und neutestamentliche Vorlesungen und leitete homiletische und katechetische Seminare an der Kirchlichen Hochschule in Berlin. Das Sondergericht bei dem Berliner Landgericht sah insbesondere in seiner Prüfungstätigkeit für die Bekennende Kirche einen Verstoß gegen die Verordnung zum "Schutz von Volk und Staat" und bestrafte ihn 1941 mit vierzehn Monaten Gefängnis. Nach seiner Entlassung bot ihm der württembergische Landesbischof eine Pfarrstelle in Ravensburg an. 1946 wurde Günther Dehn auf den Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Bonn berufen. 1952 wurde er zwar emeritiert, hielt aber vertretungsweise bis 1954 Vorlesungen und Seminare ab. Inhalt: Persönliche Dokumente - "Fall Dehn" - Prozess vor dem Sondergericht I des Landgerichts Berlin - Gefängnistagebuch W-iederaufnahme des Disziplinarverfahrens und Entschädigung - Vorlesungen und Seminare - Predigten und Meditationen - Zeitschriftenaufsätze, Zeitungsartikel, Aufsätze und Gutachten - Nachlassliteratur - Fotografien. Literatur: Günther Dehn, Die alte Zeit - die vorigen Jahre. Lebenserinnerungen, München 1964; J.F. Gerhard Goeters, Artikel "Günther Dehn", in: TRE Bd. 8, Berlin 1981, S. 390-392. Akzessionsdatum: 1986 Einleitung des Findbuchs Günther Carl Dehn wurde als Sohn des Postinspektors Carl Dehn und dessen Ehefrau Kathinka, geborene von Groß, am 18.04.1882 in Schwerin geboren. Die Familie zog mehrmals um. Er besuchte die private Schönfeldsche Schule in Berlin und die Gymnasien in Köslin und Konstanz. Das Abiturienten-Zeugnis erhielt er am 25.07.1900. Nach dem Abitur studierte er zunächst die Fächer Germanistik und Geschichte in Berlin (Wintersemester 1900/01) und Halle (Sommersemester 1901 und Wintersemester 1901/02). Im vierten Semester (Sommersemester 1902), an der Universität Bonn, nahm er zum philologischen Studium das der Theologie hinzu. Zum folgenden Wintersemester ging er nach Berlin zurück und studierte an der dortigen Universität fünf Semester (bis zum Wintersemester 1904/05) ausschließlich Theologie. Vor der Prüfungskommission des Konsistoriums der Provinz Brandenb-urg legte er am 09.01.1906 die erste, am 30.06.1908 die zweite theologische Prüfung ab. Den obligatorischen, sechswöchigen Kursus an einem Lehrerseminar absolvierte er in Königsberg in der Neumark (Februar und März 1906). Anschließend wies ihn das Berliner Konsistorium an, am 01.04.1906 das Vikariat bei Superintendent Dreising in Boitzenburg anzutreten. Im Januar 1907 trat er in das Königliche Domkandidatenstift (Berliner Predigerseminar) ein. 1908 wurde er zunächst Adjunkt des Stifts. Nach dem bestandenen zweiten Examen wurde er am Tag seiner Ordination in der Berliner Marienkirche (26.07.1908) in die dritte Domhilfspredigerstelle berufen. Ab dem 01.11.1908 nahm er dann die Stelle des ersten Adjunkten und ab dem 01.05.1909 die des Inspektors des Königlichen Domkandidatenstifts ein. Ende September 1911 verließ er das Stift und trat am 01.10.1911 die zweite Pfarrstelle der Reformations-Kircheng-emeinde zu Berlin-Moabit, Diözese Berlin Stadt II, an. Im August 1915 heiratete er Luise (Isa) Lahusen, die älteste Tochter des Berliner Generalsuperintendenten Friedrich Lahusen. In den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges betreute er Kriegsgefangene in den Lagern bei Arnheim und Hattem (Niederlande). Während des Kapp-Putsches trat er der SPD bei, 1922 aus. Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelmsuniversität verlieh ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die Predigt und um die Jugendarbeit am 31.07.1926 die Ehrendoktorwürde. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis zu seiner Professur an der Universität Halle 1931 und wiederum nach 1933 leitete er den Berliner Kreis des "Neuwerks". Zudem war er bis 1921 Vorsitzender des "Bundes sozialistischer Kirchenfreunde". Der "Fall Dehn" (Hallischer Universitätskonflikt) nahm seinen Anfang mit einem Vortrag über "Kirche und Völkerversöhnung", den Günther Dehn am 06.11.1928 im Gemeindesaal der Ulrichskirche in Magdeburg hielt. Er befaßte sich mit dem Problem des Pazifismus und mit der Stellung der Christen zum Krieg. Das Berliner Konsistorium forderte ihn Mitte Dezember 1928 auf, sich im Hinblick auf die eingegangenen Beschwerden zu rechtfertigen. Schließlich eröffnete ihm diese Behörde, sich in Zukunft vorsichtiger auszudrücken. Ansonsten verfolgte sie diese Angelegenheit zunächst nicht weiter. Im Dezember 1930 erhielt er auf Vorschlag der Theologischen Fakultät der Univ-ersität Heidelberg die Berufung des Badischen Kultusministeriums für den Lehrstuhl für Praktische Theologie. Der Herausgeber der nationalistischen "Eisernen Blätter" D. Gottfried Traub veröffentlichte daraufhin einen Artikel über die Magdeburger Vorgänge, mit der Folge, daß sich die Theologische Fakultät und der Senat gegen eine Professur Günther Dehns aussprachen. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Artikels von Gottfried Traub bot der preußische Kultusminister Adolf Grimme Günther Dehn einen Lehrstuhl für praktische Theologie an der Universität Halle an. Er sagte am 01.02.1931 zu. Die Berufung stieß auf Proteste national gesinnter Studentenkreise in Halle. Es kam am 03. und 04.11.1931 zu Ausschreitungen der Studenten auf dem Universitätsgelände. Die Auseinandersetzungen zogen sich über das Wintersemester 1931/32 und das Sommersemester 1932 hin. In deren Verlauf ergriff die Mehrheit der Professoren schließlich die Partei der Studenten. Im Oktober 1932 wurde Günther Dehn zunächst beurlaubt und am 21.11.1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Nachdem Günther Dehn ein halbes Jahr in England verbracht hatte, ging er Mitte des Jahres 1933 nach Berlin zurück und übernahm für neun Monate das Amt eines Hilfspredigers in der BK-Gemeinde "Zum Heilsbronner". Seit Ende des Jahres 1934 arbeitete er in einer Reihe von Kommissionen der BK mit, u.a. im Schul- und Erziehungsausschuß und der Prüfungskommission. Im Sommer 1936 wurde ihm das Lehramt an der am 01.11.1935 eröffneten Kirchlichen Hochschule in Berlin angetragen. Dort hielt er bis zum Mai 1941 praktische und neutestamentliche Vorlesungen ab und leitete homiletische und katechetische Seminare. Am 09.05.1941 wurde er verhaftet. Das Sondergericht I bei dem Landgericht in Berlin sah in seiner Prüfungstätigkeit für die BK einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat und verurteilte ihn am 22.12.1941 zu einem Jahr Gefängnis. Insgesamt verbrachte er vierzehn Monate in verschiedenen Berliner Haftanstalten. Nach seiner Entlassung am 03.07.1942 bot ihm der württembergische Landesbischof D. Wurm die dritte Pfarrstelle in Ravensburg an. Er trat sie am 21.10.1942 an und übte dieses Amt bis Ende des Jahres 1945 aus. Der Oberpräsident der Nordrhein-Provinz berief Günther Dehn zum 01.04.1946 auf den Lehrstuhl für praktische Theologie an der Universität Bonn. Am 31.03.1952 wurde er zwar emeritiert, hielt aber weiterhin bis 1954 vertretungsweise Vorlesungen und Seminare ab. Als Abgeordneter der Bonner Theologischen Fakultät nahm er an den Synoden der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Union teil. Zudem hielt er drei Semester lang an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal Vorlesungen und Übungen ab. Günther Dehn verstarb am 17.03.1970. Der Nachlaß Günther Dehns wurde von seinen Söhnen Christoph und Karl-Friedrich dem Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland am 04.04.1986 zur Aufbewahrung übergeben. Seit der Übergabe befand sich dieser Bestand in sieben Kartons im Archivkeller. Diese enthielten amtliche Dokumente, Briefe, Zeitungsausschnitte zum Konflikt in Halle, Tagebücher der Gefängniszeit, Predigten, Vorlesungsmanuskripte und Literatur. Der Nachlaß wurde von März bis Mai 1988 verzeichnet. Die Titel der ursprünglichen Akten stehen in Anführungszeichen und wurden zumeist durch Zusätze ergänzt. Die Briefe wurden chronologisch geordnet. Ansonsten wurde die vorgefundene Ordnung der Akten beibehalten. Es wurden lediglich die Metallteile entfernt und die Blätter in Archivmappen eingelegt bzw. eingeheftet. Eine Übersicht über die Schriften Günther Dehns und über die Literatur zu seiner Person bietet der Artikel von J.F. Gerhard Goeters in der Theologischen Realenzyklopädie, Bd. UIII, Berlin 1981, S. 390-392. Düsseldorf, im Mai 1988 Michael Hofferberth

Bestandssignatur
7NL 005

Kontext
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (Archivtektonik) >> 7NL Nachlässe >> 7NL 005 Professor Günther Dehn

Weitere Objektseiten
Geliefert über
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Letzte Aktualisierung
23.06.2025, 08:11 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Ähnliche Objekte (12)