Sachakte

(1) L 1023 (2)~Kläger: Bürgermeister, beide Räte, Meinheit und Dechen der Stadt Lemgo (3)~Beklagter: Graf Simon (d.J.) zur Lippe, die Ladung ist zudem gegen den Kanzler, Dr. Konrad Niebecker, und den Amtmann zu Brake, Johann Wippermann, gerichtet, (4)~Prokuratoren (Kl.): Dr. Johann Jakob Kremer [1610] 1613 Prokuratoren (Bekl.): Gödelmann (1613) (5)~Prozessart: Mandati de relaxando captivo sine clausula cum citatione Streitgegenstand: Für eine nicht zurückgezahlte Schuld von 23½ T. hatte ein Bauer dem Lemgoer Bürger Hans Prott 2 Pferde als Sicherheit gesetzt. Als er mit Pferden in die Stadt kam, hatte nach Angaben der Kläger der Stadtrichter das Gesuch der Frau Protts, die Pferde festzuhalten, unter Verweis auf einen gräflichen Befehl, er dürfe keinem Bürger mit Arresten gegen Bürger helfen, abgelehnt. Daraufhin hätten die Bürgermeister, die in Fällen von Abwesenheit oder Untätigkeit des Stadtrichters Akte der Justiz veranlassen könnten, die Arrestierung durch den Stadtdiener, Henrich Balve, angeordnet. Dagegen wiederum hätten die Beklagten (Graf Simon d.J. in Abwesenheit seines Vaters) einen Bürgern gehörenden Wagen Roggen mit 3 Pferden abgefangen und nach Haus Brake bringen lassen mit der Drohung, falls die Pferde des Bauern nicht freigegeben würden, weitere festnehmen zu wollen. Die Klage richtet sich dagegen, daß, obwohl daraufhin mit Zustimmung von Protts Frau die Pferde wieder freigegeben worden seien, der Stadtdiener, als er auf Haus Brake zu tun gehabt habe, gefangengenommen und gefesselt worden sei, seiner Frau der Zugang verwehrt wurde und Abgesandten der Stadt eine Begründung außer der allgemeinen Aussage, er habe die gräfliche Hoheit verletzt, nicht gegeben worden sei. Das Mandat ordnet seine Freilassung an. Die Kläger verweisen auf ihren durch Privilegien abgesicherten Anspruch auf angemessene Justizausübung durch den ihnen ebenso wie dem Grafen eidlich verpflichteten Stadtrichter, darauf, daß dem zuwider Bürger mit ihren Ansprüchen derzeit in einem fast rechtlosen Zustand seien, während Ansprüche anderer gegen sie unnachsichtig verfolgt würden, auf gräfliche Privilegien, denen nach Lemgoer Bürger nur vor dem Lemgoer Stadtgericht zu Recht stehen müßten (dies gelte auch für Balve, falls er ein Vergehen über seine Amtsausübung hinaus, für die ohnehin nicht er persönlich anzugreifen sei, begangen haben sollte) und auf die gegen Übergriffe auf die Stadt und ihre Bürger erwirkten und noch geltenden RKG-Mandate de non offendendo (vgl. L 82 Nr. 412 (L 1017) - 414 (L 1019)). Die Beklagten erklären, die Jurisdiktion, auch in den Städten, werde im Namen des Landesherren und durch einen von ihm bestellten Richter ausgeübt, dem auch allein die Ausführung von Urteilen zustehe. Die Pfändung der Pferde des Bauern sei vom Magistrat eigentätlich, ohne rechtliche Grundlage geschehen. Balve habe die Tat gestanden, sich aber geweigert, anzugeben, wer sie ihm befohlen habe. Er sei längst vor der Zustellung des Mandates wieder freigelassen worden. Die Privilegien auf innerstädtischen Gerichtsstand für Lemgoer Bürger bezögen sich nur auf geringe, durch Geldstrafen zu büßende Vergehen, nicht aber auf schwere, für die allein landesherrliche Gerichte zuständig seien, die auch dann eingeschaltet werden müßten, wenn es um Vergehen des gesamten Rates der Stadt als solchem ginge. Sie sehen den mit der Pfändung der Pferde gegebenen Eingriff des Magistrats in die gräflichen Jurisdiktionsrechte als Rebellion, damit als einer Leibesstrafe würdiges, der Zuständigkeit des RKG entzogenes Vergehen und als weiteren Beweis, daß die Stadt Lemgo dem RHR-Mandat nicht entsprochen habe und in ihrer Rebellion gegen den Landesherren verharre. Dies zeige sich auch in den ohne gräfliche Zustimmung vorgenommenen Ratsumsetzungen der letzten beiden Jahre. Sie bestreiten den Vorwurf mangelnder Justizgewährung, da die Verfahren von Lemgoer Bürgern lediglich ausgesetzt worden sei, bis die Hofgerichtskontribution entrichtet werde. Forderung auf Bestrafung des Herforder Stadtschreibers Johannes Dipelius, der ordnungswidrig für die Stadt Lemgo als Anwalt und zugleich als Notar in dieser Sache tätig gewesen sei. (6)~Instanzen: RKG 1613 - 1614 (1613) (8)~Beschreibung: 1,5 cm, 36 Bl., lose; Q 1 - 5, es fehlt Q 3* (Vollmacht Gödelmann). Lit.: wie Nr. 408.

Archivaliensignatur
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Ostwestfalen-Lippe, L 82, 418
Alt-/Vorsignatur
L 82 Nr. 471

Bestand
L 82 Lippische Reichskammergerichtsakten
Kontext
Lippische Reichskammergerichtsakten >> 11. Kläger L

Provenienz
Reichskammergericht

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Letzte Aktualisierung
17.05.2024, 18:17 MESZ

Objekttyp

  • Sachakte

Beteiligte

  • Reichskammergericht

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