Akte
Schreiben von Militärangehörigen an Oswald Stallmann
Enthält u.a.: Briefe von: 1.) Oberleutnant Beck: "Wir freuen uns alle, daß es Ihnen gut geht und ganz besonders, daß Sie glücklich herausgekommen sind. Bei uns fehlt nur noch einer, der Gefr. Sierig, der in Wilna zurückgeblieben ist und bereits evtl. als vermißt gemeldet wurde. Es ist dies umso tragischer, als erst vor wenigen Wochen bzw. Monaten sein einziger Sohn gefallen ist. [Vorbereitungen für den nächsten Fronteinsatz] Sonst läuft der Laden seinen alten Gang. […] Also kommen Sie bald wieder und bringen Sie unbedingt 4 Pkw. und 6 Kraftfahrer mit. Sonst laufen Sie Gefahr zu Fuß Dienst machen zu müssen. Wünsche Ihnen gute Genesung und übermittle Ihnen die Grüße der ganzen Truppe! Heil Hitler", 13. Aug. 1944; 2.) Feldwebel Döhring, [1940]; 3.) Hauptmann Geese: Kuraufenthalt in Wiesbaden, 30. Okt. 1940; Reisepläne nach der Kur, danach "zu allerletzt nach dem geliebten Ottweiler! Ich sähse [!] lieber am Meerbusen von Biskaya oder in der Normandie! Aber der Krieg ist kein Wunschprogramm! Und trostlos ist, daß man auf eine befriedigende und vernünftige Beschäftigung nicht mehr hoffen kann! Es wächst zu schnell das junge Kroppzeug nach!", 14. Nov. 1940; Leutnantspatent für Oswald Stallmann: "Nun sind Sie strahlender Kriegsgott und können sich ruhig freuen! […] Aber Ihre Pistole knöpfe ich Ihnen nun ab! So leid es mir tut! Aber ich weiß genau, daß ich sie Ihnen nur zur Verfügung gestellt habe. War nicht anders möglich, da ich ja selbst nur eine 1939 von Bohn geliehen habe und sie endlich zurückgeben möchte! Aber Sie können, wenn Sie sich keine kaufen wollen, von mir eine noch brauchbare ältere kleine Mauser auch aus Polen als "Beförderungsgeschenk", bekommen.", 28. Apr. 1941; 4.) Hauptmann Hank: aus Friedrichshofen (Ostpreußen): "Wir haben inzwischen die ungeheure Tragödie der großen Vernichtungsschlacht im Osten miterlebt. Nach Beendigung des Unternehmens "Kormoran", das zuletzt bei schönstem Wetter ein fröhlicher Sommerkrieg im Stile des "30jährigen" war und auch uns in unserm letzten "Stabsquartier" in Kamen (zwischen Pleschtschenizg u. Sembin) durch Milchkuh, Hühnervieh u. überreichliche Fleischversorgung 14 Tage lang teilnehmen ließ an der fetten Beute, sammelte die ganze Gruppe am 25.6. in Borissow. Hier bot sich auf der Rollbahn Minsk - Smolensk das bekannte Bild des Rückzugs: Kolonnen und Ziviltrecks und Flüchtlinge und Viehherden in Doppelreihe ohne Ende, zum Glück ohne Feindeinwirkung aus der Luft. Der für uns vorgesehene Einsatz in Lepel entfiel infolge der veränderten Lage; dort war auch schon eine andere Streckengruppe eingesetzt. Unser neues Marschziel Krupka - 40 km norostw. Borissow - war ebenfalls überholt; dort stand - vor den großen Versorgungslagern der 4. Armee - bereits der Russe. Der Kommandeur brachte nun nachmittags aus Minsk […] einen Einsatzbefehl für Minsk mit. Die Lage war deprimierend: Der Iwan hatte vom 22.6. ab zugleich an mehreren Stellen der Mittelfront mit ungeheuren Massen angegriffen, nachdem er mit tausenden von Geschützen und Flugzeugen, also einem Materialaufwand, der selbst die Maße des Weltkrieges überstieg, unsere Stellungen zerschmettert u. alle schweren Waffen, vor allem unsere Artillerie fast restlos ausgeschaltet bzw. vernichtet hatte. Seine ungezählten Batterien, dicht an dicht u. in der Tiefe gestaffelt, waren erst in der Nacht vor dem Angriff in Stellung gegangen. Der Durchbruch mit Panzermassen u. motorisierten Einheiten war nicht abzuriegeln, und Eingreifdivisionen oder gar strategische Reserven waren nicht vorhanden. Erst am 25.6. erschien eine Pz.-Division, die dann auch in beweglicher Kampfführung gegen ungeheure Übermacht im Raum Borissow - Molodetschno - Wilna in den nächsten 14 Tagen noch manches Unheil versucht hat. Der Angriffstermin war bekannt gewesen, aber man hatte dafür wohl keine neue Idee entwickelt, sondern - weil es bisher im "Eckpfeiler der Ostfront" so gut gegangen war - sich wohl nur mit dem unzulänglichen Mittel der "Improvisation" helfen wollen. Das Ergebnis war fürchterlich. Die Räumung der Lager gelang nur zum Teil. Unendlich viel wertvolles Gut ging verloren, besonders auch in Minsk. Die Rückzugsstraßen boten den Eindruck, als habe man die Parole ausgegeben: Rette sich, wer kann! Unsere Tätigkeit war bis zum 2.7. abends in Minsk die Ordnung auf den großen Marschstraßen. Ich selbst erlebte dann im Einsatz vor Minsk den ersten Durchbruch von 18 russ. Pz. durch die Wälder beim Melitta- und Mignonlager u. die dadurch hervorgerufene neue Panik. Auf Befehl der Kdtr. wurden die Streifen zurückgenommen, u. in der Nacht zum 3.8. zogen wir auf einer Marschstraße, die schon 2 Tage vorher wegen der Kämpfe bei Molodetschno gesperrt war, nach Nordwesten, während die Massen aus Minsk nach Westen abzogen. Ich selbst habe den Kdr. hierzu veranlaßt, weil mir im Einsatz bekannt geworden war, daß die 5. Pz. die Straße nach Molo freikämpfen würde. Es war ein gespenstischer Nachtmarsch, hinter uns die Glut der brennenden Stadt, die Detonationen der Sprengungen, die ganze Farbensymphonie der Vernichtung, Feuerschein auch vor uns. Doch unser stiller Fußmarsch verlief völlig ungestört. Wir erreichten im Morgengrauen die Straße, die auch wir vom Bandeneinsatz [?] kannten: Radoskowitsche - Ostroschitzki Gorodok, auf der sich die Pz. u. Sturmgeschütze nach Westen bewegten. Wir hatten unsere Kfz. schon einige Tage vorher nach Wilna in Sicherheit gebracht, uns begleiteten nur 8 Pkw. mit Handgepäck u. Verpflegung. Von ihnen hatten wir 4 in Minsk neu "empfangen". Die Panzer nahmen uns mit nach Radoskowitsche, wo sie erneut in Stellung gingen, und dann haben wir uns auf Lkw. verteilt und sind in der Nacht zum 4.7. und später in Einzeltrupps in Wilna angekommen, wo wir in der alten Unterkunft sammelten. In Krasne u. Molo sahen wir grausige Bilder der Zerstörung: Brunst, zerschossene Panzer u. Fahrzeuge, Leichen von Menschen u. Pferden, und doch auch wieder u. immer wieder das "Organsisieren u. Bereitmachen" in den verlassenen u. brennenden Lagern u. Unterkünften, an liegen gebliebenen Kfz. u. Stapelplätzen. Als wenn jeder dieser Flüchtlinge nur einen Gedanken hatte: aus dem großen "Ausverkauf" noch etwas zu erben, sich selbst zu bereichern u. nach rückwärts in Sicherheit zu bringen. Nur wenige Verbände sah man, die noch geschlossen marschierten, wie zu[m] L[ieder]Text der "Feldherrnhalle". Unzählige Male habe ich selbst in dem Wirrwarr von […] u. mot. Fahrzeugen, Flüchtlings- und Viehtrecks ordnend eingegriffen. Gott sei Dank sind wir dabei selbst nicht von russ. Tieffliegern getroffen worden, nur einmal wurden wir von Partisanen beschossen mit Gewehr, MG u. G.W., doch haben sie nach kurzem Feuergefecht ihre Stellungen fluchtartig verlassen. In Wilna kam ich nach Mitternacht in einen lebhaften Bombenangriff hinein, erreichte aber - mit dem Stahlhelm auf dem Kopf - im Fußmarsch die Unterkunft. Von Wilna verlegten wir am 5.7. nach Kowno, wo wir Verkehrsordnung auf der Rollbahn übernahmen. Endlich wurden wir der H.Gr. [?] wieder unmittelbar unterstellt u. kamen über Sudauen (Suwalki), wo wir einige Tage Dienst machten, nach Scharfenwiese (Ostrolenka), wo wir in einer neuen "Sperrlinie" mit Untergruppen eingesetzt wurden, ich selbst vom 15.7. - 11.8. in Nowograd. Das war immerhin wieder eine richtige Streifenaufgabe, u. es ist ja auch gelungen, das flüchtige Heer hier wieder aufzufangen u. zu ordnen. Wieviel Divisionen, welche Armeen von der Vernichtung betroffen wurden, ob auch der Verrat am Führer mitgewirkt hat? Wir sind hier vor den Toren des Reichs wieder etwas hoffnungsfroher geworden. Eine neue energische Führung, die sich selbst. persönlich einsetzt, hat das Wunder einer ersten Wende vollbracht, die Abwehr des Gegners, die Ordnung der zerschlagenen Verbünde u. ihren neuen Einsatz, und im Zeichen des totalen Krieges werden nun endlich auch Stellungen gebaut. Hoffen wir, daß es gelingt, den Krieg u. damit die Vernichtung von unserer Heimat fernzuhalten! Ich könnten Ihnen, lieber Kamerad St., noch viel erzählen; aber dann würde mein Brief ein kleines Buch, und alles darf man ja auch nicht berichten. An manchen Tagen hat bei uns im engeren Kreise Ihr glaubensstarker Optimismus gefehlt, und es ist ja auch nach allen Erlebnissen schwer, vor allem bei der Zuspitzung der Lage im Westen, diesen Glauben immer wieder gegenüber allen "Anfechtungen" zu erhalten u. gar andern mitzuteilen; aber nur dadurch können wir die Hoffnung auf den Sieg haben, ohne den wir alle verloren wären. - Ich schließe in der Hoffnung, Sie bald wieder bei uns zu sehen. Was dazu nötig ist, ist veranlaßt worden. Mit kameradschaftl. Grüßen", 20. Aug. 1944; 5.) Hartmann, 29. Apr. 1941 u. 26. Mai 1941; 6.) Alois Hausberger, Schütze, aus Frankreich, wegen des von der Firma Neunkirchner Eisenwerk eventuell noch zu zahlenden Geldes, 24. März 1941; 7.) Oberleutnant Ed. Kaiser: "Wenn Du nun 13 Mon. keinen Urlaub bekommen hast, dann wird es allmählich Zeit. Die Invasion hat begonnen. Hoffentlich trifft der Schlag so tief ins Herz, daß der Tommy keinen Atem mehr holen kann. Zwei Angriffe habe ich in Os[nabrück ?] mitgemacht.",9. Juni 1944; 8.) Fritz Niemeyer, Fahrer von Oswald Stallmann, aus Osnabrück, 1940; 9.) Sauerborn, Unteroffizier, aus St. Wendel: "ist es hier im Laz[arett] recht nett. Obwohl man doch im 5. Kriegsjahr schon ist, ist die Verpflegung doch einzig. Nur in einem Punkt und zwar mit den Rauchwaren merkt man es. Was man da im Osten zu viel hatte, ist hier zu wenig. Aber es ist ja in der Heimat überall so.", 1. Juni 1944; "Doch einst wird die gerechte Strafe wohl kommen. Dem Tommy wird es allmählich warm werden, da wir ja den Anfang der Vergeltung bereits haben. Nach den Berichten zu urteilen muß [!] es ganz anständig zu gehen. Er hat es aber auch verdient. [...] Doch die Terrorangriffe haben in der letzten Zeit erheblich nachgelassen, was wohl auf die Invasion zurück zu führen ist.", 20. Juni 1944; 10.) Straub, Hauptmann, über den "Bandeneinsatz" in Ostpreußen, 13. Aug. 1944; 11.) L. Vinke, Gefreiter: Übermittlung eines Pakets von Oswald Stallmann nach Minden, 20. Apr. 1940
Darin: Wehrmachtfahrscheine für die Strecke Slotwina-Brzesko - Bogumilowice, undat. [lagen im Brief von Hauptmann Geese vom 29. Febr. 1940 entnommen]; Konzept des Hauptmanns Geese zum Gesuch um Beförderung von Oswald Stallmann, undat. [lag im Brief von Hauptmann Geese vom 28. Apr. 1941]
- Archivaliensignatur
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 37
- Kontext
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Nachlass Oswald Stallmann
- Bestand
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann
- Laufzeit
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1940 - 1944
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Letzte Aktualisierung
-
17.09.2025, 15:42 MESZ
Datenpartner
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Akten
Entstanden
- 1940 - 1944