Bestand

[S 1] 10 Wolffsche Stiftung (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Geschichte und Überlieferung

Im November 1873 schlossen die Diakonissenanstalt Sarepta und der Lemgoer Armenvorstand einen Vertrag über die Entsendung einer Diakonisse zur Ausübung der Gemeindepflege, vor allem armer Kranker, in Lemgo. Erst 1877 konnte allerdings das ehemalige Leggegebäude am Rampendal (nach zweijähriger Umbauzeit) als Krankenhaus bezogen werden. Die Trägerschaft für das Krankenhaus übernahm der Vaterländische Frauenverein (siehe V 32/50). Nachdem Sarepta immer wieder die engen Räumlichkeiten bemängelt hatte, wurde das Haus 1890/1891 erweitert. Zeitweilig arbeiteten vier Schwestern im Krankenhaus, die trotzdem überlastet waren.

Zum Glück für Lemgo trat der Konsul August Louis Wolff (1825-1911) auf den Plan. Er entstammte einer traditionsreichen Lemgoer Kaufmannsfamilie. August Louis war um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert (man findet seinen Namen allerdings nicht in den Auswandererlisten des Fürstentums Lippe), wo er nach 1854 in Burlington (Iowa) lebte und einen Großhandel für Bekleidung zusammen mit seinem Schwager Andrew Kaiser führte. 1861 wurde Wolff vom Senator von Iowa, James Grimes, bei Präsident Lincoln für das Amt des Konsuls in Basel vorgeschlagen. Warum August Louis Wolff erwählt wurde, ist nicht zu ergründen. Jedenfalls bekleidete er von 1861 bis 1869 das Amt des Konsuls in Basel, bevor er 1871 nach Frankfurt a.M. umsiedelte. Dort lebte er bis an sein Lebensende. Am 8. April 1897 starb seine Schwester Emilie Luise Wilhelmine in Lemgo, die seine letzte lebende nähere Verwandte war. Anlässlich dieses Besuchs muss es zu Verhandlungen zwischen Wolff und der Stadt Lemgo gekommen sein, denn am 25. August 1897 schloss er mit der Stadt Lemgo einen Vertrag über die Schenkung von 200 000 Mark zur Errichtung des Krankenhauses (Abschrift des Vertrags in V50/6).

So konnte am 27. Juni 1899 an der Rintelner Straße der Grundstein für das neue Krankenhaus gelegt werden (siehe V50/12), das schließlich am 18. Dezember 1900 eingeweiht wurde. Der Vaterländische Frauenverein übereignete der Wolffschen Stiftung das Inventar des ehemaligen Krankenhauses am Rampendal. Der Tischlermeister und Ratsherr Wilhelm Stapperfenne wurde zum Rechnungsführer ernannnt. 1906 konnte die neugebaute Kapelle in Gebrauch genommen werden, wo neben Trauerfeiern in einem eigenen Sezierraum auch Leichenöffnungen stattfanden. 1913/14 wurde im Park eine Baracke, das sogenannte Isolierhaus, errichtet, wo Patienten mit ansteckenden Krankheiten unterkommen sollten, um eine Ausbreitung der Krankheiten zu vermeiden. Nachdem im Februar 1914 der Chirurg Oswald von Möller angestellt wurde, wurde das Krankenhaus nach Kriegsausbruch als Lazarett für Kriegsverwundete genutzt. 1915 trat die Diakonisse Anna Wöhler ihre Stelle als Oberin des Krankenhauses an und blieb in dieser Stellung bis zum Abzug der Betheler Schwestern im Jahre 1929.

Am 9. November 1920 wurde die "Dank- und Gedächtnisstiftung der alten Hansestadt Lemgo und Umgebung für ihre Krieger" gegründet, die sich die Einrichtung einer Liegehalle für Knochentuberkulose verschrieben hatte (siehe V 50/10). Mit den Mitteln der Stiftung, der Stadt Lemgo, des Landes Lippe sowie der Landesversicherungsanstalten Münster und Hannover konnte die Spezialabteilung 1923 fertig gestellt werden und erzielte beachtliche Behandlungserfolge.

1922 ersetzte Inspektor Jungeblut den Rechnungsführer Stapperfenne, der wenige Monate später verstarb. Im selben Jahr wurden ein Stall- und ein Wirtschaftsgebäude errichtet, um die Ländereien (die vorher verpachtet gewesen waren) selbst bewirtschaften zu können. Ab September 1923 vertrat Dr. Gustav Kleßmann den an Tuberkulose erkrankten Krankenhausdirektor Dr. Oswald von Möller. Dr. Kleßmann wurde 1924 schließlich ganz offiziell von Möllers Nachfolger als Direktor des Krankenhauses. Um diese Zeit herum wurde ein neues Isolierhaus errichtet und das alte als Altmännerheim genutzt. Die weiblichen Siechen wurden übrigens im alten Krankenhaus am Rampendal unter der Regie des Vaterländischen Frauenvereins (siehe zum Vaterländischen Frauenverein auch V 32 Nr. 50) untergebracht. Ab 1938 wurde das Gebäude dann als Ärztehaus genutzt, die vorherigen Bewohner zogen in die Anstalt Eben-Ezer.

Bereits ab 1920 wurde mit der Diakonissenanstalt Sarepta die Einrichtung einer Krankenpflegeschule in Lemgo diskutiert. 1926 konnte diese Schule schließlich realisiert werden. 1930/31 wurde das Krankenhaus leicht erweitert, was nur durch die Anhebung der Pflegesätze zu finanzieren war. Gleichzeitig wurde eine offene Liegehalle für Tbc-Kranke eingerichtet. Nachdem 1929 die Diakonissen das Lemgoer Krankenhaus verlassen hatte, wurde im März 1931 Schwester Lotte Grabbe als Oberin eingeführt. Sie versah dieses Amt bis zu ihrem Tod 1947. Ihre Nachfolgerin wurde eine Verwandte, Schwester Luise Grabbe.

Ab 1938 gingen immer mehr Sitze im geschäftsführenden Ausschuss der Wolffschen Stiftung von der Stadt Lemgo an den Kreis über. Der Stiftungscharakter sollte aufgehoben werden und das Krankenhaus in den Besitz des Kreies übergehen. Durch den Kriegausbruch 1939 konnte dieser Plan nicht verwirklicht werden. Die Innere Abteilung in Haus I musste geräumt und als Lazarett-Abteilung eingerichtet werden. Um den Bettenverlust auszugleichen wurde durch Vermittlung der lippischen Landesregierung ein freies Haus in der Anstalt Lindenhaus (Frauenhaus IV), für Infektionskranke (zuerst Tuberkulose und Scharlach) hergerichtet. Somit wurde in der Wolffschen Stiftung das Isolierhaus frei und konnte als Innere Abteilung genutzt werden. 1942 pachtete das Krankenhaus ein weiteres Gebäude auf dem Gelände des Lindenhauses (Frauenhaus III), das allerdings erst umgebaut werden musste. Ab Ende 1944 wurde ein drittes Gebäude des Lindenhauses (Männerhaus IV) als Ausweichstation umgebaut. Die Umbauten wurden im Juli 1945 fertiggestellt. Nach Kriegsende musste Dr. Kleßmann vor den Entnazifierungsausschuss treten. Mit Unterstützung durch seine Kollegen, den geschäftsführenden Ausschuss und weiten Teile der Lemgoer Bevölkerung wurde er schließlich entlastet und konnte auf seinen Posten zurückkehren. 1952 konnte schließlich die Stiftung aufgehoben werden und der Besitz des Krankenhauses an den Kreis Lemgo übergehen. Zeitgleich wurde Inspektor Jungeblut durch den Inspektoranwärter Hermann Bergmann ersetzt, der seinen Dienst bis 1976 im Kreiskrankenhaus versah.

Überlieferung

Der Bestand wurde dem Stadtarchiv durch eine Abgabe von Fred Salomon (Kreiskrankenhaus Lemgo) übereignet (Zugangsnr.: 2014/028). Das Fotoalbum zum 60. Geburtstag von Chefarzt Dr. Gustav Klessmann (V50/17) ist über Dr. Rüdiger Klessmann (Volksstraße 25, 86150 Augsburg) ins Archiv gelangt (Zugangsnr.: 2000/18). Das Fotoalbum zur Verabschiedung wurde dem Stadtarchiv von Dr. Horst-Alfred Kleßmann, Leuchte 14, 32657 Lemgo, geschenkt (Zugangsnr.: 2014/61). Das Fotoalbum zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Verwaltungsdirektor Hermann Bergmann wurde von Dr. Stefan Wiesekopsieker aus Bad Salzuflen erworben (Zugangsnr.: 2015/059).

Verweise

Unterlagen zur Wolffschen Stiftung finden sich auch im Bestand A 2469 bis A 2488 sowie B 2551, B 2879 und B 5146 bis B 5150.

Private Unterlagen (u.a. Personenstandsdokumente) von Dr. Gustav Klessmann finden sich im S-Bestand unter S 333.

Für die Überlieferung nach 1952 ist das Kreisarchiv Lippe zuständig.

Inhalt

Der Bestand umfasst u.a. zwei Fotoalben von Heinrich Starke zur Geschichte des Krankenhauses, ein Fotoalbum zum 60. Geburtstag von Chefarzt Dr. Kleßmann (ehemals N 6/23), ein Fotoalbum zur Verabschiedung von Dr. Kleßmann, ein Fotoalbum zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Verwaltungsdirektor Hermann Bergmann, zwei Protokollbände des geschäftsführenden Ausschusses, Hebammen-Tagebücher und weitere Materialien zur Geschichte des Krankenhauses. Die Unterlagen entstammen nur zum Teil tatsächlich der Wolffschen Stiftung. Ein anderer Teil ist bei den Bearbeitern der Publikation "Von der Wolffschen Stiftung zum Klinikum Lemgo" entstanden bzw. nachträglich gesammelt worden.

Daneben sind 92 Glasplattennegative und 155 lose S/W- und Farbabzüge/Positive im Bestand, die nicht einzeln verzeichnet, dafür aber nach Sachgruppen systematisiert worden sind. Die Glasplattennegative wurden vermutlich für die Fotoabzüge in den Fotoalben verwendet.

Die Laufzeit des Bestandes beträgt 141 Jahre, von 1859 bis 1999.

Literatur

Burkhard Meier und Fred Salomon: Von der Wolffschen Stiftung zum Klinikum Lemgo. Ein Jahrhundert in Berichten, Bildern und Dokumenten, Detmold 2000 (Bibliothekssignatur 5185).

Gustav Kleßmann: Ansprache anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Krankenhauses Wolffsche Stiftung in Lemgo (Bibliothekssignatur 6641).

Marianne Bonney: Dienst am Kranken einst und jetzt. Die Entwicklung des Lemgoer Krankenhauses an der Rintelner Straße, In: Lemgoer Hefte (1981) Heft 13 und 14 (Bibliothekssignatur 9130).

Marianne Bonney: Klinikum Lemgo im Dienst am Kranken, In: Lemgoer Hefte (1999) Heft 1 (Bibliothekssignatur 9130).

Karl Meier: 50 Jahre Kreiskrankenhaus Wolffsche Stiftung Lemgo. Einweihung des Neubaus, Lemgo 1950 (Bibliothekssignatur 1765).

Hartl, Mai 2014.

Bestandssignatur
10 V 50

Kontext
Stadtarchiv Lemgo (Archivtektonik) >> Private Organisationen, Vereine und Parteien

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Letzte Aktualisierung
06.03.2025, 18:28 MEZ

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