Akten | Bestand
Nachlass Lehmann, Julius Friedrich (Bestand)
Vorwort: Julius Friedrich Lehmann (1864-1935) war ein deutscher Verleger und Gründer des J. F. Lehmanns Verlags, der medizinische, völkische und rassische Literatur veröffentlichte. Um die Jahrhundertwende hat Lehmann erheblich dazu beigetragen, dass München zu einem frühen Zentrum des Antisemitismus in Deutschland wurde; in der Weimarer Republik war Lehmann ein früher Förderer der NSDAP. Nachdem Lehmann dieser Partei bereits von 1920 bis zu deren Verbot 1923 angehört hatte, trat er ihr Ende 1931 erneut bei. Julius Friedrich Lehmann wurde 1864 als viertes Kind des Arztes Friedrich Lehmann aus Frankenthal (Pfalz) und seiner Ehefrau Friederike, geborene Spatz aus Speyer in Zürich geboren. Nach der Schule begann er eine Lehre als Buchhändler in Zürich. Anschließend war er in Brüssel, in Frauenfeld und ab 1889 in Leipzig tätig. 1892 heiratete er Melanie Petersen (1865-1953), eine Tochter des Reichsgerichtsrats Julius Petersen (1830-1909). Das Paar hatte einen Sohn, der im Ersten Weltkrieg fiel, und fünf Töchter, darunter Mathilde Lehmann, verheiratet mit Friedrich Weber (1892-1955, Freikorpsführer und Reichstierärzteführer – sein kleiner Nachlass wird ebenfalls im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt), Irmgard Lehmann, verheiratet mit Hans Zeiß (1895-1944, Professor für Vor- und Frühgeschichte), und Frieda Lehmann, verheiratet mit Otto Spatz (1900-1989, deutscher Buchhändler, Verleger und Schriftsteller, ab 1950 Leiter des J.F. Lehmanns Verlags). Im September 1890 gründete Lehmann den J.F. Lehmanns Verlag in München. Dieser hatte seinen Sitz für viele Jahre in der Paul-Heyse-Straße 26, ab 1966 dann am Agnes-Bernauer-Platz 8. Er entwickelte sich bis zum Ersten Weltkrieg vor allem durch seine anatomischen Handatlanten und die Münchener Medizinische Wochenschrift zu einem der auch international bedeutendsten deutschen medizinischen Fachverlage. Ab der Jahrhundertwende trug Julius Friedrich Lehmann gerade mit Hilfe seines Verlages erheblich dazu bei, dass München zu einem frühen Zentrum des Antisemitismus in Deutschland wurde. Seit 1897 erschienen im J.F. Lehmanns Verlag außerdem zahlreiche politische Flugschriften des nationalistischen Alldeutschen Verbandes und erste wehrwissenschaftliche Publikationen. Lehmann gehörte dem rechtsnationalen Spektrum der bürgerlichen Gruppe in München an und organisierte sich in der völkischen Bewegung. Im Alldeutschen Verband (ADV) war er im geschäftsführenden Ausschuss seit 1893 tätig; in seinem Verlag erschien unter anderem die vom ADV herausgegebene Schriftenreihe Der Kampf um das Deutschtum. Lehmann gehörte der Thule-Gesellschaft an, war Mitglied im Deutschen Schulverein von Wilhelm Rohmeder und unterstützte den Deutschen Flottenverein. Ab etwa 1905 wandte sich Lehmann verstärkt dem Thema der Rassenlehre und ihren Vertretern zu, in den folgenden Jahren veröffentlichte sein Verlag dementsprechende Schriften. Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkte der Verlag deutlich die Produktion nationalistischer und wehrwissenschaftlicher Schriften, wie er sich auch zum bedeutenden Verlag für „rassenkundliches und rassenhygienisches“ Schrifttum entwickelte. Auch unterstützte Lehmann insbesondere Veröffentlichungen zur Dolchstoßlegende. Die Reihe der Bücherserie Unbesiegt, in welcher zahlreiche Generäle ihre Erinnerungen veröffentlichten, erlangte deutschlandweite Bekanntheit. Seit 1929 unterstützte der J.F. Lehmanns Verlag offen die auf Reichsebene noch unbedeutenden Nationalsozialisten. Nach deren Machtübernahme wurden die Zeitschriften des Verlags zu offiziellen Organen der NS-Rassenpolitik. Auch die offiziellen Kommentare zum "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" und zum "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre und Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes" erschienen im J.F. Lehmanns Verlag. Zu seinem 70. Geburtstag 1934 wurde Lehmann für sein Engagement von der NSDAP mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches und der Goldenen Ehrennadel der Partei geehrt. Die medizinische Fakultät der Universität München ernannte ihn zudem zum Ehrendoktor. Der seit dem Tode Lehmanns im Jahr 1935 von Friedrich Schwartz geleitete Verlag wurde mehrmals als "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" ausgezeichnet und gehörte zu den wenigen als "kriegswichtig" eingestuften Verlagen, die ihre Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg nicht einstellen mussten. Nachdem die Alliierten den J.F. Lehmanns Verlag 1945 wegen seiner pronationalsozialistischen Ausrichtung zunächst verboten hatten, nahm er 1950 unter der Leitung von Otto Spatz (1900-1989), Schwiegersohn von Julius Friedrich Lehmann, wieder den Betrieb als medizinischer Verlag auf. Bis zu seiner Liquidierung 1979 konnte er an seine vormalige Bedeutung aber nicht mehr anknüpfen. Hauptbestandteile des Bestandes sind neben familiengeschichtlichen und persönlichen Papieren von Julius Friedrich Lehmann seine umfangreiche Korrespondenz einerseits auf privater Ebene u.a. mit seinen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern, andererseits auf politischer und geschäftlicher Ebene mit einer Vielzahl von Politikern, Militärs, Medizinern etc. häufig von Rang und Namen aus dem rechtsnationalen, völkischen und antisemitischen Umfeld. Besonders zu nennen ist auch seine Korrespondenz mit dem Hause Hohenzollern, mit der Familie Wagner, mit Adolf Hitler und Erich Ludendorff. Dokumentiert ist zudem Lehmanns aktive Beteiligung bei der Zerschlagung der Räterepublik sowie seine Unterstützung für die Beteiligten des Hitler-Putsches, u.a. seines Schwiegersohns Friedrich Weber. Weiterhin findet sich Material zu Lehmanns Aktivitäten für den Verein für das Deutschtum im Ausland und die Ortsgruppe München des Alldeutschen Verbandes sowie über die von ihm initiierte Münchner Aktiengesellschaft zur Erwerbung und Restaurierung der im Trentino gelegenen Burg Persen (Pergine), um die Anlage für die Anliegen der Alldeutschen Bewegung und des deutschnationalen Tiroler Volksbunds zu nutzen. Auch die Aktivitäten auf Burg Hoheneck bei Ipsheim, die Lehmann 1921 erworben und der NSDAP für verschiedenste Veranstaltungen überlassen hatte und die 1939 zur Tierärzteschulungsburg ausgebaut wurde, sind bestens dokumentiert. Einen weiteren wichtigen Stellenwert innerhalb des Bestandes nimmt die Überlieferung des J.F. Lehmanns Verlags ein (u.a. geschäftliche Korrespondenz und organisatorische Unterlagen). Nicht zuletzt findet sich im Nachlass auch vielfältiges Material von Melanie Lehmann, der Frau von Julius Friedrich Lehmann (u.a. persönliche Dokumente, Korrespondenzen, Tagebücher und Chroniken). Der Nachlass von Julius Friedrich Lehmann gelangte in zwei Teilen ins Bayerische Hauptstaatsarchiv: Am 22. Juli 2015 übergab Felizitas Kühhorn, die Tochter der o.g. Friedrich und Mathilde Weber, einen Teil des Nachlass ihres Großvaters. Am 3. September 2015 konnte von Prof. Günther Spatz, einem Cousin von Felizitas Kühhorn und Nachkomme des o.g. Otto Spatz, ein weiterer Nachlassteil erworben werden. Joachim Glasner 17.1.2020
- Bestandssignatur
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NL Lehmann Julius Friedrich
- Umfang
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75
- Sprache der Unterlagen
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ger
- Kontext
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Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 5 Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen >> 5.1 Nachlässe und Familienarchive >> 5.1.2 Nachlässe >> Nachlässe L - P
- Provenienz
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Nachlass Lehmann, Julius Friedrich
- Bestandslaufzeit
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1834 - 1997
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:04 MESZ
Datenpartner
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
- Akten
Beteiligte
- Nachlass Lehmann, Julius Friedrich
Entstanden
- 1834 - 1997